Swisscom 18.03.2024, 09:20 Uhr

Swisscom expandiert weiter in Italien

Bereits seit 2007 gehört der italienische Festnetz- und Internetanbieter Fastweb zur Swisscom. Nach dem Kauf von Vodafone Italia will der Schweizer Telekom-Konzern die neue Mobilfunktochter mit Fastweb fusionieren.
Mit der Übernahme von Vodafone Italia verstärkt Swisscom ihre Präsenz in Italien
(Quelle: Bild generiert mit DALL-E)
Die Swisscom hat am 15. März 2024 bekannt gegeben, dass sie sich mit der Vodafone Group PLC über die Übernahme deren Tochtergesellschaft Vodafone Italia S.P.A. für 8 Mia. Euro geeinigt hat. Dies meldete am selben Tag auch der Bundesrat und kündigte gleichzeitig eine Überprüfung der Eignerstrategie der Swisscom an (siehe Textkasten).

Gesamtpaket für Italien
Damit baut Swisscom ihre Präsenz in Italien stark aus, wo sie seit 2007 mit Fastweb erfolgreich tätig ist. So ist Fastweb in den letzten zehn Jahren gemessen an Kundinnen und Kunden, Umsatz und bereinigtem EBITDA um über 50% gewachsen und hat sich als führender Anbieter auf dem viertgrössten Breitbandmarkt Europas etabliert. Auf Mobilfunkseite ist Vodafone Italia ist ein anerkannter Qualitätsanbieter mit grossem Kundenstamm. Swisscom möchte nun die Stärken von Fastweb im Festnetz und Vodafone Italia im Mobilfunk kombinieren.
Italienische Mobilkunden sollen weiterhin von hoher Konnektivität und erstklassiger Servicequalität profitieren. Breitbandkunden sollen durch die Kombination des Festnetzes von Fastweb und des 5G-basierten Fixed Wireless Access (FWA) von Vodafone ebenfalls von einer hohen Servicequalität profitieren, so Swisscom. Dadurch werden Privatkunden in Italien Zugang zu konvergenten Glasfaser- und Mobilfunklösungen haben. Die gemeinsame Kundenbasis soll von der Service-Konvergenz mit höherer Leistung und besserem Kundenerlebnis zu wettbewerbsfähigen Preisen profitieren.
Mehrwert auch für Unternehmen und die öffentliche Verwaltung
Der Zugang zu komplementären Ressourcen und Kompetenzen wie der führenden Cloud-Infrastruktur von Fastweb und den Mobilfunkressourcen von Vodafone Italia soll aber auch B2B-Kunden ein grösseres Portfolio an IT- und Kommunikationsdiensten und Angebote aus einer Hand ermöglichen. Swisscom will damit die Digitalisierung für Unternehmen und die öffentliche Verwaltung in Italien beschleunigen, aber auch den Wettbewerb im Land verstärken. Das kombinierte Unternehmen wird seine hochwertige Infrastruktur auch weiterhin Dritten für Wholesale-Dienste zur Verfügung stellen.
Die Übernahme kostet Swisscom 8 Mia. EUR (am 15.03.24 waren das rund 7,68 Mia. CHF) und wird fremdfinanziert, was erhebliche neue Schulden bedeutet. 2023 machte Swisscom 11,072 Mia. CHF Umsatz (nur +0,2 % gegenüber 2022), konnte den Reingewinn aber auch dank Fastweb um 6,7% von 1,603 auf 1,711 Mia. CHF steigern, während der Umsatz auf dem Heimmarkt Schweiz während der letzten fünf Jahre stagnierte oder leicht zurückging, was meist durch Effizienzsteigerungen und Neugeschäfte ausgeglichen wurde. Wie sich hier der Verlust des Grosskunden der Migros-Genossenschaft auswirkt (Vernetzung von 2'500 Filialen neu durch Sunrise), ist noch unklar.
Synergien
Durch die Übernahme mit anschliessender Zusammenlegung der beiden italienischen Töchter erwartet Swisscom Synergien im Umfang von rund 600 Mio. EUR. Zudem soll die Übernahme für die Aktionärinnen und Aktionäre von Swisscom zu einem deutlichen Wertzuwachs führen. Er soll im ersten Jahr (2025) für Swisscom FCF-neutral (Free Cashflow) sein, ab dem zweiten Jahr nach Vollzug der Transaktion FCF-steigernd wirkt und danach regelmässig zum FCF-Wachstum beitragen.
Allfällige Integrationskosten sind gemäss Pressemeldung in diesen Annahmen aber nicht enthalten. Man stütze sich dabei auf ein «beschränktes Umsetzungsrisiko durch Kosten- und Investitionssynergien», so Swisscom weiter. Denn ein grosser Teil der Synergien wird durch Migration des Datenverkehrs von Mietleitungen auf die eigene Infrastruktur des kombinierten Unternehmens erzielt, was Kosten senken soll.
Fusion und Konsolidierung
Das kombinierte Unternehmen und die Vodafone Group werden mehrere Übergangs- und langfristige Servicevereinbarungen abschliessen, darunter eine Markenlizenzvereinbarung, welche die Nutzung der Marke Vodafone in Italien während bis zu fünf Jahren nach Vollzug der Transaktion erlaubt. Vodafone wird bestimmte Dienstleistungen für eine anfängliche jährliche Servicegebühr von insgesamt rund 350 Mio. EUR erbringen, welche in den nächsten Jahren reduziert werden soll.
