Analytics als Selfservice
15.03.2021, 05:21 Uhr
Automatisierte Datenanalysen mit APA
Analytic Process Automation ist ein nützliches Werkzeug für eine datengestützte digitale Transformation. Es verbindet Daten, Geschäftsprozesse und Mitarbeiter miteinander.
Das Konzept der Analytic Process Automation (APA) verbindet die drei Grundpfeiler eines Unternehmens: Daten, Geschäftsprozesse und Mitarbeiter. Es soll die komplexe Aufgabe lösen, diese drei Bereiche parallel in Gang zu setzen, um schnell Erfolge und Ergebnisse zu erzielen. Zu diesem Zweck automatisiert eine APA-Plattform alle analytischen Funktionen - prädiktive, deskriptive, diagnostische oder räumliche. Zudem stehen die Funktionen und Ergebnisse allen Mitarbeitern im Unternehmen zur Verfügung. Dank Automatisierung und Selfservice-Funktionen verringert APA darüber hinaus den Bedarf an den ebenso teuren wie raren Data Scientists.
So funktioniert APA
Auch wenn es ähnlich klingt, hat Analytic Process Automation wenig zu tun mit Robotic Process Automation (RPA) oder Business Process Automation (BPA). Es ist auch kein reines Daten-Tool, sondern vielmehr eine automatisierte Selfservice-Datenanalyseplattform, die die Mitarbeiter in die Lage versetzt, eigenständig Analysen zu entwickeln und Mehrwert zu generieren. APA ist im Prinzip eine Art Datenanalysemaschine, die Daten bereinigen und zusammenführen kann. Auch mühsame und mitunter Monate währende komplexe Analysen lassen sich damit automatisieren. Eine funktionierende Analyse lässt sich zudem regelmässig wiederholen.
Alan Jacobson, Chief Data and Analytics Officer beim APA-Spezialisten Alteryx, vergleicht das Konzept mit einem Wettkampf, bei dem es darum geht, möglichst schnell an einen weit entfernten Ort zu gelangen: «Sie könnten rennen, mit dem Auto fahren, den Zug nehmen oder einen Düsenjet. Letzterer ist am schnellsten. Doch wenn Sie das Verkehrsmittel selbst steuern müssen, erscheint plötzlich das Auto als beste Wahl. Aber wenn Sie ein Flugzeug hätten, dessen Bedienung Sie im Lauf eines Tages erlernen könnten, dann wären Sie zwar nicht so versiert wie ein erfahrener Flug-Veteran, könnten aber schnell von A nach B gelangen und den Wettkampf gewinnen. So funktioniert Analytic Process Automation. Nur, dass es sich hier nicht um Kilometer dreht, sondern um Daten.»
Unterschiede zu RPA
Es ist nicht immer leicht, den Durchblick zu behalten bei all den neuen Anwendungen für Analytik und Prozessautomatisierung. Bei Robotic Process Automation (RPA) etwa kommunizieren Software-Bots mit Geschäftssystemen, um Prozesse zu rationalisieren. Doch RPA besitzt keinerlei Spuren von Intelligenz. RPA kann einen Menschen nachahmen, aber keine eigenständigen Entscheidungen fällen. Die Bots agieren wie typische Anwender und verbessern Bearbeitungstempo und Kosteneffizienz eines Prozesses. Damit lassen sich manuelle Aufgaben reduzieren und Arbeiten effizienter gestalten.
Viele der heutigen Analyse-Tools erfordern jedoch fortgeschrittene Kenntnisse und langes Training. Darüber hinaus kann es Wochen oder Monate dauern, sie zu implementieren und eine Wirkung zu erzielen. Erste Ergebnisse lassen sich dann nicht ohne Weiteres skalieren, wiederholen oder automatisieren. Andere Tools wiederum tummeln sich in Nischen für bestimmte Datenanalyse- und Prozessaufgaben und sind nicht in der Lage, den ganzen datenbasierten Geschäftsprozess von der Dateneingabe bis hin zu den Ergebnissen abzubilden. Tabellenkalkulationen, RPA und Tools zur Datenvisualisierung sind nicht dafür gedacht, den gesamten Prozess der Datenanalyse zu transformieren. Sie wurden dafür entwickelt, einzelne Teile der Prozesse zu beschleunigen. Diese Aufgabe erfüllen sie gut. Doch in den Daten schlummert viel mehr.
