Landwirtschaft 25.05.2018, 10:15 Uhr

Roboter im Kampf gegen das Unkraut

Roboter sind auch in der Landwirtschaft auf dem Vormarsch. Weil sie sehr präzise arbeiten, könnten Bauern dank ihnen die eingesetzte Menge an Herbiziden drastisch verringern. Verlierer wären dabei die Agrargiganten, die mit Unkrautvernichtungsmitteln gutes Geld verdienen.
Der Landwirtschafts-Roboter der Westschweizer Firma Ecorobotix
(Quelle: Ecorobotix)
Er arbeitet bis zu zwölf Stunden ohne menschliche Kontrolle, nur mit Sonnenenergie. Was auf den ersten Blick wie eine Tischtennisplatte aussieht, die über ein Zuckerrübenfeld bei Yverdon-les-Bains rollt, ist ein hochmoderner Roboter. Mit seiner Kamera soll er über 95 Prozent des Unkrauts auf dem Acker erkennen können. Zwei Roboterarme sprühen gezielt eine Dosis blaue Flüssigkeit auf die unerwünschten Pflanzen. Noch ist das nur gefärbtes Wasser, doch es soll durch Unkrautvernichtungsmittel ersetzt werden, sobald der Roboter letzte Testläufe bestanden hat. Bauern sollen damit 20 Mal weniger Herbizid benötigen.
Noch steckt die Technik in den Kinderschuhen. Sie könnte aber Agrargiganten wie Syngenta, Bayer und Monsanto in den nächsten Jahren das Fürchten lehren. «Präzision führt zu Effizienz, Effizienz führt zu geringerer Nutzung und geringerer Einsatz führt zu geringeren Margen», beschreibt Michael Underhill von der US-Investmentgesellschaft Capital Innovations die Wirkungskette.

Weniger Verbrauch an Herbiziden

Der Schweizer Roboter gehört zu einer neuen Generation von Maschinen mit künstlicher Intelligenz, denen Investoren zutrauen, die 100 Milliarden Dollar schwere Pflanzenschutz- und Saatgutbranche zu erschüttern. Mit ihrer Hilfe könnte nicht nur weniger Unkrautvernichtungsmittel benötigt werden, sondern auch weniger gentechnisch verändertes Saatgut, das diese toleriert.
Für die Industrie steht einiges auf dem Spiel. Nach Angaben der Marktforscher von Phillips McDougall belaufen sich die Herbizidverkäufe auf 26 Milliarden Dollar im Jahr und machen 46 Prozent aller Einnahmen mit Schädlingsbekämpfungsmitteln aus. Die Agrargiganten versuchen zu kontern. So hat Bayer etwa eine Forschungskooperation mit Bosch zur Entwicklung von intelligenten Sprühsystemen vereinbart. Von dieser müssen sich die Leverkusener aber zusammen mit ihrem kompletten Digital-Farming-Geschäft trennen. Den Verkauf an den Chemiekonzern BASF musste Bayer zusagen, um die Freigabe der Wettbewerbshüter zur Übernahme des US-Konzerns Monsanto zu bekommen. Bayer soll aber eine Rücklizenz für bestimmte Anwendungen erhalten.
Die Schweizer Syngenta will derweil Pflanzenschutzmittel entwickeln, die auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz abgestimmt sind. «Wir werden Teil der Geschichte, indem wir Rezepturen und neue Moleküle herstellen, die speziell für diese Technologie entwickelt wurden», sagt Syngenta-Manager Renaud Deval.