Swisscom und Vodafone Group prüfen zudem eine engere Geschäftsbeziehung. Dabei geht es insbesondere um eine mögliche Zusammenarbeit auch über Italien hinaus, etwa in den Bereichen wie Internet of Things (IoT), Unternehmensdienste und -lösungen, Shared Services und Roaming.
Erwartete Dividendenerhöhung
Die Übernahme von 8 Mia. EUR wird vollständig fremdfinanziert, wodurch der Verschuldungsgrad von Swisscom zum Jahresende 2025 auf 2,6x (Nettoverschuldung/EBITDA) ansteigt. Swisscom geht davon aus, das Unternehmensrating von «A» halten zu können, was eines der höchsten Ratings unter den europäischen Telekommunikationsunternehmen darstellt. Inwiefern auch das Schweizer Geschäft seinen Teil dazu beitragen muss, wurde nicht kommuniziert.
Unter Vorbehalt des Vollzugs der Transaktion Anfang 2025 beabsichtigt Swisscom, die jährliche Dividende auf 26 CHF je Aktie zu erhöhen, ausbezahlt im Jahr 2026 (für das Geschäftsjahr 2025) – dies mit der Ambition, die Dividende danach noch weiter zu erhöhen, unterstützt durch realisierte Synergien und abhängig von der Entwicklung des FCF. Wie zu erfahren war, liege das Ziel mittelfristig bei 31 CHF pro Aktie, auch weil sich Fastweb sehr viel positiver als ursprünglich erwartet entwickelte.
Weiterhin hohe Investitionen in der Schweiz
Der Fokus auf den Schweizer Markt bleibe unverändert, mit weiterhin hohen Investitionen in Glasfaser- und Mobilfunk-Infrastrukturen. Die aktuellen Ziele für den Netzausbau wie eine Glasfaserabdeckung von 75 bis 80% bis 2030 blieben somit unverändert, so Swisscom weiter. Für 5G meldete der blau-rot-weisse Riese im letzten Geschäftsbericht eine Abdeckung von 81 %.
Die Geschäftsgänge in Italien und der Schweiz würden weiterhin von getrennten Management-Teams geführt – gemäss Pressemitteilung «mit vollem Fokus auf den jeweiligen Markt, unterstützt durch schlanke Konzernfunktionen und mit minimalen betrieblichen Abhängigkeiten». CEO Aeschlimann frohlockt und sieht die «Swisscom als Ganzes gestärkt, wodurch wir weiterhin hohe Investitionen in den Schweizer und italienischen Markt tätigen können».
Bestehende Erfahrungen
Swisscom sammelte früher bereits auf dem Heimmarkt reiche Erfahrungen im Zusammenschluss vom Festnetz- mit dem Mobilfunkgeschäft. Denn auf Anfang 2008 wurden alle operativen Tätigkeiten der Swisscom AG in die Swisscom (Schweiz) AG als hundertprozentige Tochtergesellschaft ausgegliedert. Alle Aktivitäten der ehemaligen Geschäftsbereiche Swisscom Fixnet, -Mobile und -Solutions wurden neu nach Kundensegmenten in die Bereiche Residential Customers und Business Customers reorganisiert – ein wahres Mammutprojekt. Wie schon beim Übergang von der ehemaligen Telecom PTT zur Swisscom (1998) kam es zu Entlassungen, Neurekrutierungen und Restrukturierungen, die bis heute andauern. So bleibt die Hoffnung, dass die heutige Managergeneration aus der Vergangenheit lernt und in Italien erfolgreich sein wird, ohne unnötig Porzellan zu zerschlagen.
Übernahme Vodafone Italia
Bundesrat nimmt Übernahme von Vodafone Italia durch Swisscom «zur Kenntnis»
Der Bund ist seit der Gründung der Swisscom (1998) deren Mehrheitsaktionär (51% der Aktien) und muss demnach alle Käufe und Verkäufe absegnen. Auch über die jüngste Kaufabsicht der Swisscom und deren Expansion auf dem italienischen Markt sei der Bundesrat frühzeitig informiert worden. Er hat festgestellt, dass eine Übernahme von Vodafone Italia seinen strategischen Zielen nicht entgegensteht und hat dazu verschiedene risikominimierende Bedingungen definiert. Diese wurden von Seiten der Swisscom allesamt als erfüllt bestätigt.
Eine der wichtigsten Erwartungen des Bundesrats sei, dass das italienische und das schweizerische Geschäft organisatorisch und strukturell getrennt bleiben. Die Vorgabe ausserhalb der Schweiz keine Grundversorgungsaufträge zu übernehmen, gilt unverändert. Der Entscheid zur Transaktion liegt in abschliessender Kompetenz und der Verantwortung des Verwaltungsrats der Swisscom.
Unabhängig von der Transaktion soll im Verlauf dieses Jahres die Eignerstrategie des Bundes bezüglich der Swisscom überprüft werden, wie dies die Corporate-Governance-Leitsätze des Bundes vorsehen. Diese Überprüfung umfasst Fragen der Privatisierung oder Teilprivatisierung des Unternehmens.



Autor(in) Rüdiger Sellin



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