02.05.2013, 09:16 Uhr

Verhängnisvolle Vogelperspektive

IT-Kosten werden meist dann beschnitten, wenn der Druck gross ist. Ein systematischer Abgleich, der auch die Unternehmensstrategie berücksichtigt, wäre sinn­voller und nachhaltiger. Mit einem IT-Benchmark lässt sich der Aufwand an den richtigen Stellen reduzieren.
Bewertungen von IT-Ausgaben werden aus der Vogelperspektive gemacht. Spezifische Einflussfaktoren werden kaum berücksichtigt
Der Autor ist Managing Consultant bei Maturity.
Bei jeder Krise muss die IT den Gürtel enger schnallen. Dabei hat das Top­Management den hohen Anspruch, die gleiche Leistung wie bisher mit einem geringeren finanziellen Aufwand zu stemmen. Für die Einsparungen werden häufig IT-Bereiche ausgewählt, die ohnehin in der Kritik stehen. Traditionelle Kandidaten sind beispielsweise Desktop-Kosten, der Aufwand für die Serverbereitstellung, das Netzwerk oder spe­zielle Gruppen von Anwendungen. Das Vorgehen hat sich etabliert, was aber nicht bedeutet, dass es auch in jedem Fall sinnvoll ist.

Zu kurz kalkuliert

IT-Manager und IT-Controller treffen häufig Entscheidungen mit grosser Tragweite, die auf Annahmen der eigenen Organisation oder auf Angaben von Lieferanten beruhen. Dabei haben sie verschiedene Methoden, um die IT-Ausgaben zu bewerten und ihr Preis-Leistungs-Verhältnis zu schätzen. Der Request for Proposal (RFP) ist eine Möglichkeit: Hier geben die Lieferanten Angebote für eine geforderte Leistung ab und aus den Antworten wird das aktuelle «Marktniveau» abgeleitet. Der IT-Manager, der hier als potenzieller Kunde auftritt, sollte sich aber bewusst sein, dass er diese Karte nicht allzu oft ausspielen kann. Eine andere beliebte Methode ist die Möglichkeit, den Preis seiner Lieferanten und Frei­berufler pauschal nachzuverhandeln – zehn Prozent sind schliesslich immer drin. Auch dieser Weg lässt sich nicht beliebig oft wiederholen. Auch Presseberichte über globale Marktentwicklungen werden – solange einem das gezeichnete Bild gefällt – gerne als Zielgrösse genutzt. Alle diese Methoden urteilen aus der Vogelperspektive, spezifische Einflussfaktoren werden kaum berücksichtigt. Welche Schwächen diese Perspektive hat, zeigt sich erst im Detail. Ein Beispiel: Der niedrige Personaleinsatz in einem Bereich lässt auf den ersten Blick auf eine hohe Produktivität schliessen, gravierende Risiken beim Ausfall zentraler Mitarbeiter werden hier aber nicht berücksichtigt. Entscheidungen, die einen strategischen Anspruch erfüllen wollen, lassen sich so nicht begründen. Ein weiterer Fehler im System: Nachdem die offensichtlichen Sparmöglichkeiten ausgeschöpft sind, ergibt die Wiederholung des gleichen Ansatzes nur noch wenige Gelegenheiten für Verbesserungen. Hat das Management die «Low-hanging Fruits» bereits gepflückt, steigt das Risiko, dass in der nächsten Sparrunde gesunde Bereiche in Mitleidenschaft gezogen werden. Probleme lassen sich durch diese Vorgehensweise sowieso weder erkennen noch lösen. Im schlimmsten Fall hat das Unternehmen nach einer überstandenen Krise nicht nur die altbekannten Sorgen, sondern darüber hinaus ein paar Punkte mehr auf der Agenda. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Vergleichsgrössen finden

