Uni Saarland
11.05.2020, 07:23 Uhr
Informatiker macht virtuelle Welten ertastbar
Paul Strohmeier, Informatiker an der Universität des Saarlandes, hat ein Verfahren entwickelt, das haptische Sinneseindrücke künstlich erzeugen kann.
Paul Strohmeier, Informatiker an der Universität des Saarlandes
(Quelle: Universität des Saarlandes)
Ein Spaziergang im Wald: Man fühlt das weiche Moos unter den Füssen, merkt, wie beim Auftreten morsche Äste und Zweige zerbrechen, spürt die knorrige Rinde eines Baumes. Eindrücke wie diese werden über den Tastsinn wahrgenommen und blieben digitalen Welten daher bislang verwehrt. Paul Strohmeier, Informatiker an der Universität des Saarlandes, hat nun ein neues Verfahren entwickelt, das derlei haptische Sinneseindrücke künstlich erzeugen kann. Damit werden Virtual Reality und die «erweiterte Realität» im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar. Für seine Dissertation zu diesem Thema ist Strohmeier jetzt von der weltgrössten Fachkonferenz für Human-Computer-Interaction ausgezeichnet worden.
Mit seinem neuen Verfahren erzeugt Paul Strohmeier echt wirkende haptische Sinneseindrücke. Das erreicht er, indem er Vibrationsimpulse im Millisekundenbereich in Frequenz und Intensität genau auf die Bewegungen einer Person abstimmt. Die Impulse werden dann nicht mehr als Vibration, sondern als Eigenschaft des Materials wahrgenommen, das man gerade berührt. «Auf diese Weise kann man verschiedene Eindrücke des Tastsinns hervorrufen, beispielsweise eine Reibung oder das Gefühl für bestimmte Oberflächenstrukturen», so Strohmeier. Auch Reize der Bewegungsempfindung, wie Gewicht oder Widerstand, werden über die Fingerspitzen wahrgenommen und können über das neue Verfahren künstlich erzeugt werden.
Strohmeier arbeitet gemeinsam mit Studierenden der Universität des Saarlandes derzeit an Schuhen, in denen diese Technik verbaut ist. Sie könnten unter anderem in der virtuellen Realität (VR) eingesetzt werden. Dort ist man bisher primär visuellen Reizen und Höreindrücken ausgesetzt. «Mit den Schuhen wird es möglich sein, auch den Tastsinn oder die Bewegungsempfindung anzusprechen. Ginge man damit zum Beispiel einen Kiesweg entlang, könnte man den steinigen Bodenbelag unter den Füssen spüren. Das vereinfacht das Eintauchen in virtuelle Welten», so Strohmeier. Die Einsatzmöglichkeiten gehen noch weiter, zum Beispiel in der erweiterten Realität: so könnten auch Dinge, die bisher ausserhalb des Wahrnehmungshorizontes eines Menschen lagen, als haptischer Sinneseindruck erfahrbar gemacht werden. Würde man die Technik an Sensoren koppeln, könnte der Nutzer beispielsweise einen Widerstand spüren, wenn er sich einem giftigen, aber geruchlosen Gas nähert.
Die Grundlagenforschung für seine neue Entwicklung leistete Strohmeier mit seiner Doktorarbeit unter dem Titel «Shaping Material Experiences: Designing Vibrotactile Feedback for Active Perception». Diese wurde vor kurzem mit dem «Outstanding Dissertation Award» der «Special Interest Group on Computer Human Interaction (SIGCHI)» ausgezeichnet. Der Preis gilt als eine der renommiertesten Auszeichnungen für Doktorarbeiten des Forschungsfeldes und sollte auf der grössten HCI-Fachkonferenz der Welt verliehen werden, der «ACM Conference on Human Factors in Computing Systems (CHI)», die in diesem Jahr jedoch aufgrund der Corona-Krise ausfallen musste. Laut der Jury wird die Forschungsarbeit die Möglichkeiten verbessern, wie haptische Reize künftig im Bereich der Human-Computer-Interaction eingesetzt werden. Seine Dissertation hat Strohmeier an der University of Copenhagen in Dänemark verfasst.
Seit Juli 2019 forscht Strohmeier als Postdoctoral Researcher in Professor Jürgen Steimles Forschungsgruppe zur Human-Computer-Interaction am Saarland Informatics Campus. Die internationale Bekanntheit der Gruppe und das Forschungsumfeld an der Universität des Saarlandes waren die Gründe für den Wechsel von Kopenhagen nach Saarbrücken. «Mir gefällt es besonders, dass die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Institute hier so einfach ist. Ob Materialwissenschaften, Wahrnehmungspsychologie oder weltweit führende Informatikinstitute – alles ist in nächster Nähe zueinander», so der Informatiker über seine neue Forschungsheimat.
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Autor(in)
Bernhard
Lauer