Gastbeitrag 27.04.2021, 09:00 Uhr

Auf dem Weg in die Cloud

Moderne Applikationen, Internet of Things oder hybride Cloud-Anwendungen sowie exponentielles Datenwachstum erfordern neue Lösungen beim Bezug der IT. Hier kommen die Cloud und Colocation ins Spiel.
 
(Quelle: Interxion)
Rechenzentrumsland Schweiz, ein Thema, das ak­tuell die Öffentlichkeit bewegt, schliesslich hat die Schweiz laut einer Studie von CBRE die zweithöchste Rechenzentrumsdichte pro Kopf in Europa und ein Ende des Baubooms im Land ist nicht absehbar. Gleich mehrere Data-Center-Projekte mit Leistungskapazitäten im zweistelligen Megawatt-Bereich sind in der Planung respektive in der Umsetzung. Es sind Investionen von mehreren Hundert Millionen Schweizer Franken.
Einer der Treiber dieser Entwicklung ist die wachsende Cloud-Nutzung von Privatleuten und Unternehmen. Grund genug für uns, im Rahmen der Computerworld-Swiss-IT-Studie 2021 nachzufragen, wo Schweizer Unternehmen aktuell auf dem Weg in die Cloud stehen und welche Pläne sie für die Zukunft haben.

Schweizer Unternehmen favorisieren (noch) das eigene Rechenzentrum …

Gegenwärtig betreiben die befragten Unternehmen knapp zwei Drittel ihrer Workloads im eigenen Rechenzentrum, sei es als monolithische Anwendung (38,32 %) oder auf Basis einer Private Cloud (24,34 %). Jede sechste Anwendung (17,86 %) «wohnt» in einem outgesourcten Data Center, während jede fünfte Applikation bereits in Public Clouds betrieben wird. Hier fällt auf, dass die Schweizer Unternehmen sich in drei von fünf Fällen (12,33 % von 19,4 %) für die Public Cloud eines globalen Anbieters wie AWS, Google oder Microsoft entscheiden und lokale Cloud-Anbieter nur 7,06 Prozent aller Anwendungen beherbergen. 
Wenn man die Befragten nach KMU und grossen Unternehmen (mehr als 250 Mitarbeiter) unterteilt, fällt auf, dass KMU zurzeit stärker auf Colocation setzen (21 %), während grössere Firmen bereits mehr Workloads in die Public Clouds der Hyperscaler verlagert haben (15 %).

… aber Hyperscaler-Clouds werden in Zukunft immer stärker genutzt

Für die Zukunft planen die Schweizer Unternehmen, vermehrt Anwendungen in Richtung Clouds zu verlagern. Hier sollen in Zukunft ca. 35 Prozent aller Workloads betrieben werden, insbesondere auf den Plattformen der Hyperscaler (24,47 %), aber auch der Anteil der lokalen Anbieter soll von 7 Prozent auf 10,64 Prozent wachsen. Je grösser ein Unternehmen ist, desto eher favorisiert es die globalen Anbieter. Von den befragten Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern plant knapp ein Drittel (29 %), seine Anwendungen bei den Global Playern zu betreiben. Bei den KMU ist es knapp jede fünfte Firma (19 %).
Diese Präferenz wird auch durch die Studie «Cloud Trends 2021» von Research in Action vom Januar 2021 bestätigt, die sich auf die Befragung von Unternehmen mit über 250 Millionen Franken Umsatz beschränkte: Die Grossunternehmen betreiben demnach bereits 45 Prozent aller Applikationen in Public Clouds – vorzugsweise in denen der Hyperscaler – mit dem Ziel, bis 2022 insgesamt 58 Prozent der Workloads dorthin zu verlagern. Als besonders «cloudy» zeigten sich insbesondere Marketing- und Collaboration-Anwendungen, während ERP, CRM und SCM in der Masse weiter im eigenen Rechenzentrum verbleiben. Deutlich wurde in der Studie auch, dass Schweizer Unternehmen in der Breite Multi-Cloud-Modelle einsetzen, die Mehrzahl der Befragten nutzt zwischen fünf und zehn Cloud-Anbieter, Tendenz steigend.

Warum wachsen Cloud UND Rechenzentren?

Wie die Swiss-IT-Studie zeigt, planen heimische Unternehmen, ihre Anwendungen in immer stärkerem Umfang in Clouds ausserhalb des eigenen Rechenzentrums zu ver­lagern. Gleichzeitig erlebt die Schweiz gerade ein starkes Wachstum beim Neubau von Data Centern. Das erscheint paradox, ergibt bei näherer Betrachtung aber Sinn. Die Untersuchung von CBRE von Anfang des Jahres zeigt auf, dass gegenwärtig allein im Grossraum Zürich bis 2022 neue Rechenzentren in der Grössenordnung von 50 Megawatt live gehen werden, sodass der Standort Zürich seine Rechenzentrenkapazität von heute 63 Megawatt innerhalb weniger Jahre fast verdoppeln wird. Parallel dazu geben immer mehr Unternehmen eigene Rechenzentren zumindest teilweise auf beziehungsweise verlagern den eigenen digitalen Kern in Colocation-Rechenzentren.

