12.10.2012, 09:27 Uhr

IT an der Rennstrecke

Formel 1 ist ein permanenter Wettlauf. Ob Abu Dhabi, Suzuka oder Hockenheim, die Daten live aus dem Cockpit werden bereits vor Ort analysiert, um die Fahrleistung zu optimieren. Bei der Sauber Motorsport AG daher immer mit im Gepäck: ein hoch virtualisiertes, kompaktes Datacenter.
Formel 1 verlangt nicht nur Fahrern, Team und Rennwagen Höchstleistungen ab, sondern auch der IT.
Der Autor ist Director Switzerland von NetApp.
Formel 1 verlangt nicht nur Fahrern, Team und Rennwagen Höchstleistungen ab, sondern auch der IT. An den Rennstrecken geht nichts ohne Datenverarbeitung. Sensoren erfassen laufend das Verhalten und die Geschwindigkeit der Fahrzeuge während der Rennen. Aus der für alle teilnehmenden Teams vorgeschriebenen «Secu-Box» werden die Daten nahezu in Echtzeit ausgelesen, in die Datacenter der Teams übertragen und sofort analysiert. Damit können die Kollegen vor Ort sehr schnell reagieren und das Fahrverhalten quasi «on the fly» optimieren. Die Bedingungen eines IT-Betriebs an der Rennstrecke sind im Vergleich zu einem herkömmlichen Datacenter extrem: So ist beispielsweise der Platz äusserst knapp. Für das komplette Equipment inklusive Rennwagen stehen nur neun mal zwölf Meter zur Verfügung. Auch die Stromversorgung vor Ort ist ein kritischer Punkt – unabhängig davon, wo die Formel 1 zwischen März und November vierzehntägig Station macht. Die Beschaffung von Ersatz-Hardware während der Rennen ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht zu vergessen der Transport in 19 Länder pro Saison: Bei den Kosten für die Luftfracht schlägt jedes Kilo weniger oder mehr sofort zu Buche.

Optimierung durch Reduktion

Die Schweizer Sauber Motorsport AG hat ihren IT-Betrieb an diese Bedingungen angepasst und setzt an der Rennstrecke eine FlexPod-Architektur ein. FlexPod ist ein von NetApp und Cisco aufgelegtes Datacenter-Design für Cloud-Umgebungen. Die kompakte Architektur dient als Basis für eine weitgehend virtualisierte Umgebung mit Remote-Anschluss an die zentrale IT am Hauptsitz in Hinwil. Mehr Performance, weniger Gewicht, das wachsende Datenvolumen, aber auch der Wunsch nach höherer Verfügbarkeit sprachen für ein Redesign der bisherigen, konventionellen Umgebung. «Wir wollten ein kleines, leichtes System, das sich problemlos von einem Ort zum nächsten fliegen lässt und dennoch extrem verlässlich und schnell ist. Und es sollte über WAN-Verbindungen nahtlos in die zentrale IT integrierbar sein», so Magnus Frey, Head of IT bei Sauber Motorsport. Die Telemetriedaten, die in den Fahrzeugen erfasst werden, fliessen zusammen mit anderen Daten, etwa den Ergebnissen der Fahrzeugtests im Windkanal, in die Entwicklung und laufende Optimierung der Rennwägen ein – und entscheiden letztlich mit über die Platzierung. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Einsparpotenziale genutzt

Einsparpotenziale genutzt

Vier Racks, bestückt mit physischen Servern, mussten passend für den neuen Flugcontainer auf die Hälfte reduziert werden. Sämtliche Komponenten (Storage, Rechenleistung und Netzwerkfähigkeit) und damit das komplette Datacenter sind nun auf massgeschneiderten Racks in dem 6,6 Kubikmeter fassenden Container untergebracht. Die räumliche Effizienz der FlexPod-Architektur hat noch andere Effekte: Gegenüber der vorherigen Lösung sank der Stromverbrauch um den Faktor 3 bis 4. Virtualisierung und kompakte Komponenten reduzieren zudem die Transportkosten. Nach nur einem Jahr und eingesparten 1800 Kilos Luftfracht hatte sich die Investition bereits amor­tisiert. «Nur mit herkömmlicher Technologie liesse sich ein derartiges Datacenter kaum realisieren», ist Frey überzeugt. Das gesamte Projekt war innerhalb von sechs Wochen abgeschlossen und das Datacenter reisefertig.
Gründe für die kurze Projektdauer gab es mehrere: Die Komponenten der FlexPod-Architektur sind aufeinander abgestimmt und vorab validiert, was die Basiskonfiguration stark vereinfacht und die Inbetriebnahme beschleunigt. Zudem arbeiteten Hersteller, Kunde und System­integratoren gemeinsam an der Feinabstimmung und Optimierung der Performance. Hier ist das «Sizing» von CPUs und Festplatten massgeblich und beeinflusst zudem den Stromverbrauch. «Wir haben solange gefeilt, bis die Verbrauchswerte unseren Erwartungen entsprochen haben», sagt Frey. Die Systemkommunikation über Fibre Channel wurde als Fabric Inter­connect direkt auf den Cisco-UCS-Sys­temen implementiert, um Gewicht zu sparen und zusätzlich an Performance zu gewinnen.
Die Partnerkonstellation hatte sich bereits in der Vergangenheit bewährt. Mithilfe des System­integrators Up-Great war bereits die zentrale Storage-Plattform in Hinwil aufgesetzt worden: zwei Storage-Systeme mit MetroCluster-Konfiguration für sämtliche Anwendungen und Daten von der Konstruktion bis zur Warenwirtschaft. Eigenschaften wie stabiler 24/7-Betrieb mit zentraler Datenhaltung sowie Protokollvielfalt und Datensicherung direkt im System sprachen für das NetApp-System. Netzwerkspezialist NetCloud war mit der Implementierung der Cisco-Lösungen befasst. Den Support leisten beide Partner zusammen. Das gemeinsame Hersteller-Supportmodell von Cisco, NetApp und VMware hat zum Ziel, Support-Fälle unbürokratisch zu lösen. Die Integration der Hardware-Komponenten setzt sich auf der Software-Seite fort. Über VMware vCenter verwaltet das Team vor Ort die virtualisierten Server und Clients sowie den Storage. Das NetApp-Datenmanagement ist als Plug-In integriert. Stündliche Snapshots für die Online-Sicherung von Verlaufsdaten und Datenbanken sind ebenso Standardroutine wie Deduplizierung, um den Storage immer wieder von mehrfach vorhandenen Daten zu entlasten. So lässt sich beispielsweise der Speicherbedarf für die virtuellen Maschinen halbieren. Auch bei den vielen kleinen XML-Files aus der Telemetrie macht sich der Effekt deutlich bemerkbar. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Betrieb in dynamischem Umfeld

