«Das ERP verarbeitet künftig alles automatisch»
Erste Anwendung von maschinellem Lernen
Sie erwähnten drittens das maschinelle Lernen bei der Belegerfassung.
Riedener: Ja. Das Werkzeug für die selbstlernende Erfassungs-Software ist die neue Lösung «deepO». Sie funktioniert im Zusammenspiel mit einem Smartphone und der Abacus-App AbaClik 2.0, die der Erfassung und Verwaltung von Leistungen, Spesen und Reisekosten, Arbeitszeiten und Absenzen dient. Analog der OCR-Zeichenerkennung (Optical Character Recognition) erfolgt bei diesem Prozess eine Optical Data Recognition für die automatische Datenumwandlung. DeepO arbeitet dabei unter anderem mit neuronalen Netzen, mit deren Hilfe fehlende Informationen via Internet aus Datenbanken so herausgefiltert werden, dass unstrukturierte in strukturierte Daten umgewandelt werden. Die Funktionen mit künstlicher Intelligenz braucht es, um die diversen Informationen eines Belegs bei Bedarf zu ergänzen, um ihn anschliessend vollständig selbständig in der Finanzbuchhaltung zu verbuchen.
Würden Sie uns bitte einen Einblick geben, wie neue Funktionen wie «deepO» in Ihre Lösungen implementiert werden? Respektive: Wie stellen Sie die Qualität in der Entwicklung sicher?
Riedener: Eine Vielzahl von «Movies» erlauben ein automatisiertes Testing von neuen Programmfunktionen. Dabei simulieren diese Testprogramme die Eingaben von Benutzern. Mit den Movies kann sichergestellt werden, dass bestehende Prozesse auch nach künftigen Programm-Änderungen weiterhin funktionieren.
Ausserdem arbeiten die Teams so zusammen, dass wichtige Features immer von mehreren Entwicklern im Code und bezüglich Funktionsweise genau überprüft werden. Dafür werden auch «Junit»-Tests geschrieben, welche die einzelnen Programmmethoden mittels Code testen. Selbstverständlich ist am Schluss auch noch ein manueller Test unerlässlich, um die Funktionsweise und die Qualität zu prüfen. Für diese Test ist es wichtig, zuerst in einer Checkliste den Ablauf und die zu erwartenden Resultate zu dokumentieren.
Was sind die Herausforderungen, mit denen Ihr Unternehmen bei der Implementierung eines ERP-Systems konfrontiert ist?
Riedener: Das Wichtigste bei der Umsetzung einer ERP-Lösung sind die Projektziele. Was will der Kunde mit dem Projekt konkret in den verschiedenen Bereichen erreichen? Sei es kommerziell, hinsichtlich der Mitarbeiter- oder der Kundenzufriedenheit usw.
Dafür ist zweitens eine Beschreibung der Kernprozesse des Unternehmens unabdingbar. Hilfreich ist eine Beschränkung auf die wesentlichen Punkte, denn ein Fragenkatalog mit 1000 Standardfragen bringt nichts. Es sollten schon früh im Prozess Workshops durchgeführt werden, um kleine Prototypen zu bauen, damit man sich schon früh die Prozesse wirklich vorstellen und sie auf die Praxistauglichkeit hin austesten kann.
Schliesslich ist ein Projekt zum Scheitern verurteilt, wenn die Geschäftsleitung das Vorhaben nicht voll unterstützt.
Wie stellen Sie sich den Einsatz Ihres ERPs bei Kunden in fünf Jahren vor?
Riedener: Der Trend zur weiteren Automatisierung der Datenerfassung wird weitergehen, so dass in Zukunft ein grosser Prozentsatz der Belege ohne menschliches Zutun im ERP-Programm automatisch richtig weiterverarbeitet werden. Der Bedarf an Personen, die Kreditorenrechnungen oder Spesenbelege erfassen, wird stark zurückgehen.