27.05.2011, 06:00 Uhr

So nimmt Google Business-Kunden ins Visier

Für Google haben die Business-Kunden einen hohen Stellenwert. Weil sich der Suchmaschinenprimus aber im Unternehmensumfeld nicht so gut auskennt, tut er sich schwer, der Konkurrenz Kunden abzujagen. Die grosse Hoffnung liegt in der Wolke.
Google will vermehrt ins Business-Segment vorstossen / Fotos: Google
Schon lange ist Google viel mehr als nur die erfolgreichste Suchmaschine aller Zeiten. Für die Markenforscher von Millward Brown ist deren Firmenname mit einem Wert von 114,2 Milliarden US-Dollar die derzeit weltweit teuerste Marke, noch vor IBM und Apple. Durch den Erfolg seiner Suchmaschine in Kombination mit kontextsensitiver Werbung aus dem eigenen AdSense-Programm konnte der US-Konzern eine Reihe von Software-Lösungen wie Google Chrome OS, Desktop, Picasa, Toolbar, Earth oder Scetchup finanzieren. Zwar ist die Suche für private Nutzer mit einem Marktanteil von über 80 Prozent nach wie vor das Kerngeschäft von Google, doch auch im Geschäft mit Unternehmen mischt der Konzern, allen voran bei Cloud-Services, seit geraumer Zeit eifrig mit.

Unternehmen nutzen Web zu wenig

«Wir möchten das Feuer fürs Internet auch bei Unternehmen entfachen», erklärt Patrick Warnking, Country Manager von Google Schweiz. Warnking ist seit genau 100 Tagen im Amt und hat sich insbesondere die Rekrutierung von Firmenkunden auf die Fahnen geschrieben. «Das Internet sollte Chefsache sein und auf der Agenda jedes CEOs stehen», so Warnking. Vor allem in der Schweiz gibt es noch Potenzial: Mit 27 Prozent war das Durchschnittswachstum des Onlineeinzelhandels hierzulande 2010 relativ tief im Vergleich zum benachbarten Ausland. Marktforscher Forrester prognostiziert für die Eid­genossenschaft bis 2015 das tiefste Wachstum in Europa. «Das E-Commerce-Potenzial wird von Schweizer Unternehmen noch nicht ausgeschöpft», sagt Warnking. Die Schweiz hat auch den tiefsten Anteil an Onlinewerbung in der EMEA-Region. «Schweizer Firmen sollten da präsent sein, wo der Kunde ist», postuliert der Schweizer Google-Chef. Immerhin nutzten im vergangenen Jahr 75 Prozent der Schweizer mehrmals pro Woche das Internet. Die Message ist simpel: Google verdient Geld über Onlinewerbung und genau das machen die Schweizer Unternehmen eben noch viel zu wenig. Warnking will deshalb Unternehmen dazu ermutigen, neue Zielgruppen online anzusprechen, ihre Werbung messbar zu machen und das Internet-Know-how im Unternehmen aufzupeppen. Hierfür stellt Google sogar Tools und Trainings kostenlos zur Verfügung. Einen grossen Stellenwert nimmt dabei der Google-Standort Zürich ein. Hier wird gerade in einem zweiten Gebäude Platz für 300 weitere Mitarbeiter geschaffen. Der Fokus am Entwicklungsstandort Zürich, der grösste ausserhalb der USA, liegt auf den Bereichen Suche, Apps, Geo, Ads sowie YouTube.

Das Vier-Säulen-Modell

Das Geschäftsmodell von Google Enterprise, dem Business-Zweig von Google, basiert auf vier Säulen. Unter dem Stichwort «Suche für Unternehmen» bietet der Suchmaschinen­primus seine «Google Search Appliance» an, eine dedizierte Suchlösung für Geschäftskunden. Mit der Search Appliance gibt es die Suchtechnologie von Google als komplette Serverlösung. Sie eignet sich sowohl für die Suche auf Webseiten als auch für die komplette, unternehmens-interne Suche. «Weltweit nutzen diese Suchtechnologie mehr als 30000 Unternehmenskunden», meint Petra Sonnenberg, Sales Manager Telco, Retail and Federal Government bei Google Enterprise. Eines davon ist das Management-Beratungsunternehmen Mercer. «Dass die Google Search Appliance eine Verknüpfung mit Livelink bietet und in Zukunft bei Bedarf die Verbindung mit SharePoint sicherstellen kann, war ein ausschlaggebendes Argument für den Kauf des Produkts», sagt Haroon Suleman, Enterprise Architect Global IT bei Mercer. Der Konzern hat über 19000 Mit­arbeiter in 40 Ländern, die 350000 Webseiten mit über 1,5 Millionen Dokumenten zu durchsuchen haben. In Säule eins ebenfalls integriert ist die Cloud-Lösung «Google Site Search». Dieser Service soll es Unternehmen ermöglichen, «ihren Kunden auch auf der eigenen Website die gleiche Sucherfahrung mit relevanten Ergebnissen liefern zu können, wie sie es von der Google-Homepage gewohnt sind», meint Sales-Managerin Sonnenberg. Die implizierte Hoffnung: Der Erfolg der öffentlichen Google-Suche werde sich bei den Business-Kunden wiederholen. Die neuste Lösung im Suchportfolio für Unternehmenskunden nennt sich «Google Commerce Search». Dieser Dienst, bei dem es konkret um die Produktsuche geht, wendet sich an Firmen mit Webshop. Die zweite Säule «Geo Spatial» baut auf Google Maps und Earth auf. Kunden können damit eigene Anwendungen mit Google Maps verbinden. So bietet beispielsweise die Deutsche Post einen Store Location Finder an, mit dem Post-Kunden Filialen oder Briefkästen via Google Maps finden. Bei der Schweizer Suchplattform local.ch kommt Street View zum Einsatz, um die Orientierung vor Ort in Bezug auf ein bestimmtes Objekt zu vereinfachen. Die dritte Säule steht für den Sicherheits- und Archivierungsservice für E-Mails von Postini, der sich seit 2007 in Googles Besitz befindet. Mittlerweile sollen gemäss Sonnenberg mehr als 40000 Unternehmenskunden diesen Dienst nutzen, da­runter der deutsche Referenzkunde BASF.

