Best Practice
06.01.2020, 07:20 Uhr
So werden Unternehmen agiler
Schnellere Betriebsabläufe, mehr Flexibilität, transparente Entscheidungswege: Agile Methoden sind beliebt, aber nicht für alle Unternehmensbereiche geeignet.
Fabrizio Giaquinto ist Sales Manager bei Campana & Schott Schweiz
(Quelle: Campana & Schott Schweiz)
Weshalb sich der Aufbau agiler Organisationen dennoch lohnt, erläutert Fabrizio Giaquinto, Sales Manager bei Campana & Schott Schweiz.
Computerworld: Müssen in Zukunft alle Unternehmen agile Organisationen werden?
Fabrizio Giaquinto: Nein, selbst agile Organisationen sind dies meist nicht in allen Bereichen, sondern nur in bestimmten. Zum Beispiel ist die Rechtsabteilung meist so stark reguliert, dass sie gar nicht agil werden kann. Produktentwicklung und Marketing profitieren dagegen oft von agilen Prozessen. Wichtig ist es, einen konkreten Nutzen aus der Agilität zu ziehen. Unternehmen sollten aber in allen Bereichen ein agiles Mindset, Zusammenarbeit, Innovationsbereitschaft und Kundenorientierung fördern.
CW: Können Sie Beispiele von Schweizer Unternehmen nennen, die zwar agil arbeiten, aber keine klassischen IT-Unternehmen sind?
Giaquinto: Ja, auch wenn hier ebenfalls gilt, dass meist nicht das gesamte Unternehmen, sondern nur ein Teil davon wirklich agil ist. So nutzen zum Beispiel Swisscom, Post-Finance oder Novartis nicht nur agile Methoden, sondern fördern auch ein agiles Mindset.
CW: Viele agile Methoden kommen aus der IT, inwieweit sind Führungskräfte aus Fachabteilungen und dem Top-Level-Management überhaupt fit auf diesem Gebiet?
Giaquinto: Das ist stark vom Unternehmen abhängig. Führungskräften kommt eine Hauptrolle für den Erfolg der agilen Transformation zu. Doch sie fürchten häufig Machtverlust, wenn sie die Mitarbeitenden empowern. Sie müssen aber Vorbilder sein und die Mitarbeitenden nicht nur am Anfang, sondern kontinuierlich auf die Reise mitnehmen. Hier sollte die Unternehmensleitung Ängste nehmen und konkrete, nachvollziehbare Ziele ausgeben. Wichtig ist jedoch auch zu beachten, dass Agilität mehr bedeutet, als nur Methoden und Tools einzuführen. Agilität ist im Wesentlichen eine Einstellungssache.
CW: Benötigen wir dafür neue Führungsmodelle und wie müssten diese konkret aussehen?
Giaquinto: Ja, neue Führungsmodelle sind nötig, aber der Wandel wird wohl schrittweise erfolgen. So sollten Führungskräfte stärker Ziele vorgeben und nicht einfach Aufgaben delegieren: den Mitarbeitenden mehr Freiraum geben. Neben Führungskräften kann Agilität durch weitere Kompetenzträger im Unternehmen etabliert werden. Über die gesammelten Erfahrungen sollte man sich in Communitys austauschen, um auch so den bereichsübergreifenden Austausch zu fördern.
CW: Laut Ihren Ergebnissen ist nur ein Drittel der Mitarbeitenden von den Vorteilen der Teamarbeit überzeugt. Was müssten CEOs diesbezüglich unternehmen?
Giaquinto: Viele Mitarbeitende haben aufgrund der bestehenden Strukturen und Kultur noch gar keine Erfahrung mit offener, sich gegenseitig bestärkender Teamarbeit. Bei der genannten Zahl ist grosses Potenzial. Die CxOs sollten Agilität vorleben, um die Mitarbeitenden mitzunehmen. Abstimmung im Team, Transparenz über aktuelle Tätigkeiten, Austauschmöglichkeiten schaffen: Das sind wichtige Punkte. Es darf beispielsweise keine Angst vor «blöden Fragen» oder Fehlern geben.
CW: Insbesondere die mangelhafte Fehlerkultur ist einer der grössten Bremsklötze auf dem Weg zu einer agilen Organisation. Welchen Ansatz empfehlen Sie?
Giaquinto: Statt Aufgaben vorzugeben, sollte eine Kultur des Ausprobierens entstehen. Auch frühzeitig erkennen und einräumen, wenn eine Massnahme nicht das gewünschte Resultat bringt. Führungskräfte müssen diese Kultur zunächst selbst verinnerlichen, um die Mitarbeitenden dazu zu ermutigen, Neues auszuprobieren – ohne Angst vor Schuldzuweisungen oder persönlichen Konsequenzen.
CW: Mit welchen «low hanging fruits» kann man starten, um sein Unternehmen auf Agilität zu trimmen?
Giaquinto: Im ersten Schritt muss man ein agiles Mindset fördern. Offene Kommunikation und Austausch sind etwa schon mit regelmässigen Kurzmeetings möglich. Lieber öfter und dafür kürzer. Hier berichten verschiedene Abteilungen über ihre aktuellen Projekte. So erhalten Mitarbeitende Impulse aus anderen Bereichen und die Hemmschwelle zur Zusammenarbeit sinkt. Erst müssen Unternehmen diese Grundstimmung schaffen, bevor sie weitere Schritte und Methoden wie Gamification oder Scrum einsetzen.
CW: Wie können dann die nächsten Schritte aussehen?
Giaquinto: Darüber hinaus gilt es, in allen Bereichen kundenzentrierte Denkmuster zu festigen. Jeder Mitarbeitende sollte die Empfänger der Leistung, die er erbringt, kennen und seine Aktivitäten mehrwertorientiert daran ausrichten. Dies hat zugleich einen direkten wirtschaftlichen Impact. Zudem sind Erfolge offen zu kommunizieren: Wo wurde eine besonders kundenfokussierte Lösung entwickelt oder die Time-to-Market reduziert? Auf diese Weise erhöht sich die Akzeptanz der Mitarbeitenden für agile Prozesse.