Betrieb in dynamischem Umfeld

Das System habe sich trotz der extremen Bedingungen an den Rennstrecken bewährt. Egal wo auf der Welt, laufe der Betrieb stabil, sagt Magnus Frey. Durch Virtualisierung und Redundanz sei man von der Hardware unabhängig und könne sich auf eine hohe Verfügbarkeit verlassen. «Selbst wenn Festplatten oder Serverblades hitzebedingt ausfallen, laufen die Serverinstanzen und Clients weiter», berichtet der IT-Chef. «Ausserdem ist die Architektur so flexibel, dass wir regelmässig die Leistung an die Anforderungen anpassen können.» Dazu gehört zum Beispiel auch die Umsetzung einer neuen Vorschrift des Rennverbands FIA: die Videoüberwachung der Box. Die Anbindung mit 10 Gbit Ethernet war schnell realisiert, um der FIA jederzeit den
geforderten Zugriff auf die Streams geben zu können. Praktischer Nebeneffekt: Der über WAN bereitgestellte Videostream ermöglicht es den Ingenieuren im hinteren Bereich der Box, sich auch ohne direkten Sichtkontakt über den Stand der Arbeiten an den Fahrzeugen im vorderen Bereich zu informieren. Im August hat das IT-Team die neuste Version 8.1 des Storage-Betriebssystems Data Ontap eingespielt, die VMware-Umgebung aktualisiert und die Serverblades durch schnellere und etwas leichtere Modelle ersetzt. Neu aufgesetzt wird die inkrementelle Replizierung der Daten zwischen dem mobilen Datacenter und der zentralen IT in Hinwil mithilfe von NetApp SnapMirror. Die Kompressionsrate der Software ist mittlerweile so hoch, dass Schwankungen der Leitungsqualität über WAN ausgeglichen werden können. Die Ingenieure vor Ort und in Hinwil werden dann mit den gleichen Datensets arbeiten können. Ein grosser Vorteil vor allem am Freitag vor den Rennen: Bei nur drei Stunden Fahrbetrieb ist die Zeit für die Optimierung des Setups sehr knapp und muss effizient genutzt werden.
Ein Ausbau der Storage-Kapazität von derzeit 12 Terabyte ist für kommendes Jahr geplant. Das Datenaufkommen an der Strecke ändert sich ca. alle zwei Jahre grundlegend. Die FIA hat zwar die Anzahl der Messsensoren pro Fahrzeug festgeschrieben, überlässt jedoch den Teams die Entscheidung über die Nutzung der Daten. Für die Sauber Motorsport AG sind die Messdaten eine wertvolle Informationsquelle. Noch vor Ort werden die Daten mit immer aufwendigeren Modellen, grafischer Aufbereitung und Simulationen ausgewertet. Auch der Umfang der Datenbanken auf dem System steigt. «Ob Rennstrecke, Konstruktion oder Wind­kanaltests, wir sind ein datengetriebenes Unternehmen. Für das Sauber-Team ist die Kombination von Live-Daten mit historischen und Testdaten unerlässlich, um bei jedem Rennen erneut unser Bestes zu geben», sagt IT-Chef Magnus Frey. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Das Projekt
Das Projekt
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Beteiligte Personen: 6 (NetApp, NetCloud, Sauber Motorsport AG, Up-Great)
Amortisierung: nach 12 Monaten bei eingesparten 1800 Kilos Luftfracht
Ergebnisse: stabiler, konsolidierter und performanter IT-Betrieb an der Renn­strecke; reduzierter Stromverbrauch; uneingeschränkte Transportfähigkeit; verbesserte Datenverwertung


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