05.07.2013, 09:35 Uhr

Prozessexzellenz aus der Cloud

Prozessdefizite gefährden langfristig die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens. Besonders tückisch sind die versteckten Stolperfallen. Das neuste Mittel dagegen ist Business Process Management aus der Cloud.
Das neuste Mittel gegen verstecke Stolperfallen in Prozessen ist Business Process Management aus der Cloud
Laufen die Geschäftsprozesse im Unternehmen nicht effizient ab, merkt das Top-Management erst einmal nichts davon. Diese Ruhe ist natürlich trügerisch, denn langfristig schaden Prozessdefizite dem Geschäft, kosten mithin Umsatz und können im Extremfall zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit führen. Deshalb ist es klüger, aufmerksam auf erste Warnsignale zu achten. Zum Beispiel: Die Angebotserstellung verzögert sich, etwa durch zu langsame Preisberechnungen. Der Kunde ist des Wartens überdrüssig und geht zur Konkurrenz. Ist die Ware bestellt, sollte sie möglichst schnell ausgeliefert werden. Denn eine im Vergleich mit Konkurrenzanbietern zu langsame Auslieferung trägt nicht zur Zufriedenheit der Kundschaft bei. Treten derartige Prozessdefizite gehäuft auf, gefährden sie langfristig den Erfolg des Unternehmens.

BPM-Pferdefuss

Das Grundproblem beim Business Process Management (BPM) sei, dass mehrere Abteilungen beteiligt sind und gleichzeitig die Grenzen des Unternehmens – zum Beispiel über Lieferanten, Partner und Kunden – überschritten werden müssen, analysiert Lars Erdmann, Partner der QPerior AG in Bern. Kennzahlen, also KPIs, würden häufig lediglich auf Abteilungsebene erhoben. Auf den ersten Blick und für sich betrachtet, sieht dann alles zunächst sehr gut aus. Aber das kann täuschen, denn erst eine End-to-End-Sicht auf den Gesamtprozess erlaubt es, versteckte Defizite zu erkennen und zu beheben. Alain Badoux, Schweiz-Chef der SAG Software Systems, empfiehlt, die Geschäftsprozesslandschaft im Unternehmen zu analysieren und insbesondere zu messen, wie lange die Abarbeitung der einzelnen Prozessschritte dauere. Wie viel Zeit nimmt beispielsweise die Interaktion mit den einzelnen Lieferanten in Anspruch und lässt sich die Zusammenarbeit verbessern? Typische Stolperfallen, die unnötig Zeit kosten könnten, seien etwa Approval- oder Risk-Prozesse. Auch die Kreditwürdigkeit von Kunden (hat der überhaupt ein Konto bei der UBS?) lasse sich schneller automatisiert überprüfen. Badoux empfiehlt insbesondere, auf Medienbrüche zu achten, also auf Tätigkeiten, die noch manuell oder auf Papier ausgeführt werden. Denn das Ergebnis müsse per Hand nachträglich wieder ins IT-System eingespeist werden. Digitalisierung und vor allem Automatisierung spare Zeit, bringt Badoux die Sache auf den Punkt. Manchmal, so gibt er zu bedenken, gebe es aber auch einfach zu wenig Leute im Unternehmen, die einen Prozess unterstützen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Schweizer Defizite

Schweizer Defizite

Nach der Geschäftsprozessanalyse folgt die Umsetzung mithilfe von IT und dort haben Schweizer Unternehmen anscheinend noch Nachholbedarf. «Schweizer konzentrieren sich zu sehr auf Business-Process-Optimierung in SAP, Siebel oder Salesforce, also innerhalb der Grenzen von Einzelsystemen», kritisiert
Badoux. Auch für ihn kommt die End-to-End-Sicht auf den Gesamtprozess zu kurz. Prozessoptimierung sei ein Zyklus mit den Einzelschritten Business Process Analysis, Business Process Execution und Monitoring (KPIs). IT und Business müssen zusammenarbeiten, um hier das Optimum für ihr Unternehmen herauszuholen. Als Kunden, die das bereits erfolgreich praktizieren, nennt Badoux die Swisscom, den Flughafen Zürich und den Logistik- und Paketdienstleister DHL.