Vergleichsgrössen finden

Für die IT-Organisation ist es daher entscheidend, die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen. Da es keine objektiven Messgrössen gibt, muss die Bewertung über den Vergleich mit anderen Unternehmen erfolgen – am einfachsten über einen Dienstleister, der bereits über Vergleichsdaten verfügt. Für diesen IT-Benchmark (zum Ablauf vgl. Grafik 1) werden über Fragebögen, Workshops und Interviews alle Daten aus der aktuellen IT-Umgebung erhoben, die Gegenstand des Leistungsvergleichs sind – etwa für den Applikationsbetrieb oder die Storage-Infrastruktur. Dazu zählen neben den Stückkosten auch Treiber wie Komplexität, Qualität, Service Level und Volumen (etwa Anzahl der Betriebssysteme, Systemverfügbarkeit, Betriebszeit und Calls pro Monat). Anschliessend prüft der Benchmarker die Informationen auf Vollständigkeit und Richtigkeit, bevor sie für den Vergleich mit den Datenbankwerten in einer Peer-Gruppe (Vergleichsgruppe) aufbereitet werden. Die anonymisierten Vergleichsdaten der Peer-Gruppe stammen aus anderen Benchmark-Projekten und haben den gleichen methodischen Ansatz durchlaufen. Eine Vergleichsgruppe muss sich nicht zwingend aus den Wettbewerbern der gleichen Branche zusammensetzen – wichtiger sind ähnliche Volumina, Strukturen, Komplexitätsanforderungen und schliesslich die Aktualität der Daten, um dem Preisverfall durch den technischen Fortschritt Rechnung zu tragen (vgl. Grafik 2). So können auch Tochtergesellschaften miteinander verglichen werden, um konzerninterne Best Practices aufzuspüren. Die Daten der Peers werden immer normalisiert, um eine direkte Vergleichbarkeit sicherzustellen. Im Ergebnis, beispielsweise in einer Gap- oder einer SWOT-Analyse (Strengths, Weak­nesses, Opportunities, Threats), zeigt sich, wo Defizite herrschen und in welchen Bereichen die eigene IT relativ rund läuft. Die Benchmark-Daten lassen sich im Anschluss auch für andere Aufgaben nutzen, etwa für die Leistungsverrechnung oder das Controlling. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Beispiel Virtualisierung

Beispiel Virtualisierung

Ein Beispiel für die Anwendung eines Benchmarks ist die Virtualisierung, die in den vergangenen Jahren häufig als Königsweg für Effi­zienzsteigerungen herangezogen wurde. Nur wenige Manager können jedoch genau angeben, ob und in welcher Höhe sich die Investi­tionen rechnen. Den Angaben der einschlägigen Lieferanten ist diesbezüglich mit Vorsicht zu begegnen. Mittels eines Benchmark-basierten Change-Szenarios kann die IT nachweisen, wie hoch die Kosteneinsparungen für ihre Organisation ausfallen werden. Diese belegbaren Argumente lassen sich vor allem bei Diskus­sionen mit internen Kunden der IT ins Feld führen. Hier kann das Change-Szenario konkret zeigen, welche Preisreduzierungen für die Fachabteilungen realistisch sind.

Nur sparen reicht nicht

IT-Entscheidungen sollten immer die Nutzenseite des gesamten Unternehmens, also auch die Perspektive der Fachbereiche, berücksich­tigen. Letztere müssen ihre Anforderungen klar artikulieren – sowohl für Projekte als auch für den Betrieb der IT. Im Gegenzug sind IT-Organisationen aber auch gefordert, die Kosten für einen IT-Service verständlich darzulegen. Nur durch den Abgleich von Angebot und Nachfrage sowie von Alternativen lässt sich erkennen, an welchen Stellen das Sparen sinnvoll oder gefährlich ist. Reine und einseitig initiierte Cost-Cutting-Initiativen ohne speziellen Fokus führen hingegen in den Unternehmen regelmässig zu unbefriedigenden Ergebnissen. Die Frustration ist darauf zurückzuführen, dass sich die Umsetzungen häufig nur auf offensichtliche Einsparpotenziale konzentrieren, ohne dabei auf die strategische Ausrichtung der IT und die möglichen Risiken zu achten. Ein IT-Benchmark stärkt die Verhandlungsposition der IT-Organisation. Die Frage, ob Ausgaben im Einklang mit der Strategie gerechtfertigt sind, müssen IT und Fachbereich dann gemeinsam klären. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Szenarien für einen IT-Benchmark
Typische Szenarien für einen IT-Benchmark
! KASTEN !
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- Intern dienen Benchmarks dazu, die Wertentwicklung der IT gegenüber den Interessengruppen darzulegen («wir leisten mehr mit geringerem Aufwand als noch vor zwei Jahren»).
- Mit Marktpreis-Benchmarks wird das aktuelle Marktniveau von Outsourcing-Services bestimmt, um Verträge aus- und nachzuverhandeln.
- Alternativ gibt das Top-Management einen Preis-Leistungs-Benchmark in Auftrag, wenn Details zur Performance der IT und der Verantwortlichen in
Erfahrung gebracht werden sollen.


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