14.06.2017, 12:50 Uhr

Effizienz-Maschine Blockchain?

Blockchain eilt der Ruf voraus, ganze Branchen umzuwälzen. Die Technologie sei effizienter als alles bisher Dagewesenes, hiess es mehrfach an der «Blockchain Valley Conference».
Die heutige Wirtschaft krankt offenbar an althergebrachten und ineffizienten Abläufen. Geht es nach den Referenten an der «Blockchain Valley Conference» des Gottlieb Duttweiler Instituts, dürften einige Wirtschaftssparten eigentlich gar nicht mehr profitabel arbeiten können. Denn sowohl das Versicherungswesen, die Bankenbranche als auch die Musikindustrie krankten an ineffizienten Prozessen. Nicht einmal Online-Händler Amazon bekam eine positive Diagnose. Die Heilung naht aber in alle Sparten durch den Einsatz der Blockchain-Technologie, meinten die Redner.  Sie hatten allerdings gemeinsam, dass ihre Unternehmungen bereits auf die Blockchain-Technologie setzen. Die Referenten waren Vertreter von Swiss Re, Lykke, Ujo Music und OpenBazaar.

Blockchain-Pilote bei Swiss Re

Guido Fürer, Group Chief Investment Officer der Swiss Re, testet die Blockchain-Technologie gemeinsam mit anderen Versicherungen. «Bei Swiss Re laufen einige Pilote», sagte er. Der Manager weiss, dass es in den heute installierten Prozessen durchaus noch Verbesserungspotenzial gibt. «Die Versicherungsbranche ist eine eher ineffiziente Industrie», sagte Fürer. Der Weg einer Schadensmeldung sei sehr weit: vom Kunden über die Agentur, die Versicherung, den Broker zum Rückversicherer sowie zurück. Für ihn hat die Blockchain das Potenzial, neue Marktplätze zu kreieren. Fürer warnte ausserdem vor der grossen Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft vom Wohlergehen der Banken. Europas Unternehmen seien zu 70 Prozent von Banken finanziert. In den USA sei der Kapitalmarkt mit einem Finanzierungsanteil von ebenfalls 70 Prozent in dieser Rolle.  Nächste Seite: Bank, Musik, Handel Eine Alternative unter anderem zu Banken will das Start-up Lykke sein. Über die Plattform können beliebige Wertgegenstände und Dienstleistungen gehandelt werden, sagte Gründer Richard Olsen. Dabei besitze Lykke nicht die Restriktionen der herkömmlichen Vermögensverwalter, etwa asynchrone Zahlungen, Batch-basierte Verarbeitung und das Limit von mindestens einem Tag für die Verzinsung. Nach den Worten Olsens seien diese Einschränkungen heute nicht mehr hinnehmbar. Mit der Blockchain sei eine vertrauenswürdige und zuverlässige Technologie verfügbar, um die Vermögensverwaltung neu aufzustellen.
Die Musikindustrie hat bereits nach der Jahrtausendwende einen grundlegenden Wandel erlebt. Illegale (Napster & Co.) und anschliessend legale Downloads (iTunes) haben Einnahmen geschrumpft – für die Plattenfirmen und die Künstler. Heute dominieren drei Unternehmen 69 Prozent des Musikmarktes: Sony (28 Prozent), Warner (23 Prozent), Universal (18 Prozent). Diese Situation bedeutet eine noch schlechtere Verhandlungsposition für die Künstler, sagte Jesse Grushack, Mitgründer von Ujo Music. Wenn ein Musiker bei keinem der grossen Labels unter Vertrag stehe, habe er es sehr schwer, bekannt zu werden. Daran ändere auch der populäre Streaming-Dienst Spotify wenig, der zu 20 Prozent Sony, Warner und Universal gehört. Das Start-up Ujo Music will Künstlern eine Plattform auf Basis der Ethereum-Blockchain bieten, sagte Grushack. 
Den Online-Handel in der westlichen Welt hat Amazon fest im Griff. Der marktführende US-Konzern bestimmt, welche Waren verkauft werden dürfen, und was mit den persönlichen Daten der Kunden geschieht. Für diese Dienstleistungen kassiert Amazon zu allem Überfluss noch 10 Prozent Gebühren, sagte Brian Hoffman von OpenBazaar. Hoffman entwickelt mit OpenBazaar den Gegenentwurf zu Amazon: Keine Restriktionen bei den Waren, volle Kontrolle über die Kundendaten und keine Gebühren. Bezahlt wird mit Bitcoin, sagte er. Nächste Seite: vier Schritte zum Blockchain-Pilot Etablierte Schweizer Unternehmen wirtschaften zunächst einmal weiter mit den traditionellen Prozessen. Bis anhin verdienten sie damit mehrheitlich gut. Das könnte sich aber angesichts neuer Player wie Lykke, Ujo Music und OpenBazaar alsbald ändern. Alex Tapscott, Ko-Autor des Buchs «Blockchain Revolution», hatte an der Konferenz Tipps parat, wie sich Firmen dem Blockchain-Thema nähern können. 
Dafür empfahl er vier Schritte: Erstens das Lernen und Verstehen, wie die Technologie dem Geschäft nützlich sein kann. Anschliessend sollte eine Strategie entwickelt werden, anhand der Blockchain in die Anwendung überführt wird. Drittens riet Tapscott zur Lancierung eines Pilotprojekts. Die Anwendung sollte so gewählt werden, dass sie bestenfalls unproblematisch skaliert werden kann. Sein vierter und letzter Tipp war: Sofort starten, denn die Konkurrenz wartet weder im eigenen Land noch global. Die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken der Blockchain betonte auch David Bosshart, CEO des Gottlieb Duttweiler Instituts. Die Schweiz habe nur mit innovativen Lösungen eine Chance auf wirtschaftliches Wachstum. Deshalb seien die einheimischen Firmen bei Blockchain besonders gefordert, sagte er.
Wie alle Technologien ist auch die Blockchain nicht ohne Risiko, sagte Primavera De Filippi, Forscherin am Berkman-Klein Center for Internet & Society der Harvard University. Sie prüft mithilfe einer Roboterpflanze, welche juristischen Fragestellungen sich durch Blockchain-basierte Systeme ergeben. Der «Plantoid» wird mit den Krypto-Währungen Bitcoin oder Ether «gedüngt» und kann sich mithilfe von «Smart Contracts» auch «fortpflanzen». Aufgrund der programmierten und auf der Blockchain festgeschriebenen Funktionen besitzt die Pflanze eine gewisse «Autonomie», sagte De Filippi. Rechtlich ungeklärt sei, wer bei einer Fehlfunktion oder einem Unfall haftet. Bei dem «Plantoid» würden sich die Konsequenzen noch in engen Grenzen halten, bei einem autonomen Auto könnte es aber um Menschenleben gehen, sagte sie.



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