Smart Business Day 2018
31.10.2018, 18:12 Uhr
"Innovation ist eine Haltung"
Traditionelle Innovationsprozesse können zu langsam sein. Am diesjährigen Smart Business Day diskutierten im GDI in Rüschlikon Branchen-Vertreter über Möglichkeiten, mit der rasanten Veränderung Schritt zu halten.
Bettina Hein, Gründerin von Pixability, erklärte den rund 150 Gästen am Smart Business Day 2018, worauf es beim Innovationsprozess ankommt.
(Quelle: Namics)
Wie gelangen Unternehmen von der Customer Experience zu digitalen Geschäftsmodellen? Wie passt man den Kern seines Unternehmens an das Digitalzeitalter an? Darüber sprachen Referenten von Start-ups, grossen Unternehmen und Universitäten am diesjährigen Smart Business Day von der Fullservice-Digitalagentur Namics in Zusammenarbeit mit SAP Customer Experience.
Veränderungen gab es zuletzt auch bei den Veranstaltern selbst. Für einen Paukenschlag sorgte kürzlich die Übernahme von Namics durch die Merkle-Gruppe. Deren EMEA-Chef Michael Komasinski war persönlich ans Gottlieb-Duttweiler-Institut (GDI) in Rüschlikon gereist.
Namics biete das beste Team für Digitalisierungsprojekte in Europa
Gegenüber Moderator Tim Dührkoop, Client Service Director bei Namics, erläuterte Komasinski einige der Beweggründe für den Schulterschluss. Merkle will am europäischen Markt wachsen und sieht in Namics den Partner, um künftig verstärkt Kunden im DACH-Raum zu gewinnen. Die neue Tochter sei erfolgreich unterwegs und bringe viel Erfahrung mit. «Namics beschäftigt das beste Management Team in Europa, wenn es um Digitalisierungsprojekte geht», sagte Komasinski.
Bei SAP kam es ebenfalls zu Veränderungen: Die Tochter Hybris ist nun definitiv absorbiert und gliedert sich als Customer Experience in die Organisation ein. Es sei das grösste Softwareprojekt in der Geschichte des Unternehmens gewesen. «Wir können nun alle Angebote aus einer Hand offerieren», betonte Markus Wenger, Senior Director SAP Customer Experience.
Bettina Hein von Pixability über Innovation als Mantra
Den Auftakt der Votragsreihe machte Bettina Hein, unter anderem Gründerin und Board Member des Video-Ad-Dienstes Pixability. Hein räumte mit einigen Klischees über Gründer auf. Innovation entstehe nicht durch Genies, die im stillen Kämmerlein auf einen Geistesblitz warten. Viel mehr müsse man geeignete Fähigkeiten und Glück haben. Etwa zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.
Entscheidend sei auch ein langer Atem. Man müsse jahrelang viel Ausdauer an den Tag legen und dran bleiben. «Innovatives Arbeiten muss als Mantra in einen übergehen», war die Kernaussage von Heins Vortrag.
Eine Portion Naivität sei ebenfalls hilfreich. Wenn man im Vorfeld wüsste, wie lange der Weg bis zum Ziel sei, würde man kaum erst starten. Seit 10 Jahren arbeitet Hein an Pixability. Das Start-up gründete sie in ihrer Zeit in den USA. Die ETH-Absolventin ging 2006 ans Massachusetts Institute of Technology (MIT), nachdem sie ein Spin-off an der ETH gegründet hatte. Der Raum Bosten gilt neben dem Silicon Valley als weiterer Hot Spot in den USA für Technik-Start-ups. In Bosten gibt es zudem auch viele Unternehmerinnen, mit denen man sich austauschen könne, betonte Hein.
Am Ende stand ein anderes Produkt
Ihr Unternehmen Pixability begann als Videoschnitt-Dienst für Endkunden. Privatpersonen sollten die Schätze aus dem Familienarchiv heben und digital aufbereiten lassen bei Pixability. Das Geschäftsmodell funktionierte jedoch nicht. Also fokussierte das Start-up auf B2B-Kunden. Ein Modell, das funktionierte jedoch schlecht skalierbar war. Also passte Hein das Geschäftsmodell erneut an. Iteration sei wichtig, betonte die Gründerin, die ihre Geschäftsidee fast zehn Mal an die Veränderungen des Marktes anpasste, bis diese passte.
Heute nutzen Grosskunden wie L’Oreal die Services von Pixability. Der Kosmetikkonzern beobachtet Heins Ausführungen zufolge täglich rund 300 Make-up-Firmen und leitet unter anderem daraus Kandidaten für Übernahmen ab. Mit Pixability analysiert der Konzern auf Youtube auch unzählige Videos auf Entwicklungen wie die neuesten Haarfärbetrends. Darauf aufbauend lanciert L’Oreal entsprechende Produkte, die gerade besonders gefragt sind.
Die Tochter des Autovermieters Avis, Zipcar ( ein Mobility-Analogon), untersuchte mit Pixability, in welcher Region welche Formen der Werbeansprache funktionieren. Ein Student, der auf einem Unicampus lebt, habe andere Bedürfnisse als der Manager in der Grossstadt. Zipcar konnte durch die Analyse die Kosten in der Kundenakquise um die Hälfte senken, sagte Hein.