Nutzen für die Unternehmen
Analytic Process Automation will es jedem Mitarbeiter ermöglichen, mühelos Daten auszutauschen, zeitraubende und komplexe Prozesse zu automatisieren und Daten in Ergebnisse zu verwandeln. Die Technik vereint Analytics, Business Intelligence und Machine Learning, um Geschäftsprozesse zu automatisieren und die digitale Transformation zu beschleunigen.
In den Anfängen der Datenverarbeitung musste ein Mitarbeiter, der Zahlen analysieren wollte, eine Anfrage an die IT richten und dann ewig auf eine Antwort warten. Das hat sich inzwischen deutlich verbessert, doch noch immer verbauen Datensilos und komplizierte Tools den schnellen Zugang zu geschäftsrelevanten Analysen. Laut IDC widmen Datenanalysten 70 Prozent ihrer Arbeitszeit der Suche nach Daten. Zudem benötigten sie für datenbezogene Aufgaben im Schnitt vier bis sieben unterschiedliche Anwendungen.
Für APA gibt es eine schier unendliche Zahl von Anwendungsfällen. Von Finanzunternehmen, die aufsichtsrechtliche Prüfungen durchführen und Risiken einschätzen, bis zu Retailern, die die Auswirkungen ihrer Preisgestaltung bewerten wollen. All diese Prozesse umfassen Datenaufbereitung und Datenanalyse. Sie erfordern aber auch, dass die Analysten - Mitarbeiter, keine Data Scientists - ihr Geschäftswissen anwenden und flexible, anpassungsfähige Lösungen entwickeln, die schnell auf veränderte Anforderungen reagieren können.
Neue Analytik-Kultur
Viele Unternehmen haben Probleme, mit Analytik einen RoI zu erzielen, weil sie eine Software einführen, die nur einige wenige Mitarbeiter nutzen können und deren Implementierung Monate oder sogar Jahre dauert. Mit Analytic Process Automation können alle Mitarbeiter eine elementare Fähigkeit erlernen: die Analyse von Daten. Viele Unternehmen entscheiden nicht auf Basis von Daten, weil sie schlicht nicht über die Mittel und Wege verfügen, die Daten selbst zu erfassen. Anstatt die nächste Kampagne auf zukunftsorientierten Daten zu basieren, stützen sie sich auf überholte Erfahrungen oder veraltete Reports. Mit APA werden immer mehr Mitarbeiter in die Lage versetzt, zeitnahe Analysen zu erstellen und die daraus resultierenden Vorteile zu erkennen.
Diese Mitarbeiter sind keine hochspezialisierten Data Scientists, sondern Digital Worker mit Affinität zum Umgang mit Daten, aber nicht unbedingt einem Informatikstudium. Eine Selfservice-APA-Plattform legt die Automatisierung in die Hände aller. Sie kann Analysen automatisieren, komplexe datenzentrierte Geschäftsprozesse verwalten und liefert Verantwortlichen und Entscheidern in allen Geschäftsbereichen umsetzbare Erkenntnisse. So eine zukunftsgerichtete Analytik-Kultur erhöht die Chancen eines erfolgreichen digitalen Wandels - gerade angesichts von Märkten, Lieferketten und Kunden, die von einer Pandemie durchgeschüttelt worden sind.
Infobox
Hype um Hyperautomation
Neben APA und RPA kristallisiert sich ein neuer Automatisierungstrend heraus. Gartner zählt Hyperautomation zu den zehn wichtigsten Technologietrends. Dabei handelt es sich um die Kombination fortschrittlicher Technologien wie RPA, Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Process Mining, um Prozesse wirkungsvoller als mit herkömmlichen Automatisierungsfunktionen zu automatisieren. Hyperautomation erstreckt sich nicht nur auf die Tools, die die Automatisierung umsetzen, sondern auch auf den Automatisierungsprozess selbst. Das Messen, Erkennen, Analysieren, Überwachen und Beurteilen von Prozessschritten wird ebenfalls durchgehend automatisiert. Kurz: Hyperautomation automatisiert die Automatisierung. Die Kombination von RPA- und KI-Technologien kann genau dort automatisieren, wo eine Automatisierung bisher nicht möglich war, etwa bei undokumentierten Prozessen, die sich auf unstrukturierte Daten stützen.
