Jubiläum 14.10.2019, 14:42 Uhr

Vor 50 Jahren ging das Internet an den Start

Anno 1969 wurde die erste Internet-Verbindung geknüpft. Anfangs gab es grosse Zweifel, ob irgendjemand die Erfindung überhaupt je brauchen würde.
Eine frühe Netzwerkkarte des Arpanets, dem späteren Internet
(Quelle: Arpa)
Über die Hälfte der Weltbevölkerung hat Internetzugang. In der Schweiz sind fast 100 Prozent der 14- bis 40-Jährigen mehrmals die Woche online. Sogar die meisten Senioren («Silver Surfer») sind im Netz unterwegs. Die Grundlagen dafür wurden vor genau 50 Jahren gelegt.
Doch die Geschichte beginnt noch früher: Den entscheidenden Anstoss zur Entwicklung des Netzes der Netze gab der sogenannte Sputnik-Schock: Nachdem die Russen am 4. Oktober 1957 den ersten künstlichen Erdsatelliten Sputnik in die Umlaufbahn geschossen hatten, begannen die USA wie wild zu rotieren. Es durfte nicht sein, dass der Kommunismus den Wettlauf ins All gewann.
Also wurde wie wild Geld in die technologische Forschung gepumpt. Präsident Lyndon Johnson gab im September 1965 die Richtlinie aus, dass bei der Verfolgung der weit gesteckten Ziele der Forschungsbehörde Arpa (Advanced Research Projects Agency) auch Grundlagenforschung ohne direkten militärischen Anwendungsbezug finanziert werden sollte. Die schier unbegrenzten Mittel ermöglichten die Entwicklung des Arpanet, des vorerst rein universitären Vorläufers des Internets.

Fatale Fehleinschätzung

Die verschiedenen Universitäten, die im Dienste des amerikanisch-russischen Technologiewettlaufs forschten, tauschten ihre Daten damals noch per Post aus. Disketten gab es erst ab 1969, Fax ab 1974. Es wäre doch praktisch, wenn man via Telefonleitung Daten hin- und herschicken könnte, dachte sich der Ingenieur Leonard Kleinrock von der University of California in Los Angeles.
Ein Schlüssel dafür war die Fähigkeit, Informationen in kleine digitale Datenpakete herunterzubrechen und auf diese Weise versandfähig zu machen. Kleinrock hatte darüber bereits 1962 eine Doktorarbeit vorgelegt. Als er seine Idee den Telefongesellschaften zum Kauf anbot, wies man ihn schnöde ab.
«Sie haben mir gesagt, es würde nicht funktionieren, und falls doch, hätte ohnehin niemand Interesse daran», berichtete Kleinrock später. Falsch gedacht: Inzwischen haben fast vier Milliarden Menschen weltweit Internetzugang. «Ich hätte niemals erwartet, dass meine Mutter später noch mit 99 Jahren das Internet nutzen würde», sagte selbst Kleinrock anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums.

Panne schon beim zweiten Buchstaben

Nachdem die Telefongesellschaften das Potenzial des Echtzeit-Datentransfers so sträflich unterschätzt hatten, fanden Kleinrock und sein Team Zuflucht bei der Arpa, die dank des Sputnik-Schocks Geld wie Heu hatte.
Die erste Internetverbindung am 29. Oktober 1969 floppte: Schon nach dem «o» in «Login» hängte sich der Computer auf. Ein paar Stunden später klappte es: Ein Computer an der University of California in Los Angeles kommunizierte mit einem Computer der Stanford University nahe San Francisco. Bis Jahresende entstand ein kleines Netzwerk mit zusätzlichen Rechnern in Santa Barbara und Utah.
Die erste Internetverbindung im entsprechenden Logbuch
Quelle: Leonard Kleinrock/UCLA
Das Netzwerk entwickelte sich langsam. Erst 1973 wurde Europa angeschlossen. Noch in den frühen 1990er Jahren war das Netz nur wissenschaftlichen Experten bekannt. Doch dann beschleunigte eine rasche Abfolge von Innovationen die Verbreitung des Internet. 1989 kreiierte der Brite Tim Berners-Lee am Cern in Genf das Datenaustausch-System World Wide Web (WWW).