Business-Kunden im Fokus

Die vierte und wohl wichtigste Säule bildet die Cloud-Computing-Lösung «Google Apps for Business». Laut Google werden diese von mehr als drei Millionen Unternehmen in über 100 Ländern genutzt. Für 40 Euro pro Nutzer und Jahr legen sich Firmen jeder Grösse damit einfache Kommunikations- und Kollaborations-Tools zu, die von Google gehostet werden. Dadurch sollen sich Installation und Wartung vereinfachen sowie die IT-Kosten langfristig reduzieren. Mail, Kalender und das integrierte Instant Messaging verbinden die Benutzer. Hinzu kommen Werkzeuge für Textverarbeitung, Tabellen-kalkulation und Präsentationen, die es erlauben, Dateien in Echtzeit gemeinsam zu bearbeiten. In der Schweiz nutzen etwa die Mediengruppe Ringier und das Telekommunikationsunternehmen Sunrise die Lösung. Das Konzept der Google Gadgets findet bei Sunrise besonderen Anklang: «Google Gadgets ist einfach aufgebaut und erlaubt es, schnell neue Inhalte zu platzieren», erklärt Howie Sennhauser, Product Manager bei Sunrise. «Uns ist es wichtig, dass das Produkt durch unseren Partner kontinuierlich optimiert und ausgebaut wird.» Ob sich mit Google Enterprise schon richtig Geld verdienen lässt, dazu schweigt sich Sonnenberg aus. Doch Google Enterprise wachse enorm, sagt sie. Täglich melden sich rund 3000 neue Unternehmen für die Cloud-Lösung Google Apps an. «Auch in den anderen Lösungssäulen wachsen wir rapide. Die Zielgruppe Business-Kunden hat also einen sehr hohen Stellenwert für Google», so Sonnenberg. Die Wolke sei für das Unternehmen ein strategisches und langfristiges Geschäftsfeld. «Wir glauben daran, dass Cloud Computing die gesamte Informationswirtschaft dauerhaft verändert und sich kaum ein Unternehmen diesem Paradigmenwechsel entziehen kann», meint Sonnenberg und verspricht für 2011 «viele Neuheiten aus unserem Hause – insbesondere für unsere Unternehmenskunden».

Die Konkurrenz schläft nicht

Der Siegeszug von Cloud Computing lässt auch die Google-Konkurrenz nicht mehr ruhen. Besonders Microsoft hatte den Trend lange Zeit verschlafen und geht jetzt mit umso mehr Vehemenz gegen Google an. Mit Google Apps versucht der Suchmaschinenbetreiber schon länger, private Computernutzer von Microsofts Office-Paket wegzulocken. Nun will Google vermehrt auch Unternehmen und Behörden zum Umstieg von Microsoft Office auf Google Apps bewegen. «Unser Geschäft ist durch einen schnellen Wandel und durch konvergierende, neue und innovative Technologien gekennzeichnet. Grundsätzlich glauben wir, dass Wettbewerb das Geschäft belebt», gibt sich Sonnenberg kämpferisch. «So fühlen wir uns in unserem Geschäft vor allem dadurch bestätigt, dass immer mehr Unternehmen auf den Cloud-Computing-Trend aufspringen», Sonnenberg weiter. Microsoft Unternehmenskunden abzujagen, fällt dem Konzern allerdings schwer, obwohl er mit deutlichen Kostenvorteilen punkten kann. Bei Cloud Computing geht es aber vor allem um Vertrauen und da hat Googles Datensammelwut das Image nicht unbedingt zum Vorteil verändert. Von Konkurrenten bei der EU-Kommission eingegangene und von ehemaligen Microsoft-Lobbyisten unterstützte Klagen wegen Verstosses gegen das Kartellrecht und Beeinflussung von Suchergebnissen, tragen ebenfalls dazu bei, Googles Ruf zumindest vorübergehend etwas anzukratzen. Analysten zufolge hat Microsoft gegenüber Google zudem einen grossen Vorteil: Der Software-Konzern hat die grössere Erfahrung mit Unternehmens-kunden. Anders als Google lebe Microsoft seit Jahrzehnten in den IT-Abteilungen von Konzernen und betreibe mit seinen Produkten manche der weltgrössten Datenbank­installationen, meint etwa Joshua Greenbaum vom IT-Berater Enterprise Applications Consulting. Trotzdem: Je mehr Unternehmen ihre Dienste übers Netz anbieten, umso mehr werden die Grössen der IT-Branche, für die IT-Dienstleistungen zum Kerngeschäft gehö-ren, umdenken und sich auf zunehmende Konkurrenz einstellen müssen. Bisher bieten sie viele der Dienste, die Unternehmen in der Cloud nutzen, selbst an, doch damit könnte es in naher Zukunft vorbei sein. Für den Gartner-Analysten Brian Prentice steht jedenfalls fest: Bis 2015 wird ein Fünftel der 500 weltgrössten Firmen Cloud-Dienstleister sein. IT-Unternehmen nicht mit eingerechnet.


Das könnte Sie auch interessieren