Im Gespräch mit Tom Becker von Alteryx
Tom Becker, RVP Central & Eastern Europe bei Alteryx, erläutert, was Analytic Process Automation von anderen Automatisierungstechniken unterscheidet.
Computerworld: Worum geht es bei Analytic Process Automation?
Tom Becker: Analytic Process Automation stellt die Automatisierung von Prozessen rund um das Thema Analytics dar. Es geht dabei aber nicht darum, einen Prozess beliebiger Art zu automatisieren. Denn wenn Sie einen ineffizienten Prozess digitalisieren, dann erhalten Sie am Ende einen ineffizienten Digitalprozess. Wenn Sie sich Projekte anschauen, die im Rahmen der digitalen Transformation nicht erfolgreich waren, dann hat in der Regel ein Entscheider gesagt «Okay, wir müssen etwas digitalisieren» - und dabei gar nicht überlegt, welchen Mehrwert dieser Prozess liefern soll, ob der Output analytisch und wertvoll ist oder ob man letztlich nur Quatsch zur Verfügung stellt.
CW: Was ist das Besondere bei Analytic Process Automation?
Becker: Eine APA-Plattform ermöglicht die Automatisierung von Prozessen nicht als Blackbox, sondern durch die Mitarbeiter in den Fachbereichen. Das Ganze ist also eine Selfservice-Plattform. Die Mitarbeiter sind dabei in der Lage, den Prozess nicht nur zu automatisieren, sondern ihn auch zu verstehen, zu verbessern und so einen Mehrwert zu schaffen. Es geht auch darum, die Analytik zu verbessern. Wenn Sie einen Output einem Dashboard zu Verfügung stellen, dann haben Sie jetzt ein schönes Dashboard, das aber per se nichts bringt. Das kann eine Verbesserung bestehender Analysen sein, das kann aber auch in das Feld Advanced Analytics bis hin zu Künstlicher Intelligenz und Data Science reichen. Aber Selfservice an sich schafft noch keinen Mehrwert. Der entsteht nur dann, wenn Selfservice bessere Ergebnisse liefert als eine zentralistische Lösung, die von einer IT durchgeführt wird.
CW: Wie läuft die Analytik ab?
Becker: Die Analytik gliedert sich in drei Blöcke: Data Quality, Aufbereitung und Anreicherung von Daten, dann erste Mining-Methoden und Klassifikationen. Entlang des Prozesses liefert die Plattform erste Einblicke. Dann können Sie optional den dritten Block einbinden, Modelle und Algorithmen. Wir haben ein neues Tool mit Assisted Modelling, das nicht nur bestehende Modelle einbindet, sondern Vorschlagswesen und Hilfestellungen enthält. Am Ende stehen die Outcomes, etwa Übergaben an ein ERP- oder CRM-System, Visualisierung, Zurückschreiben in Datenbanken, KI-Anwendungen.
Im Gespräch mit Sharam Dadashnia von Scheer PAS
Sharam Dadashnia, Chief Data Scientist und Head of Advanced Technologies bei der Scheer PAS Deutschland GmbH in Saarbrücken, erklärt, wie Unternehmen von Analytic Process Automation profitieren.
Computerworld: Was zeichnet Analytic Process Automation aus?
Sharam Dadashnia: Wenn man das Ganze aus der Historie betrachtet, dann können wir uns zwei geteilte Bereiche anschauen. Zum einen das Thema Business Intelligence und auf der anderen Seite die operativen Tätigkeiten im Unternehmen. Im Idealfall sollten die Ergebnisse aus dem Bereich BI operativ genutzt werden. Zwar gab es eine Zeit lang «Operational BI», eine enge Verzahnung ist aber nicht geschehen, weil das in Bezug auf die verwendeten Software-Systeme zwei verschiedene Märkte waren. Es gab Tools im BI-Kontext und auf der anderen Seite Tools im operativen Kontext, ERP-Systeme, CRM und so weiter. Das Thema Analytic Process Automation ist aufgepoppt, weil Unternehmen in einem Geschäftsprozess auch die Daten nutzen wollen, die in anderen Systemen entstehen, um den operativen Prozess zu automatisieren. Zudem geht es um eine Ad-hoc-Nutzung von Datenanalysen.