Kluge werden klüger und Dumme lauter

Wer vor den 1990er Jahren aussergewöhnliche Informationen brauchte, musste eine Bibliothek oder ein Zeitungsarchiv aufsuchen, sich durch hunderte von Karteikarten wühlen, die Quelle bestellen, eine halbe Stunde darauf warten, nur um zu sehen, dass sie unbrauchbar war. Heute findet man dank Google und Wikipedia in wenigen Minuten Antworten - ein Segen.
Doch das Internet macht auch Abscheulichkeiten verfügbar und bietet dem Terror und dem Wahnsinn Vernetzungs- und Organisationsmöglichkeiten. Selbst wer über keine kriminelle Energie verfügt, mutiert unter Umständen zu einem schlechteren Menschen: indem er seine Manieren vergisst und als Troll andere demütigt.
2008 stellte der Magazin-Artikel «Is Google Making Us Stupid?» von Nicholas G. Carr die vor- und nachteilige Wirkung auf das Gehirn und die Moral zur Diskussion. Die Frage ist ungeklärt. Ein mittlerweile zum geflügelten Wort gewordener Satz fasst es zusammen: «Das Internet macht Schlaue schlauer und Dumme lauter».

Internet-Timeline

Oktober 1969: Vernetzung mehrerer amerikanischer Forschungseinrichtungen zum Arpanet. 
1971: US-Informatiker Ray Tomlinson verschickt die erste E-Mail über das Arpanet. 
1978: Die erste Spam wird verschickt. Der Begriff «Spam» geht auf einen Sketch von Monty Python zurück. Ein penetranter Kellner versucht mit allen Mitteln der Kundin das Büchsenfleisch «spiced ham» anzudrehen. Egal was die Frau bestellt, ein Chor von Wikingern trällert den Refrain «spam, spam, spam» bis die Kundin nachgibt.
1981: 213 Rechner sind im Arpanet verbunden.
1981: IBM stellt mit dem Personal Computer 5150 den ersten persönlichen Rechner vor.
1983: Das Netzwerkprotokoll TCP/IP wird zum Standard, es identifiziert die Rechner im Netzwerk.
10.11.1983: Der amerikanische Doktorand Fred Cohen stellt ein von ihm programmiertes parasitäres Computervirus vor.
1985: 2000 Rechner sind online.
1989: Tim Berners-Lee entwickelt am Cern in Genf die technischen Standards des World Wide Web.
1990: 313'000 Rechner sind online.
1992: Die amerikanische Bibliothekarin Jean Armour Polly prägt den Artikel «Internetsurfen». Vorher wurden für Internetrecherchen Begriffe wie «schürfen», «graben» oder «fischen» benutzt. Nach eigenen Angaben kam Polly auf «surfen», weil auf ihrem Mousepad Surfer abgebildet waren.
1993: Der erste grafikfähige Browser namens Mosaic öffnet das Internet auch für Laien; das Cern gibt die Nutzung des World Wide Web für die Öffentlichkeit frei.
1995: 6,6 Millionen Rechner online.
1998: Larry Page und Sergej Brin gründen Google Inc., 36,7 Millionen Rechner bilden das Internet.
1999: 43 Millionen Computer online.
2001: Gründung der «freien Enzyklopädie» Wikipedia. 110 Millionen Rechner im Internet.
2003: Gründung von Sykpe, einem Dienst für Internet-Telefonie. 171,6 Millionen Rechner online.
2004: Facebook geht an den Start.
2005: Tim O'Reilly prägt den Begriff Web 2.0, Gründung von YouTube.
2006: 395 Millionen Rechner online.
2007: Apple bringt das erste iPhone heraus, mit dem das mobile Internet immer populärer wird.
2009: 625 Millionen Rechner online.
2010, Januar: Zum ersten Mal wird ein Rechner im Weltraum mit dem Internet verbunden
2010, Februar: Die Spam-Quote bei E-Mails ist auf 95 Prozent gestiegen. Laut Google überwindet aber nur 1 Prozent den Google-Filter.
2018: Die Zahl der Internet-User knackt die 4-Milliarden-Grenze



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