Computerworld vor 30 Jahren
30.12.2019, 07:00 Uhr
Diese IT-News bestimmten das Jahr 1989
Die Computerworld war 1989 bestimmt von den Schlagzeilen der Schweizer und der internationalen IT-Branche. Die Firmen registrierten eine gewisse Sättigung im Markt. Nicht einmal Apple konnte das ändern.
Der helvetischen Informatikbranche sollte es wie jedem anderen Industriezweig ergehen: Die hohen Wachstumsraten der frühen Jahre schrumpften kontinuierlich auf einen einstelligen Prozentsatz. So hatten es die Marktforscher von IDC Schweiz für Ende der 1980er-Jahre vorausgesagt. Sie sollten zunächst falsch liegen: «Es geht wieder aufwärts», titelte Computerworld im Januar 1989. IDC hatte soeben die Zuwächse für 1988 beziffert, die mit 11,8 Prozent über denen der beiden Vorjahre lagen (1986: 10,7 %, 1987: 9,2 %). Haupttreiber war die Software mit Wachstumsraten von 21 Prozent. Der Bereich war allerdings noch klein. Das Gros der Ausgaben von insgesamt 5,8 Milliarden Franken floss in Hardware (vgl. Grafik links). «Mehrheitlich setzten die Kaufwilligen auf Sicherheit und IBM», kommentierte Computerworld ein halbes Jahr später die soliden Quartalszuwächse des Blauen Riesen – weltweit von 9,4 Prozent. Jedoch begann auch für IBM, das Geschäft in der Schweiz zu harzen.
Raus aus dem Rz
Die Schuld am Investitionsrückgang bei der Hardware verorteten das Marktforschungsinstitut IHA und die Universität Fribourg erstens im hohen Sättigungsgrad des Rechnerbestandes in der Schweiz. Schon jeder vierte Arbeitsplatz (780'000) war mit einer Datenverarbeitungsanlage ausgestattet. In Banken gab es teilweise eine Übersättigung mit drei Terminals pro Sitz. Zweitens war die externe Datenverarbeitung in Rechenzentren aus der Mode gekommen. Nutzten 1987 noch 7300 Firmen die Dienste aus den Rechenzentren, waren es 1988 nur noch 2700 Unternehmen, berichtete IHA. Drittens registrierten die Analysten einen Preiszerfall bei der Hardware als Grund für rückläufige Umsätze. Apple, Compaq und Dell reduzierten die Preise ihrer Macintosh- respektive 386er-Spitzenmodelle im Jahresverlauf um über 20 Prozent.
Die Software-Industrie konnte die Verluste 1989 zwar noch nicht kompensieren, wuchs aber wie erwähnt zweistellig. Bei den mit Hardware «übersättigten» Banken bestand hoher Nachholbedarf bei Software mit «Fenstertechnik», um die Terminals «flexibler» einsetzen zu können.
Rosstäuscher-Geschichte
Unter den neuerlichen Problemen des IT-Markts litt der Grosshändler ALSO besonders. Im Februar 1989 berichtete Computerworld über das «ALSO-Abenteuer mit Millionenabsturz». Der neue Mutterkonzern des Distributors, der Lifthersteller Schindler, musste letztendlich einen Jahresverlust von 42,1 Millionen Franken verbuchen. Das Deutschland-Geschäft wurde charakterisiert mit «absolut unverkäuflichen Lagerbeständen, ungenügender Logistik und organisatorischen Mängeln». Weiter habe es einen «Druck auf die Margen» gegeben, benannte ALSO-Chef Thomas Weissmann die Hauptursache der «Tragödie». Die deutschen Niederlassungen wurden grösstenteils geschlossen. Schindler bekannte sich dennoch zu ALSO, obwohl man über den maroden Zustand der Firma getäuscht worden war.
Als «Innerschweizer Rosstäuscher-Geschichte» bezeichnete dann Computerworld die von Schindler-Verwaltungsrat Uli Sigg an einem Medienanlass vorgetragene Begründung des Zukaufs: Während andere Interessenten wie die Telecolumbus das Ross hatten in der Sonne stehen lassen, glaubte Schindler, vor einem «Renner» zu stehen. Um das edle Tier durch Insider-Spekulationen nicht unnötig zu verteuern, erforderte der Kauf höchste Diskretion. So griff Schindler dem Objekt der Begierde nicht in die Rippen, sondern verliess sich auf den schönen Schein. In Form eines offenbar frisierten Quartalsberichts. Nach dem Kauf verwandelte sich Schindlers neuer Pegasus allerdings in die alte Rosinante des Don Quichotte. Mit den Vertriebsrechten unter anderem für Microsoft sollte ALSO in den 1990ern doch noch zu einem «Renner» werden. Erst vor gut zwei Jahren stieg Schindler beim heute drittgrössten IT-Distributor Europas aus.
