Computerworld vor 30 Jahren
29.12.2018, 08:00 Uhr
Trend 1988: das Jahr der Schossrechner
Die Schweizer Angestellten sollten 1988 ihren Rechner auf den Schoss nehmen. Die Laptops waren aber noch schwer und teuer. Beides sollte aber nicht das grösste Problem sein. Sondern die Schösse.
Mitsubishi wollte die Käufer mit 12 MHz von seinem neuen Schossrechner überzeugen
(Quelle: Mitsubishi)
Die Schweiz war vor 30 Jahren das Land mit der weltweit höchsten Computer-Dichte. Von den damals rund 6,6 Millionen Einwohnern hatten 142'000 einen Rechner im Büro oder im Wohnzimmer. Neu sollten nun die Rechner mobil werden. Den «Schossrechnern» wurde ein Verkaufsboom vorhergesagt. Die portablen Computer sollten gleich mehrere Funktionen erfüllen: Neben dem ortsunabhängigen Arbeiten wurde auf die implizite Anwenderschulung spekuliert: «Wir fanden heraus, dass diejenigen Benutzer, welche ihren Computer ab und zu mit nach Hause nehmen, am schnellsten mit ihm umzugehen lernen», wurde Bruce Johnson vom Beratungsunternehmen Deloitte Haskins & Sells in der Computerworld zitiert. Seine Kollegen besassen bereits erste Erfahrung mit den Laptops. Von den 33'000 Angestellten konnten 2100 einen Schossrechner nutzen.
Die Schweiz hatte 1988 ebenfalls schon Erfahrung sammeln können mit mobilen Rechnern. Eine portable Variante des «Smaky 6» war schon acht Jahre zuvor lanciert worden. Der Westschweizer Hersteller Epsitec-System stoppte den Verkauf aber schnell wieder. Mit seinen acht Kilo Gewicht war der «Smaky 6 Portable» kein praktikabler Schossrechner. «Das grösste Problem ist die echte Tragbarkeit», hatte schon Deloittes Johnson konstatiert. Bereits Ende 1988 hatten die Hersteller Erbarmen mit den Schössen der User: Das Gewicht der Neuvorstellungen von Compaq, IBM, Olivetti und Toshiba betrug knapp zwei Kilo. NECs «UltraLight» (Modell PC-17-02) wurde mit seinen 1,8 Kilo als «der wohl leichteste Laptop der Welt» vermarktet.
IBM schwang obenaus
Der mit Abstand grösste Player im Schweizer Computer-Geschäft vor 30 Jahren war IBM. Das Marktforschungsunternehmen IDC zählte damals über 2000 Software- und EDV-Dienstleistungsfirmen. Allerdings erzielten nur sehr wenige einen Jahresumsatz von mehr als 15 Millionen Franken. «Durch eine geschickte Vertragspolitik mit Agenten hat IBM die Kontrolle über einen beachtlichen Marktanteil an sich gebracht», schrieb IDC. Big Blue durchbrach schon 1987 als einziger Konzern die Milliardenmarke beim Umsatz in der Schweiz. Die übrigen Anbieter waren noch weit von dieser Umsatzzahl entfernt.
In der zweiten Jahreshälfte frohlockten aber insbesondere die einheimischen EDV-Firmen ob des erfreulichen Geschäftsverlaufs: «Im ersten Halbjahr haben wir den Umsatz um 73 Prozent auf 10,6 Millionen Franken steigern können», sagte André Siffert, Geschäftsführer der ASP Holding, der Computerworld. Er wolle das Umsatzziel von über 21 Millionen Franken unbedingt erreichen, wenn nicht übertreffen. Ähnlich optimistisch äusserte sich Bruno Staffelbach, Verwaltungsratsdelegierter der ACU Holding: «Im ersten Semester hat sich der Geschäftsgang erfreulich entwickelt. Wir haben über 25 Millionen Franken Umsatz erzielt und die Erträge werden linear wachsen. Unser ehrgeiziges Ziel von 50 Millionen Franken Jahresumsatz werden wir auch ohne Akquisitionen erreichen.»
An der Spitze des EDV-Markts waren die Zuwächse nicht so beachtlich, aber immer noch zweistellig. Die damalige COS Computer aus Baden mit einem 1987er-Jahresumsatz von 320 Millionen Franken wies für die ersten sechs Monate des neuen Jahres ein Plus von 28 Prozent aus. Für das zweite Semester gäbe es weiterhin «positive» Aussichten, erklärte ein Sprecher von COS Computer der Zeitung. Der EDV-Händler Walter Rentsch aus Riehen BS rechnete ebenfalls mit zweistelligen Wachstumsraten. «Im Bürosektor haben wir Zuwachsraten zwischen 10 und 15 Prozent erzielt; der Informatikbereich ist allerdings noch stärker gewachsen», sagte Verkaufsleiter Roland Schuhmacher. Aufgrund der vollen Bücher hatte sich die Aargauer Scheller Informatik für 1988 Grosses vorgenommen: «Für das laufende Geschäftsjahr streben wir einen Umsatz von 55 bis 70 Millionen Franken an», sagte Verwaltungsrat Max Baumann. Und doppelte nach: Durch eine Neuorganisation der Gesellschaft sollte Scheller zum grössten herstellerunabhängigen EDV-Dienstleister der Schweiz entwickelt werden.