Innovationslabor Schweiz

Milliarden für die IT-Forschung

Mit ihrem Erfolg sonnt sich die Kryptoszene derzeit im Rampenlicht. Doch daneben gibt es laut Manganiello klas­sische ICT-Anbieter, wie die Distributoren ALSO, Littlebit Technology oder der Peripheriegerätehersteller Logitech, die sich als wichtige internationale Player im Hardware-Markt etabliert haben und ihre starke Position in einem äus­serst dynamischen Umfeld sichern konnten. Die Schweizer ICT-Branche gilt zudem als wichtiger Treiber für die Export­industrie, weiss Geraldine Kraev, ICT-Sector-Expert bei der Organisation für Exportwirtschaft Swiss Global Enterprise (S-GE). Die Expertin verweist auf jüngste Zahlen, wonach Unternehmen des Schweizer ICT-Sektors im Jahr 2016 Waren und Dienstleistungen im Wert von 19,5 Milliarden Franken ausführten. Insbesondere bei Services konnte die ICT-Wirtschaft zulegen. «Der kontinuierlich wachsende ICT-Dienstleistungsbereich bleibt mit einem Exportumsatz von 13,1 Milliarden Franken die fünftwichtigste Dienstleistungsexportgruppe der Schweiz.» International überzeugten die helvetischen Anbieter in Sparten wie künstlicher Intelligenz, Robotik, Datensicherheit und Datenanalyse sowie Kryptotechnik (vgl. Interview).
Neben den Talenten und der hohen Lebensqualität braucht es auch schlicht Kapital für die Forschung und Entwicklung (F & E). 15,7 Milliarden Franken investierten Schweizer Unternehmen hierzulande im Jahr 2015 in neue Produkte und Services. Die Summe entsprach 2,4 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts. Dies ist der im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie «Forschung und Entwicklung in der schweizerischen Privatwirtschaft 2015» zu entnehmen, an der rund 1700 forschende Unternehmen teilnahmen, heraus­gegeben vom Wirtschaftsverband Economiesuisse und dem Bundesamt für Statistik. Aus dem Geldtopf flossen 1,143 Milliarden Franken in die heimische Entwicklung neuer ICT-Produkte (+9 % gegenüber 2012). Auch Economiesuisse verweist auf den Boom bei den IT-Services. Für die Entwicklung von Dienstleistungen wurden dem Bericht zufolge im Inland 568 Millionen Franken investiert, was einer Zunahme von 66 Prozent gegenüber 2012 entspricht. Viel wurde für die Entwicklung von Software ausgegeben.
Mit der Globalisierung expandiert manche Schweizer ICT-Firma ins Ausland. Argumente für ein Filialnetz in Europa und Übersee sind die Betreuung der Kunden vor Ort und, vielleicht noch bedeutender, ein mancherorts noch nicht erschöpfter Fachkräftemarkt mit teils niedrigeren Löhnen. Die ausländischen Filialen sind zum Teil Forschungsstandorte. Bei den ICT-Herstellern stiegen die Ausgaben für F & E in ausländischen Zweigniederlassungen um rund 100 Millionen auf 1,318 Milliarden Franken. ICT-Unternehmen leisten aber nicht alles selbst. Sie vergeben auch Aufträge an Dritte, etwa an Forschungsdienstleister, Auftragsentwickler oder Hochschulen. Dort brachen die Investitionen im Zeitraum von 2012 bis 2015 jedoch von 200 Millionen Franken auf 45 Millionen Franken ein, was wohl auch am Frankenschock gelegen haben dürfte. Die Studienautoren betonen, dass die Grundlagenforschung in der Privatwirtschaft einen immer grösseren Stellenwert einnehme. Doch obwohl die Aufwendungen für Innvoationsentwicklung gestiegen seien, habe sich die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate seit 2008 insgesamt verlangsamt.

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Ein so reines grünes Licht wie die ETH-Chemieingenieure kann derzeit niemand sonst erzeugen.

Es liegt aber nicht am Geld allein. Auch Faktoren wie eine technische Grundausbildung und eine Gründeratmosphäre spielen gewichtige Rollen bei der digitalen Innovations­fähigkeit. Dies zeigt ein Vergleich von 35 OECD-Ländern, durchgeführt von Deloitte und BAK Economics. Darin landet die Schweiz auf dem achten Rang. «Die Schweiz schneidet überdurchschnittlich ab, es besteht aber noch Luft nach oben», lautet das Fazit des Deloitte-Ökonomen Michael Grampp (vgl. Computerworld 4/2018, S. 60). Zwar verfügt die Schweiz über Top-Talente, Defizite macht Grampp dafür bei der Wissensvermittlung von MINT-Fächern aus. Auch das Unternehmertum sollte attraktiver gestaltet werden. «Man sollte hier über eine intensivere Förderung nachdenken. Es bräuchte zudem eine stärkere Akzeptanz für Selbstständigkeit und das unter Umständen damit verbundene Scheitern. Wenn jemand erfolgreich ist, wird er kritisch beäugt. Uns fehlen Start-up-Stars wie Richard Branson, Sheryl Sandberg oder Jeff Bezos, die eine Gründer-Affinität fördern könnten.» Der Ökonom schlägt überdies den Abbau bürokratischer Hürden für Gründer und eine Steigerung von Absolventen technischer Fächer vor. Zudem könnte die heimische Wirtschaft bei der Innovationsentwicklung von verstärktem Wissens­austausch und mehr Zusammenarbeit profitieren.
Die Kooperation des Privat- und Bildungssektors, wie sie beispielsweise Innosuisse fördert, könnte die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen (vgl. Interview ab Seite 18). Ein Paradebeispiel hierfür ist das Car Dossier, eine Art Logbuch für den Lebenszyklus eines Autos auf Basis der Blockchain. Entwickelt wurde dieses unter Federführung des Software-Hauses AdNovum. Weitere Partner aus dem Privatsektor sind AMAG, AXA und Mobility. Hinzu kommt das Strassen­verkehrsamt des Kantons Aargau. Auf wissenschaftlicher Seite arbeiten Forschende der Universität Zürich und der Hochschule Luzern am Car Dossier. 2017 erhielten fast 80 Projekte eine Förderung von Innosuisse im ICT-Bereich. Wobei ICT als Querschnittstechnik viele weitere Innovationsprojekte unterstützt oder gar erst ermöglicht, Tendenz steigend.



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