Windows im Dornröschenschlaf
Den Ruf der Schweizer Banken nach mehr «Fenstertechnik» hatte Microsoft im März 1989 offenbar gehört. Das Unternehmen war noch einer von vielen kleineren Software-Anbietern. Gemeinsam mit Marktführer IBM hatten Bill Gates & Co. OS/2 entwickelt, das als das Betriebssystem der Zukunft galt. Es besass die Bedienoberfläche «Presentation Manager», die eben genau die gewünschte «Fenstertechnik» mitbrachte. Parallel hatte Microsoft seit 1985 die Windows-Oberfläche für DOS im Portfolio. Sie schlief 1989 noch einen «Dornröschenschlaf», berichtete Computerworld. Microsoft selbst hatte nur eine Software für den DOS-Aufsatz: Excel wurde gleich inklusive der Windows-Runtime ausgeliefert, da das System noch kaum verbreitet war.
Im März kündigte der Konzern dann die Textverarbeitung Windows Word an, die noch im ersten Halbjahr erscheinen sollte. Anschliessend wollte Redmond das Datenbank-Verwaltungssystem «Omega» (später Access) lancieren, dann das Präsentationsprogramm PowerPoint vom Mac auf Windows portieren. Letztendlich waren die Pläne zu ambitioniert, da sich die Programmierung unter Windows selbst für Microsoft als problematisch erwies. So erschien Word für Windows zwar noch 1989, tauchte aber bis Ende Jahr nicht in den Reseller-Preislisten auf. Omega brauchte bis Januar 1991, während PowerPoint schon im Mai 1990 veröffentlicht wurde. Gleichzeitig, mit dem Marktstart von Windows 3.0 am 22. Mai 1990, begann der Siegeszug der Bedienoberfläche. Zwei Jahre später, mit Windows 3.1, verabschiedete sich Microsoft aus der OS/2-Partnerschaft mit IBM.
Herzdiagnostik mit dem Macintosh
Der Audiopionier und Unternehmer Willi Studer musste Ende der 1980er-Jahre den Niedergang seiner einstigen Weltfirma Studer-Revox miterleben. Sie hatte den Wechsel zur Digitaltechnik verpasst. Im April 1989 bewies Studer nochmals Erfindergeist, indem er den Medien eine Weltneuheit präsentierte: den «Macintosh für Herzuntersuchungen». Dafür hatte er die vom Berner Kardiologen Ernst Sanz erfundene Kardiogoniometrie-Methode weiterentwickelt. Das System bestand aus vier Sensoren, die am Körper des Patienten befestigt werden. Diese «Satelliten» waren mit einem Apple Macintosh SE verbunden, in dem eine von Studer geätzte Platine verbaut war. Wurde am Rechner die Untersuchung gestartet, schrieb eine eigens entwickelte Software pro Sekunde 3000 Messwerte direkt auf die Festplatte. Die Aufzeichnung dauerte 20 Sekunden, sodass 16 Kilobyte Rohdaten generiert wurden. Die anschliessende Auswertung dauerte nur 15 Sekunden.
Studer führte die kürzere Diagnosezeit, die bessere Handhabung durch nur vier statt der üblichen neun Sensoren und die höhere Aussagekraft bei der Diagnose von Erkrankungen der Herzkranzgefässe als Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Elektrokardiogramm (EKG) an. Und den tieferen Preis: Das System wurde für rund 20'000 Franken geliefert. Die Fachwelt anerkannte allerdings lediglich den Fortschritt durch die digitale Signalverarbeitung.
Grösster Monitor der Welt
Allein die schiere Grösse des Mitsubishi XC-3720 mit über 80 Zentimetern Diagonale war Computerworld im Mai 1989 eine Schlagzeile wert: «Riesenbildschirm misst 37 Zoll». Der Distributor Walter Electronic aus Sirnach hatte den damals grössten Kathodenstrahlmonitor der Welt neu ins Verkaufsprogramm genommen – mit einem Preisschild von 19'900 Franken. Der Käufer bekam einen Bildschirm mit einer Auflösung von 640 × 480 Pixeln, wobei die Bildpunkte jeweils einen Millimeter voneinander entfernt waren. Mitsubishi pries das Monster für CAD-Anwendungen und Gruppenpräsentationen an. Da die Ansteuerung der Kathodenstrahlröhre noch nicht standardisiert war, lieferten die Japaner eine Schnittstellenkarte gleich mit.
