Open-Source-Beben 03.08.2018, 15:17 Uhr

Das steckt hinter Microsofts GitHub-Übernahme

Bereits vor zwei Monaten sorgte Microsoft mit der GitHub-Übernahme für Schlagzeilen. 7,5 Milliarden Dollar liessen sich die Redmonder das freie Entwicklerportal kosten.
(Quelle: Volodymyr Kyrylyuk / Shutterstock.com)
Quelloffene Software entstand Ende der 90er-Jahre als Gegenbewegung zur Allmacht der grossen IT-Konzerne. Der Protesthabitus mit seinen Wurzeln in der Hippie-Bewegung ist verflogen, dafür ist die Open-Source-Bewegung heute sehr breit aufgestellt. Lizenzfreie Software gibt es bei Betriebssystemen und Virtualisierungsprogrammen (Linux, KVM), Software-defined Infrastructure (OpenStack), Containern und dem Orchestrierungs-Tool Kubernetes sowie bei Cloud-Software (Cloud Foundry).
Die vielen Communities arbeiten nicht nur online zusammen, sondern treffen sich häufig auf Konferenzen und diskutieren und kooperieren intensiv im persönlichen Kontakt. Mit dabei: viele Systemhäuser, die der Business-Welt bei Installation und Betrieb der komplexen offenen Komponenten zur Seite stehen, sowie IT-Hersteller, Netzwerkbetreiber, Telcos, aber auch Konzerne wie BMW, VW oder American Express.
Während die Anwender Alternativen zu teuren lizenzpflichtigen Anwendungen suchen, geht es den Firmen aus der IT-Industrie dabei nicht nur um aktive Konkurrenzbeobachtung, sondern auch um die Begutachtung und Unterstützung neuer Ansätze. Kooperationen mit der ein oder anderen Community und die spätere Integration der Open-Source-Software in eigene Produkte müssen sich nicht widersprechen.

(Un-)freundliche Übernahme

So hat Microsoft nach 43 Jahren offener Feindschaft im April 2018 eine eigene Linux-Variante herausgebracht: In der IoT-Lösung Azure Sphere gibt es als Erweiterung von Microsofts Cloud Azure das kleine Linux Azure Sphere OS, das neben dem Linux-Kernel Windows-ähnliche Funktionen enthält. Microsoft-Gründer Bill Gates hatte Linux einst als «unamerikanisch» abgekanzelt, während sein Nachfolger Steve Ballmer dann sogar von einem «Krebsgeschwür» sprach.
Diese Aversion gegen Open Source hat sich längst fundamental gewandelt. Ein Beispiel dafür ist die .NET-Plattform. Im November 2014 kündigte Microsoft an, die Server-Seite der Java-ähnlichen .NET-Plattform, die Netzwerke, Web-Anwendungen und grafische Anwenderschnittstellen unterstützt, der Open-Source-Welt zur Verfügung zu stellen.
Den jüngsten Schritt in der Beziehung Microsoft – Open Source empfanden viele in der Community dann aber doch als Affront: Anfang Juni gab Microsoft bekannt, die Code-Sammelstelle GitHub für 7,5 Milliarden Dollar zu kaufen. Um die aufgebrachten Gemüter zu beruhigen, versicherte Microsoft-CEO Satya Nadella sofort: «Wir lieben Entwickler und wir lieben Open-Source-Entwickler.» Man werde GitHub nicht in einen von Azure dominierten Raum verwandeln. Sie werde offen und unabhängig bleiben.
Die Aufregung war so gross, weil GitHub eine zentrale Stellung in der Open-Source-Welt innehat: Rund 28 Millionen Entwickler informieren sich dort und arbeiten an über 85 Millionen Software-Projekten mit. Allerdings hatte die Ausrichtung von GitHub schon vor der Übernahme Kritik auf sich gezogen: Benjamin Mako Hill, Assistenzprofessor an der Universität Washington, sah auf der OpenStack-Konferenz Ende Mai einen tiefen Widerspruch darin, wenn sich Open-Source-Entwickler über eine privat betriebene Plattform wie GitHub verständigen.
Entwickler und Open-Source-Interessierte werden deshalb sicher genauestens beobachten, was der neue GitHub-Besitzer mit seiner 7,5-Milliarden-Investition anstellt. Und frei nach der Mao-Sentenz «Lasst 100 Blumen blühen» werden sicher auch bald GitHub-Alternativen aus dem Boden schiessen. Wie viele überleben und eine nennenswerte Rolle spielen werden, wird sich zeigen. Bei Mao waren es bekanntlich eher wenige. Es muss ja nicht gleich in einem neuen Kulturkampf enden.



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