30.03.2016, 13:21 Uhr
Die fünf grössten Mythen über Cloud-Software/ERPs
Was denken Schweizer IT-Chefs über die Cloud? Ist sie sicher, ist sie preiswerter als Software auf den eigenen Rechnern? Die wichtigsten Argumente pro und kontra Cloud.
Die Cloud ist flexibel, skalierbar, von überall erreichbar - 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Die Cloud bringt nur Vorteile, könnte man meinen. Trotzdem zieht es die Mehrheit der Schweizer IT-Chefs und CIOs vor, ihre Business-Applikationen on-premise im eigenen Hause zu betreiben. Computerworld hat mehrere hundert Schweizer IT-Verantwortliche befragt (Umfrage Swiss IT). Für die Business-Software Enterprise Ressource Planning (ERP) kam dabei heraus: 61 Prozent lassen ihr ERP am liebsten in-house laufen. Immerhin 11 Prozent favorisieren den Outsourcing-Betrieb in einem Rechenzentrum. Und nur drei Prozent gehen in die Cloud. "Ich will meine Daten bei mir haben", sagt Toni Kägi, Leiter Informatikdienste bei der Schmid AG Energy Solution. "Denn eine grundsätzliche Garantie, ob bei einem Cloud-Anbieter oder Hoster ihre Daten auch in der Schweiz bleiben, haben Sie nicht". Kägi spricht vielen Schweizer IT-Chefs aus dem Herzen, die der Cloud misstrauen und die sich sicherer fühlen, wenn die Daten in-house auf den eigenen Rechnern liegen. Haben Schweizer CIOs zu viel Angst vor der Cloud? Sind ihre Sorgen berechtigt? Christian Bhlmannhat für den Schweizer Cloud-Anbieter myfactory fünf Cloud-Mythen auf ihren Wahrheitsgehalt hin abgeklopft. Mit einigen seiner Argumente sind wir einverstanden, mit anderen nicht. Myfactory bietet Business-Software wie CRM, ERP, Finanzen und E-Commerce ausschliesslich aus der Cloud an. Der Hauptsitz der Firma ist St. Gallen. Zu den Kunden zählen die Zaugg Emballeur AG, Leutwyler Kühlanlagen, die AkkuPoint AG mit Lösungen für mobile Energieträger und die Küchenproduzentin Kisag Switzerland. Mythos #1: Daten in der Cloud sind nicht sicher Prinzipiell sind Daten in der Cloud nicht sicherer oder unsicherer als die Daten auf den eigenen Servern. Auch In-house-Server können ausfallen, werden gehackt und Daten können gestohlen werden. Es kommt auf die Service Level Agreements (SLA) und Backup-Strategien an, die Sie mit dem Cloud-Anbieter ihrer Wahl vereinbaren.
Bühlmann rät, darauf zu achten, dass die Daten nicht irgendwo in der Wolke landen. Myfactory partnert mit der Swisscom. Dadurch würden Daten laufend gesichert und mehrfach geo-redundant - also auch geografisch voneinander getrennt - in Schweizer Rechenzentren abgespeichert. Sicherheit und Verfügbarkeit seien dadurch höher als in manchem lokalen Serverraum einer Firma. Aber es gibt auch gegenteilige Ansichten. "Die Cloud ist per se unsicher, denn jede Cloud - wie Azure, Salesforce oder Amazon - beruht auf Ressourcenteilung", sagt Amnon Bar-Lev, Präsident des Sicherheitsanbieters Check Point Software. Das heisst, mehrere Kunden teilen sich Storage, Arbeitsspeicher, CPUs. Dadurch könnten theoretisch die Daten des einen in die Hände des anderen fallen. "Ich empfehle meinen Kunden nicht: Lassen Sie die Finger davon", erklärt Bar-Lev. Sie sollten aber zusätzliche Sicherheitsmechanismen implementieren und sich genau überlegen, welche Daten und Dienste in die Cloud wandern sollten, und welche nicht. Nächste Seite: Wie gut ist Cloud-Software wirklich? Mythos #2: Cloud-ERPs lassen sich nicht anpassen Ja und nein. Cloud-Anwendungen sind standardisierte Massenprodukte, Software von der Stange. Sie decken die typischen Kundenbedürfnisse ab. Die Bandbreite der Kunden reicht von Vermögensverwaltern, Dienstleistern und Industriebetrieben bis hin zu Handelsunternehmen.