Was Unternehmen in die Cloud treibt

Die Entwicklung wird von verschiedenen Einflussfaktoren angetrieben: Zum einen sind die grossen internationalen Anbieter mittlerweile mit eigener Cloud-Infrastruktur in der Schweiz vor Ort präsent (Microsoft, Oracle, Google) respektive werden in Kürze eigene Cloud-Regionen eröffnen (AWS). Hauptgründe hierfür sind gesetzliche Vorgaben in Bezug auf Data Residency sowie die Trends hin zu Hybrid Cloud, IoT und Industrie 4.0.
Diese bringen den Bedarf nach möglichst geringer Latenz beim Datenaustausch mit sich, das heisst, die Anwendungen, die nicht in die Cloud wandern, müssen möglichst nahe an der Cloud installiert werden, damit der Daten­austausch schnell, effizient und sicher stattfinden kann. Deshalb verlagern Unternehmen den selbst betriebenen Anteil ihrer Hybrid-Cloud-Infrastruktur möglichst nahe an die Cloud, idealerweise in das hochvernetzte Colocation-Rechenzentrum, das auch den Netzwerkknoten der vom Unternehmen genutzten Haupt-Cloud beherbergt – dies garantiert minimalste Latenzzeiten bei gleichzeitig höchster Sicherheit, da das öffentliche Internet komplett vermieden werden kann.

Exponentielles Datenwachstum stellt neue Anforderungen an die IT-Infrastruktur  

IDC erwartet, dass sich die globale Datensphäre zwischen 2021 und 2025 von 60 auf 175 Zettabyte verdreifacht. Die Studie «Data Gravity Report» von Digital Realty weist die Schweiz – und hier insbesondere Zürich – als eines der weltweiten Gravitationszentren für Finanz- und Versicherungsdaten aus. In diesen Industrien werden also die Datenmengen weit überdurchschnittlich wachsen und sich im Raum Zürich konzentrieren. Diese Datenmengen stellen ganz neue Anforderungen an Datenhaltung und -verknüpfung, wie der Report analysiert.
Parallel dazu werden immer mehr andere Daten weg von Endgeräten hin zu Cloud-Diensten verlagert, was das Datenwachstum und die damit einhergehenden Herausforderungen an die Infrastruktur weiter intensiviert. Der wachsende Bedarf an Echtzeitdaten führt dazu, dass klassische Unternehmens-Rechenzentren zunehmend durch hoch­vernetzte Cloud-Rechenzentren ersetzt werden, da firmeneigene On-Premise-Rechenzentren meist nicht die notwendige Connectivity bieten.

Die Folgen der «Cloudifizierung»

Die genannten Trends bewirken, dass sich die eigenen Rechenzentren der Unternehmen zunehmend leeren. Das führt dazu, dass sie immer unwirtschaftlicher im Betrieb werden, da die Basisinfrastruktur bestehen bleibt und weiter unterhalten werden muss. Neben wirtschaftlichen Überlegungen sprechen auch ökologische Aspekte für eine Verlagerung der eigenen Workloads in Colocation oder die Cloud, da die grossen Rechenzentren deutlich effizienter betrieben werden können und auch die Abwärme ökologisch sinnvoll genutzt werden kann, beispielsweise für die Heizung ganzer Stadtviertel.
Man kann den Trend nun besorgniserregend finden oder als sichtbares Zeichen dafür, dass sich die Datenverarbeitung weiter industrialisiert und standardisiert. Wie im Lauf der Elektrifizierung, als privat betriebene Kleinkraftwerke durch eine zentrale Stromversorgung ersetzt wurden, werden in Zukunft immer mehr Services und Rechenleistung aus der Cloud bezogen – und das effizienter, günstiger und umweltfreundlicher, als es vorher möglich war. Die bisher in Tausenden von Rechenschränken und -zentren übers Land verteilte Rechenleistung wird in diesem Prozess nun durch die Konzentration in sogenannten Cloud-Rechenzentren nur deutlicher sichtbar. Denn am Ende gilt: «There is no Cloud, it is just someone else’s Computer.
Der Autor
Thomas Kreser
Interxion
Thomas Kreser ist Marketing Manager bei Interxion Schweiz. www.interxion.ch



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