Fallbeispiel: Kanton Aargau

Einen Einblick in die Praxis gibt Marco Bürli, Leiter E-Gov-Projekte/Informatik beim Kanton Aargau. Der Kanton hat in den letzten drei Jahren seine eGovernment-Strategie massiv forciert und bietet zurzeit ein knappes Dutzend Internetdienste für seine Bürgerinnen und Bürger an. Dazu zählen der Onlinedienst «Fristerstreckung», der ab Februar 2013 Steuerpflichtigen die Option bietet, online eine Fristverlängerung einzureichen; oder der Service «Anmeldung Mittelschulen» oder der Dienst «eAge Pflege», der über die Tarife und Leistungen der Pflegeheime im Kanton Aargau informiert. Mit diesen Diensten und der dahinterliegenden Infrastruktur stehe der Kanton Aargau an der Spitze der Schweiz: «So etwas hat niemand ausser uns», betont Bürli stolz. Die eGov-Strategie sei aber nur der Auslöser gewesen, die Geschäftsprozesse der Kantonsverwaltung zu überdenken und zu digitalisieren. «Früher haben die einzelnen Fachbereiche ihre Business-Prozesse aufgenommen oder auch nicht», erzählt Bürli. Es habe kein übergeordnetes Business Process Management gegeben. Dienstleistungen, wie die Bearbeitung von Anträgen, seien je nach Prozessschritt teils IT-gestützt, teils manuell durchgeführt worden. Die dadurch entstehenden Medienbrüche hätten Zeit und Geld gekostet. Und der Kanton schaue sehr genau aufs Geld. Mit der neuen eGov-Infrastruktur, die durchgehend digitalisierte Prozesse ermöglicht, hätten sich die Durchlaufzeiten von Wochen auf Tage oder sogar Stunden reduziert. Auch von den Mit­arbeitenden, berichtet Bürli, würden die neuen Prozesse sehr gut angenommen. Die eGov-Infrastruktur des Kantons Aargau besteht – stark vereinfacht – aus den Schichten Server, Speicher, Netzwerk und Sicherheit, die nun optimal aufeinander abgestimmt sind. Technologieanbieter nennen das auch Converged Infrastructure. Schichtenübergreifende Automatisierung heisst letztendlich das Zauberwort. «Wir müssen etwas tun, um eGovernment zu standardisieren, zu industrialisieren, um dadurch einzelne Servicekomponenten mehrfach verwendbar zu machen», sagt Bürli, und gibt damit die strategische Ausrichtung für die Zukunft vor. Zurzeit laufen weitere 15 Projekte, über die der Aargauer Informatikchef aber noch nichts verraten will. Fest steht jedoch: Zum Einsatz kommt Business Process Management von SAP. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Cloud-Lösung: BPaaS

Cloud-Lösung: BPaaS

Eines der jüngsten Lösungsangebote in Sachen Geschäftsprozessoptimierung ist Business Process Management as a Service (BPaaS), also aus der Cloud. Mitte Juni kam die Scheer Group, ein Zusammenschluss von sechs Unternehmen (u.a. Scheer Management, IMC, E2E), mit ihrem BPaaS auf den Markt. «Ziel ist es, Prozesse im Unternehmen schneller zur Verfügung zu stellen», sagte Thomas Feld, Vice President der Scheer Group, im Gespräch mit Computerworld. Unternehmen bräuchten immer noch Monate, um Prozesse zu realisieren und in die bestehende Infrastruktur zu integrieren – die Implementierung und Kodierung verzögern die Prozesseinführung. Die neue BPaaS-Lösung besteht aus vier Komponenten: Process Tailoring, Process Apps, Process Integration und Process Guidance. Auf dem Level Process Tailoring erfolgt die Modellierung neuer respektive die Änderung bestehender Prozesse. Mit dem Werkzeug sollen auch Fachanwender gut zurechtkommen, denn BPaaS arbeitet mit sogenannten Wertschöpfungs­diagrammen, die intuitives Arbeiten unterstützen. Das heisst: Fertigkeiten in Prozessmodellierung werden zwar vo-rausgesetzt. Doch der Einsatz des recht einarbeitungsintensiven Quasi-Standards Business Process Model Notation (BPMN) ist zwar möglich, aber nicht unbedingt nötig. Der Layer «Process-Apps» verwandelt die Wertschöpfungsdiagramme dann in ausführbaren Workflow, das heisst in lauffähigen BPMN- oder UML-ByteCode (Unified Modelling Language). Sogenannte Connect-Apps stellen die Bindung des modellierten Prozesses an die eigenen Backend-Systeme (wie SAP) her oder an Cloud-Lösungen, die das Unternehmen einsetzt. Die Prozessmodelle in der Cloud seien vollständig verschlüsselt, selbst der Betreiber des Angebots habe keinen Einblick, betont Alexander Büch, Chief Solution Architect der Schweizer Software-Schmiede E2E Technologies, gegen­-über Computerworld. Die Schweizer Software-Tüftler zählen zu den Pionieren modellbasierter Software-Umgebungen für Geschäftsprozessautomatisierung und Systemintegration. E2E trat 2010 der Scheer Group bei, auch um seinen Footprint im deutschen Markt zu stärken.

Schweiz: ProzessIntegration

Der Fokus in der Schweiz liegt auf Prozess­integration, betont Scheers VP Thomas Feld. Ein Schweizer Erstkunde wolle mit BPaaS seine
Lieferantenkette (Supply Chain Management) optimieren. Fachanwender können dabei auf vorgefertigte Prozess-Templates – etwa für Procurement – zurückgreifen und damit alleine loslegen. Scheer bietet über die Schweizer E2E Technologies aber auch Full-Service-Beratungsleistungen an. BPaaS läuft nicht nur in der Cloud, sondern auch on premise. Die Lizenzkosten orientieren sich an der Anzahl der User/pro Monat und an den benutzten Komponenten.


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