Garage wird Denkmal
Zum 50-jährigen Jubiläum von Hewlett-Packard wurde die Garage an der 367 Addison Avenue im kalifornischen Palo Alto zum historischen Denkmal erklärt. Wie Computerworld Anfang Juni 1989 berichtete, wurde der Ort auch wegen seiner Bedeutung als Gründungsstätte des Silicon Valley geehrt. Das erste Produkt von Hewlett-Packard entstand allerdings im Bungalow hinter der Garage: Dort bastelten Bill Hewlett und David Packard 1939 an einem Audio-Oszillator, von dem sie zunächst acht Modelle verkauften. Abnehmer waren die Walt Disney Studios, welche die hochmodernen HP-Geräte für die Entwicklung des Tonsystems für den Zeichentrickfilm «Fantasia» verwendeten.
Stalinisten und Demokraten
Der Oracle-Gründer Larry Ellison war schon im Juli 1989 für ein markantes Zitat gut. An einer Pressekonferenz zum neuen Server-Produkt für OS/2 polterte er über den damals grössten Wettbewerber dBase: «Die stalinistischen Server von [dBase-Hersteller] Ashton-Tate können nicht einmal mit sich selbst kommunizieren.» Seiner Neuheit attestierte er hingegen: «Oracles demokratischer Server kann mit DB2 von IBM und Nonstop SQL von Tandem kommunizieren.» Nach diesem Vergleich mutmassten die Computerworld-Redaktoren dann auch, Ellison werde «kaum als zurückhaltender Mensch in die Annalen der Computerindustrie eingehen». Womit sie recht behalten haben. Eines der besten Beispiele ist der Titel der Ellison-Biografie von Mike Wilson aus dem Jahr 1998: «Der Unterschied zwischen Gott und Larry Ellison? Gott glaubt nicht, dass er Larry Ellison ist».
IBM gegen Schrebergarten
Der Platzhirsch im Schweizer IT-Markt sollte IBM noch für einige Jahre bleiben. Bis 1999 führte Big Blue die Top 500 an – meist mit grossem Abstand. Die Marktmacht widerspiegelt auch, dass IBMs «ernsthaftes Interesse» genügte, um im August 1989 die Stadt Bern in Aufruhr zu versetzen. Big Blue erwog, in der Bundeshauptstadt eine Niederlassung zu bauen. Dafür war das Unternehmen auf die Suche nach Bauland gegangen. Das wurde gefunden in einer rund 17'000 Quadratmeter grossen Gewerbefläche, auf der jedoch eine Schrebergartensiedlung residierte. Die Ansiedlung von IBM wollten allerdings die Sozialdemokraten im Berner Stadtrat verhindern, indem sie per Motion eine Umnutzung in Freifläche anstrebten. Der Stadtrat lehnte ab, wenn auch denkbar knapp mit 34 gegen 33 Stimmen, berichtete Computerworld. Der Weg wäre frei gewesen für die «ernsthaft interessierte» IBM. Big Blue blieb aber in Zürich und zügelte ihren Hauptsitz erst 2005 vom Bändliweg 21 ein Haus weiter an die Vulkanstrasse 106.
Pionierarbeit auf der Müllhalde
Als erster Computerhersteller in der Schweiz lancierte Big Blue im September 1989 ein Entsorgungskonzept für seine Produkte. «IBM leistet Pionierarbeit auf der Müllhalde», titelte Computerworld sogleich. Das damalige Warenverteilzentrum in Kloten war Anlaufstelle für alle Kunden, die ein Farbband oder einen Mainframe entsorgen wollten. Die Hardware wurde gegen eine Gebühr von 20 Rappen pro Kilo zurückgenommen. Damit wollte IBM aber kein Geschäft machen, sondern nur die Selbstkosten decken. Die Entsorgung oder Verschrottung übernahmen die Spezialfirmen Immark in Stein am Rhein und Thommen in Kaiseraugst. Sie mussten IBM vertraglich zusichern, dass die ausgedienten Computerbauteile tatsächlich unbrauchbar gemacht wurden und nicht auf «Schleichwegen» wieder in den Handel gelangten, wie Computerworld berichtete.
Damals kalkulierte Big Blue in der Schweiz mit 3000 bis 4000 Tonnen Computerschrott pro Jahr. Allerdings gab es schon Prognosen des Nationalfonds, die für 2025 mit 40'000 Tonnen Computerabfall rechneten. Das sollte nicht genügen: Zuletzt wies der für das Elektro-Recycling zuständige Branchenverband Swico ein Gewicht von rund 49'100 Tonnen für Altgeräte aus der Informatik, der Telekommunikation und der Unterhaltungselektronik aus.