CW: Welche Rolle spielt Data Science dabei?
Dadashnia: Das Thema Data Science ist historisch gesehen ein manuelles Thema. Sie müssen die Ärmel hochkrempeln und in die Daten reinschauen. Tools können inzwischen zunehmend den Data-Science-Prozess automatisieren. Nicht jedes Dashboard muss manuell erstellt oder jede Datenquelle von Hand zusammengeführt werden. Gerade im Bereich ETL, wo es darum geht, verschiedene Systeme zu vereinen, gibt es inzwischen gute Tools, um diesen Prozess zu automatisieren. Auch im Data- Science-Bereich lässt sich heute durch die Anwendung von Künstlicher Intelligenz viel automatisieren. Diese zwei Themen, operative Geschäftsprozesse zu automatisieren und die Automatisierung von Data-Science-Prozessen, sind in den letzten Jahren stark hochgekommen, im Kern durch KI.
CW: Diese Verzahnung grenzt APA von anderen Techniken wie RPA ab?
Dadashnia: Genau. Wenn Sie sich an Geschäftsprozessen oder einem Teilprozess wie dem Eingang von Rechnungen oder der Prüfung von Anträgen orientieren, dann haben Sie zum einen über RPA die Möglichkeit, eine Frontend-Integration vorzunehmen. Sie greifen Daten aus dem einem System ab und kopieren sie in ein anderes hinein. Sie können das Ganze auch im Backend durchführen, indem Sie eine fundierte Integration von zwei IT-Systemen mit Hilfe von Integrationsplattformen durchführen.
Auf der anderen Seite können Sie Knowledge-Prozesse mittels KI automatisieren oder zumindest eine Unterstützung von Entscheidungen gewährleisten. Das geht weit über ein stupides Kopieren von Daten von einem in ein anderes System hinaus.
In unserem System verbinden wir die beiden Welten. Wenn man sagt, man möchte einen neuen Geschäftsprozess etablieren oder auf einem bestehenden aufbauen, dann kann man das mit dieser Plattform machen.
CW: Was haben die Firmen davon, die so etwas einsetzen?
Dadashnia: Der Hauptnutzen ist, dass das Gros der Geschäftsprozesse, die hochfrequentiert und repetitiv sind, zum grössten Teil automatisiert werden können. Im Beispiel der Antragsgenehmigung kann sich der Sachbearbeiter stärker auf Sonderfälle fokussieren, wenn die Standardfälle automatisiert sind. Man erreicht zudem eine bessere Transparenz, was die Prozesse angeht, und einen Effizienzgewinn. Die Analyse von verschiedenen Datenquellen bringt einen weiteren Vorteil für die Unternehmen, da sie so sehr schnell neue Erkenntnisse gewinnen können. Es ist nicht mehr ein mehrmonatiges Projekt nötig, um in verschiedenen Datenquellen zu schauen, ob da Musik drin ist. Sie haben Hypothesen, denen Sie sonst nicht nachgegangen wären, direkt verfügbar. Die Flut der Daten zu analysieren, ist definitiv eine Herausforderung.
CW: Welche Rolle spielt Selfservice dabei?
Dadashnia: Man spricht oft von Citizen Data Scientists. Mitarbeiter können aus der Fachanwendung heraus Daten selbst schnell analysieren. Jeder kann sich per Knopfdruck Analysen erstellen - ohne statistisches Wissen oder Data-Science-Ausbildung. So lassen sich schnell Erkenntnisse erzielen und relevante Informationen extrahieren. Grafisch visualisiert zeigt das, welche Informationen besonders für weitere Analysen geeignet sind. Kurz, der Analyse-Prozess wird automatisiert.
CW: Kann das jeder?
Dadashnia: Die Analysen kann jeder selbst machen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist jedoch der Fachanwender der erste Ansprechpartner. Für tiefergehende statistische Analysen sollten Sie Experten hinzuziehen. Die Datenintegration ist je nach Systemlandschaft eine andere Geschichte. Der Data Scientist wird dadurch nicht obsolet, er bekommt vielmehr eine sehr gute Unterstützung.
Autor(in)
Andreas
Dumont