Trotzdem haben auch die Cloud-Anbieter die Nachteile einer Lösung von der Stange erkannt und beginnen, ihre Cloud-Software durch Platform-as-a-Service-Angeboten (PaaS) zu ergänzen. PaaS sind Programmierumgebungen, mit denen Software-Entwickler die Standardlösungen ergänzen und für den Kunden individuell anpassen können. Um die Kernangebote von Cloud-Anbietern wie Salesforce (CRM) oder SAP (ERP) rankt sich mittlerweile ein Ökosystem von Partnern, die Zusatzdienste offerieren. Fazit: Cloud-ERPs lassen sich schon anpassen, aber das kostet Zeit und Geld. Das verlockende Angebot eines Cloud-ERP/Cloud-CRM verliert dadurch etwas von seinem Glanz. Mythos #3: Nur kleine Unternehmen nutzen Cloud-ERPs Kleine, junge Unternehmen vermeiden durch die Cloud Anfangsinvestitionen in Software und Hardware, die auf die Bilanz drücken. Ja, kleine Unternehmen nutzen Cloud-ERPs, gezwungenermassen, wenn das Geld fehlt. Aber nicht nur. Grosse Firmen wollen mit der Cloud vor allem drei Ziele erreichen, schreibt Bühlmann: Sie wollen den mobilen und geografisch verteilten Zugriff auf ihre IT-Resourcen verbessern, ihre organisatorische Flexibilität erhöhen und den IT-Administrationsaufwand verringern. CIOs in der Schweiz und in Deutschland ticken in Sachen Cloud ähnlich, teilen die gleichen Sorgen. Das hat der "Cloud-Monitor 2015" der Beratungsgesellschaft KPMG und des IT-Branchenverbandes Bitkom herausgefunden. 83 Prozent der deutschen Kunden erwarten von ihrem Cloud-Anbieter, dass er seine Rechenzentren ausschliesslich in Deutschland betreibt. 56 Prozent sorgen sich, dass Cloud-Computing die Einhaltung von Compliance-Anforderungen gefährdet und 8 Prozent haben schon einmal einen Compliance-Vorfall im Zusammenhang mit dem Cloud-Einsatz erlebt. Nächste Seite: Wie gefährlich ist die Cloud? Mythos #4: Wir verlieren die Kontrolle über unsere IT Jeder kennt die populäre Gretchenfrage: Ist das Glass nun halb voll oder halb leer. Je nach charakterlicher Tönung - Optimist oder Pessimist - fällt die Antwort unterschiedlich aus. Natürlich verlieren Sie beim Gang in die Cloud die Kontrolle über ihre IT. Aber Sie entledigen sich auch einiger lästiger Pflichten wie Updates. Administration und Wartung, die Personal- und Kosten-Aufwände in die Höhe treiben.
Wie viel ist Ihnen die Kontrolle ihrer IT im In-house-Betrieb wert? Vor der Migration in die Cloud eines seriösen Anbieters sollte die rechtskonforme Einhaltung von Compliance-Vorschriften und von unternehmensinternen Policies abgeklopft werden. Ausserdem gilt auch in der Cloud die goldene Regel: Bei der Heirat bereits an die Scheidung denken. Haben Sie eine Exit-Strategie, mit der Sie im Ernstfall ihre Datenbestände wieder aus der Cloud ihres Providers herausbekommen? Mythos #5: Mit einem Cloud-ERP kann ich sofort loslegen Stimmt definitiv nicht. Zwar ersparen sich Kunden mit einem Cloud-ERP die Installation und die Basis-Konfiguration. Mit einem ERP - generell mit Software aus der Cloud - kann man also schneller loslegen als mit einem ERP on-premise. Die Einführung eines In-house-ERP dauert - je nach Komplexität - mehrere Monate. Trotzdem bleibt auch die Einführung eines Cloud-ERP ein anspruchsvolles Projekt. "Ohne Prozessanalyse, Bedarfsabklärung, Software-Parametrisierung und Anwenderschulung geht es nicht", warnt Autor Bühlmann. Da können wir ihm hundertprozentig zustimmen. Wer ein Cloud-Projekt unterschätzt, auf die leichte Schulter nimmt, der riskiert Zeit- und Budgetüberschreitungen. In Einzelfällen kann das Projekt sogar ganz scheitern.