Das grosse Beben
Südlich der Bucht von San Francisco bebte am 17. Oktober 1989 um 17:04 Uhr Ortszeit die Erde. Das Erdbeben dauerte 15 Sekunden und erreichte eine Stärke von 6,9 auf der Richterskala. Es richtete im Umkreis von 110 Kilometern grosse Schäden an – hauptsächlich auf der San-Francisco-Halbinsel. Dort lag das Silicon Valley, in dem unter anderem Apple, Hewlett-Packard, Sun Microsystems und eine Laufwerkefabrik von IBM angesiedelt waren. «Die Hersteller sind glimpflich davongekommen», titelte Computerworld. Apple hatte vorsichtshalber 20 Gebäude seines Firmenkomplexes in Cupertino geschlossen. Hewlett-Packard teilte mit, dass zwei Gebäude nicht mehr begehbar und Schäden in Höhe von mehreren Millionen US-Dollar entstanden seien. Das in Milpitas angesiedelte Hauptquartier von Sun Microsystems blieb mehrere Tage wegen eines Gaslecks geschlossen und das IBM-Werk erlitt Wasserschäden.
Die Kunden mit IBM-Grossrechnern kamen nicht so glimpflich davon. «Das Beben brachte mühelos schwere IBM-3090-Rechner zu Fall», zitierte Computerworld den Präsidenten von Comdisco, Ray Hipp. Er und sein Unternehmen sollten von den Erdstössen profitieren, da sie Katastrophen-Rechenzentren in der Region betrieben. Schon am Tag nach dem Beben hatten bereits acht Firmen einen Platz in den Comdisco-Anlagen gebucht, neun weitere reservierten vorsorglich Kapazitäten. Sieben Bestandskunden zügelten ihre IBM-Systeme gleich komplett in die Comdisco-Rechenzentren, da die Datenverarbeitung aufgrund von Geräte- oder Stromausfällen nicht mehr funktionierte.
Tragbarer Apfel
Schon das gesamte Jahr 1989 hatte die Branche über Apples ersten Laptop spekuliert. Assemblierer boten zwischenzeitlich Umbau-Kits an, mit denen ein Desktop-Mac in einen mobilen PC verwandelt werden konnte. Im September war es so weit: Apple lancierte den Macintosh Portable. Vollmundige Lobpreisungen aus dem Hause Apple, darunter «Kompromisslos: ein Portable mit voller Funktionalität», eilten dem Rechner voraus.
Allerdings lieferte Cupertino hauptsächlich Standardware. Der Portable wurde von Motorolas 68000er-Prozessor mit 16 MHz angetrieben, besass 1 MB Arbeitsspeicher, eine 40-MB-Festplatte und ein 1,44-MB-Diskettenlaufwerk. Das Schwarz-Weiss-Display mit 9,8-Zoll-Diagonale stellte 640 × 400 Pixel dar. Tatsächlich speziell war der Bleiakku – ein Hauptgrund für das Gewicht von 7,16 Kilogramm. Im Zusammenspiel mit Energiesparfunktionen wie einer Taktdrosselung beim Prozessor oder automatisch abschaltbaren Komponenten versprach Apple eine Laufzeit von acht bis zehn Stunden. Das hatte allerdings seinen Preis: 13'295 Franken kostete der Macintosh Portable, ohne Festplatte noch 11'495 Franken.
Die Branche hatte mehr Innovation erwartet, etwa einen «Macintosh im Taschenbuch-Format». Es folgte die Ernüchterung. «Aus dem Laptop von Apple wurde ein ‹Portable›. Auch in Cupertino kann man nicht zaubern», kommentierte Computerworld zum Verkaufsstart im November.
Rentenanstalt in Flammen
Eine grosse Katastrophe – im übertragenen und wörtlichen Sinne – blieb Schweizer Unternehmen 1989 erspart. Aber den Bedarf nach Notfall-Computern entdeckten die Firmen ebenfalls. Auslöser war eine kleinere Katastrophe. «Auch die Rentenanstalt hatte wegen Brand ‹ihr Erdbeben›», schrieb Computerworld im Dezember. Was war geschehen? Elektromonteure hatten an einem Verteilerkasten einen Kurzschluss verursacht, der zu einem Stromausfall und einem Grossbrand führte.
Das Feuer konnte zwar ein Stockwerk unterhalb des Rechenzentrums gestoppt werden, allerdings drang Rauch in den Serverraum ein. Der Stromausfall hätte durch eine Notversorgung ausgeglichen werden sollen. Sie war jedoch ebenfalls an den defekten Verteilerkasten angeschlossen. So legte der Kurzschluss die EDV während der Jahresendverarbeitung für Tage lahm. Hostrechner und Mini-Computer mit einer Gesamtkapazität von 60 Gigabyte standen still. Da der Lieferant Bull prompt reagierte und Ersatz aus Paris einflog, konnte der Jahresabschluss doch noch rechtzeitig kalkuliert werden.