Die Schweizer IT im Jahr 1990
Szenen einer Ehe
Microsoft war Anfang der 1990er-Jahre noch eine vergleichsweise kleine Software-Firma. Man hatte zwar mit DOS ein eigenes Betriebssystem, aber auch einen Entwicklungsdeal mit der grossen IBM für OS/2. Dem Gemeinschaftsprojekt wurde in der Informatik-Szene zugetraut, es könnte dereinst DOS/Windows und Unix-Implementierungen ersetzen. Das heisst zu dem werden, zu dem Windows schliesslich wurde: dem marktführenden System für den Personal Computer. Microsofts Erfolg mit Windows wareiner der Gründe, warum OS/2 den Durchbruch nie geschafft hat. Ein anderer Grund war der eminent grosse Hardware-Hunger von OS/2. Schon der erste Release benötigte Ende der 1980er satte 6 Megabyte Hauptspeicher und die neusten Intel-Prozessoren für den flüssigen Betrieb. Die Chip-Hersteller legten zwar schnell neue Halbleiter nach, IBM und Microsoft kamen aber nicht nach mit der Entwicklung von OS/2. So wartete alle Welt auf OS/2 2.0, während Microsoft Windows 3.0 lancierte. Es eliminierte die 640-Kilobyte-Limitationen von DOS halbwegs und liess sich auch auf bezahlbaren Computern ausführen.
Bei IBM wurde die Microsoft-Entwicklung natürlich mit Argwohn beobachtet. Die Pläne, mit OS/2 einen gemeinsamen Nachfolger für DOS lancieren zu wollen, lösten sich über die Jahre in Schall und Rauch auf. Wie Computerworld schrieb, war 1990 noch unklar, wie sich die Ehe zwischen Big Blue und der Gates-Company weiterentwickelt. «Die Wirklichkeit sieht so aus: Beide, OS/2 und Windows, werden in Zukunft immer besser werden. Daran wird sich bis auf Weiteres nichts ändern», kommentierte Lee Reiswig, Vizepräsident Programmierung bei der Entry Systems Division von IBM, die Beziehung zu Microsoft. Damit hatte der Partner und Wettbewerber quasi freie Hand, seine Windows-Pläne weiterzuverfolgen. Während IBM (vorerst) voll auf OS/2 setzte. «Wir wissen noch nicht, ob wir OS/2 zusammen mit Windows anbieten werden», liess sich IBM-Chefstratege James Cannavino von Computerworld zitieren. Einklares Bekenntnis zur Partnerschaft hätte sich anders angehört.
Schon 1991 stieg dann Microsoft aus dem Bündnis aus und konzentrierte sich auf die Weiterentwicklung von Windows zu einem vollwertigen Betriebssystem. Windows NT 3.1 sollte 1993 der erste Schritt sein. Das von IBM 1992 letztendlich alleine lancierte OS/2 2.0 war weiterhin sehr Hardware-hungrig, allerdings auch vergleichsweise leistungsstark. Es krankte allerdings (wie Windows NT) an der anfangs noch fehlenden Unterstützung der Entwickler, das heisst an den wenigen 32-Bit-Anwendungen auf dem Markt.
Gorbatschows Apple
Obwohl als Vorreiter bei den grafischen Bedienoberflächen gestartet, konnte auch Apple mit dem Erfolg von Windows nicht mithalten. Die hohen Hardware-Preise waren ein Hauptgrund, warum der Konzern ein Nischenanbieter blieb. Unter CEO John Sculley wuchs der Apfel-Konzern zwar zum Milliarden-Business heran, einen wirklichen Durchbruchfür die Hardware oder die Software gab es aber nicht. Im Jahr 1990 versuchte Sculley, mit «Billig»-Macs mehr Konsumenten für Apple zu gewinnen. Insbesondere der Macintosh Classic (1500 US-Dollar) erwies sich als Verkaufsschlager, sodass Apple kurzfristig die Fabrikkapazitäten erhöhen musste. Das Modell mit 9-Zoll-Schwarz-Weiss-Display wurde ausserdem im Bildungsbereich gut angenommen – unter anderem wegen der speziell programmierten Schul-Software. Der fast doppelt so teure Macintosh LC (Low-cost Color) zielte ebenfalls auf den Education-Markt, konnte aber nicht an den Erfolg des Classic heranreichen.
Einen treuen Kunden hatte Apple in der damals noch existierenden Sowjetunion. Der letzte Staatspräsident, Michail Gorbatschow, wurde von Apple-CEO Sculley persönlich mit Mac-Computern ausgestattet. Vermutlich allerdings nicht mit den neuen Billig-Rechnern, mutmasste Computerworld. Sowie vermutlich auch nicht auf offiziellem Weg, verbot doch das CoCom-Embargo die Lieferung von Hochtechnologie in den Ostblock. Es wurde erst 1994 aufgelöst. Da waren allerdings Gorbatschow und Sculley längst nicht mehr im Amt.
Passend zur Lancierung der «Billig»-Macintosh veröffentlichte Computerworld 1990 die Zeitschrift «Macworld Schweiz». Ein grosses Thema in der Erstausgabe im Mai war der Test des neu eingeführten «Farbbildverarbeitungsprogramms» Photoshop von Adobe. Aufgrund der vielen Anzeigen sollte sich die PTT Mitte der 1990er-Jahre weigern, die Zeitschrift zur reduzierten Zeitungstaxe zu befördern. Der Verlag klagte und unterlag. Ende des Jahrzehnts kam das Aus für die «Macworld Schweiz».