Intelligente Sprühsysteme vor Marktreife

Die Firma ecoRobotix, Erfinder des Schweizer Roboters, will diesen Anfang 2019 auf den Markt bringen. Eine ähnliche Technik hat das amerikanische Startup Blue River entwickelt, das im vergangenen Jahr vom Landtechnikriesen Deere & Co für 305 Millionen Dollar übernommen wurde. Ihr System «See and Spray» wird von einem Traktor gezogen und auf US-Baumwollfeldern getestet. Es soll den Verbrauch von Herbiziden, die während des Pflanzenwachstums aufgebracht werden, sogar um 90 Prozent verringern können. Das System soll Landwirten in vier bis fünf Jahren für diverse Feldkulturen zur Verfügung stehen.
Die auf Robotik, Automatisierung und künstliche Intelligenz spezialisierte Investment-Beratungsfirma Robo Global erwartet, dass intelligente Sprühsysteme stark an Bedeutung gewinnen werden. «Ein Grossteil der Technologie ist bereits verfügbar. Es ist nur eine Frage, sie miteinander zu kombinieren zu Preisen, die sich Landwirte leisten können», sagt Robo-Manager Richard Lightbound. «Wenn man den Einsatz von Herbiziden um den Faktor zehn verringern kann, wird es für den Landwirt in Bezug auf die Produktivität sehr attraktiv. Es ist auch umweltfreundlich und das wird eindeutig sehr populär, wenn nicht irgendwann sogar obligatorisch.»
Fondsmanager Jeneiv Shah von Sarasin geht davon aus, dass die Technologie das Pflanzenschutzgeschäft etwa von Bayer und Syngenta gefährden wird und zudem die Saatgutfirmen betroffen sein werden, wenn auch in geringerem Masse. Er erwartet, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis Landwirte beim Anbau vom Soja im Mittleren Westen der USA intelligente Sprühsysteme einsetzen werden. Die amerikanischen Farmer werden jedoch genau auf die Kosten schauen, selbst wenn die neuen Technologien deutliche Einsparungen versprechen. Denn ihre Einkommen sind seit 2013 um mehr als die Hälfte zurückgegangen, nach Jahren umfangreicher Ernten, die die Preise für Erzeugnisse wie Mais und Sojabohnen gedrückt haben.

Kein neues Glyphosat

Um für die neuen digitalen Technologien in der Landwirtschaft angemessen gerüstet zu sein, müssen die grossen Agrarchemiekonzerne nach Einschätzung von Shah mehr Geld in die Hand nehmen. «Die etablierten Unternehmen müssen viel mehr investieren als derzeit, um in zehn Jahren besser positioniert zu sein.» Underhill von Capital Innovation glaubt, dass die Konzerne den Einfluss auf ihr Pflanzenschutzgeschäft sogar unterschätzen. Belastend kommt hinzu, dass Blockbuster wie das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat von Umweltschützern und Aufsichtsbehörden unter Beschuss genommen werden. Der Einsatz von Glyphosat, dem Wirkstoff in Monsantos Breitbandherbizid Roundup, hat resistente Unkrautarten geschaffen, die sich in der US-Landwirtschaft stark ausbreiten. Die Regulierungsbehörden haben die Messlatte für die Einführung neuer Wirkstoffe angehoben und die Angst vor toxischen Risiken wurde durch die Debatte über die potenziellen Auswirkungen von Glyphosat auf die Gesundheit verstärkt.
Die Entwicklung eines neuen universalen Unkrautvernichtungsmittels würde bis zu 400 Millionen Dollar kosten. Doch der Chef der Bayer-Agrarsparte, Liam Condon, glaubt ohnehin, dass intelligente Sprühsysteme der letzte Schlag für weitere Versuche sein dürften, neue Breitbandherbizide zu entwickeln. «Es wird kein neues Glyphosat geben. Das war wahrscheinlich ein einmaliges Produkt», sagt Condon. Und so belebt die Branche vorerst ältere Breitband-Wirkstoffe wie Dicamba, um Glyphosat-resistente Unkräuter zu bekämpfen, und verkauft neue genmanipulierte Pflanzen, die auch gegen diese Herbizide resistent sind.
Claude Juriens, Leiter der Geschäftsentwicklung bei ecoRobotics, glaubt, dass dank der intelligenten Sprühsysteme ältere Herbizide, deren Wirkung auf einige Unkräuter nachgelassen haben, wieder erfolgreich in wirksameren, gezielteren Dosen verwendet werden könnten. Nach Einschätzung von Experten werden für die neue Technologie jedoch auch neue Produkte benötigt. Einige Chemieunternehmen erwägen, experimentelle Herbizide wiederzubeleben, die früher als zu teuer oder zu komplex galten. «Weil wir dem Landwirt eine deutliche Reduzierung des Herbizidverbauchs ermöglichen, sind auf einmal wieder diese teureren, exotischen Herbizide im Spiel», sagte Blue-River-Manager Willy Pell.



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