Derzeit arbeitet die Unternehmerin an ihrem nächsten Projekt, Hello Yello. Dieses baut auf Solid auf, der Initiative des Webgründers Tim Berners Lee und soll Internetnutzern helfen, die Hoheit über ihre persönlichen Daten zu behalten.
Wer an einem Innovationsprozess arbeite, kriege «manchmal einen in die Fresse». Das sei brutal. Aber lange Trauerphasen brächten nichts. «Man muss ein Stehaufmännchen sein», gab die Gründerin den Gästen mit auf den Weg.
Sharoo und die talentierten Rebellen
Sharoo ist ein Marktplatz auf dem Besitzer ihre Autos an Dritte vermieten können. Das können Unternehmen sein, deren Fuhrpark nicht ausgelastet ist oder Privatkunden, die auch mal auf ihren fahrbaren Untersatz verzichten mögen. Seit vier Jahren ist das Unternehmen am Markt und verzeichnet über 100'000 Kunden sowie vier Millionen gefahrene Kilometer, wie Carmen Spielmann sagte, CEO und Co-Gründerin von Sharoo.
Das Unternehmen entstand als sogenanntes Corporate Start-up innerhalb von Migrol. Die Migros-Tochter reiht sich damit in eine wachsende Gruppe von Unternehmen ein, die auf firmeninterne Start-ups setzen.
Herausforderung Firmenkultur
Inzwischen haben weitere Firmen investiert. Etwa Mobiliar und Amag. Das Start-up muss also verschiedene Anteilseigner, Kundenansprüche und auch Firmenkulturen unter einen Hut bringen. Auch die Migrol-interne Firmenkultur sei eine Herausforderung gewesen.
Die Geschwindigkeiten bei der täglichen Arbeit wären beispielsweise unterschiedlich gewesen. Genauso wie die Persönlichkeitstypen. Manche Mitarbeiter seien erst gegen 11 Uhr zur Arbeit erschienen, während andere bereits seit 8 Uhr am Schreibtisch sassen. Man sei daher bald bei Migrol ausgezogen, was half, die Reibereien zu entschärfen. «Einem solchen Projekt muss man Raum geben, da eine neue Kultur entstehen wird», lautete Spielmanns Empfehlung.
Ein weiterer Rat war, die richtigen Mitarbeiter an Bord zu holen, insbesondere sogenannte talentierte Rebellen. Diese fragten nicht, was sie tun sollen, sondern was sie tun können.
Man müsse ein Stück weit auch ein irrationaler Optimist sein. Denn für neue Geschäftsmodelle gibt es noch keine Erfahrungswerte. Daher müsse man unvernünftig sein und an die Idee glauben.
Freiraum für Kreativität schaffen
Statt direkt zu führen, sollte man betreuen und über Sorglosigkeit und Vertrauen den nötigen Freiraum für Kreativität schaffen. Planungsgenauigkeit und Umsatzziele würden hingegen kaum helfen. Anstelle starrer Metriken sollte man sich überlegen, welche Fragestellungen man mit dem Start-up beantworten will.
Spielmanns Fazit lautete: «Innovation ist eine Grundhaltung.» Die Unternehmerin empfahl Firmen anstatt Wasser und Öl zu mischen, also Start-ups in die Unternehmensstruktur zu zwängen, Brücken zwischen der Corporate-Ebene und dem Start-up zu bauen.
Wie Emmi Innovationen vorantreibt
Auch Lebensmittelhersteller arbeiten an digitalen Lösungen, wie etwa Emmi. Ein Unternehmen, das jährlich 3,3 Milliarden Franken Umsatz mit Milch und Produkten daraus umsetzt. Der Milchverarbeiter unterhält nach eigenen Angaben zirka 170 digitale Berührungspunkte zu Kunden.
Diese könne man nicht alle alleine betreuen, sagte Marcel Härtlein, Head Digital Transformation, Emmi Gruppe. Viele dieser Touchpoints würden daher von Agenturen betrieben, wodurch es an internem Know-how fehle. Dieses will Härtlein ins Unternehmen zurückholen, um die Geschäftsstrategie besser planen zu können.
Im Kern gehe es um den Umgang mit Daten, etwa zum Kaufverhalten von Kunden im Ladengeschäft, fasste Härtlein das Problem zusammen. Lange Zeit habe Emmi kein Kunden-Datenmaterial besessen. Daran habe sich das Unternehmen zuerst gemacht. Das Wissen nutzte man im Betrieb um beispielsweise neben Joghurt im Becher auch Joghurt im Beutel anzubieten. Das Produkt sei sechs Stunden ungekühlt haltbar und erfordert keinen Löffel. Eine elegante Lösung für den Snack unterwegs.
Marketing wird wissenschaftlich
«Wenn wir den Konsument ins Zentrum stellen, können wir uns weiterentwickeln», sagte Härtlein. Was dem Transformationschef in diesem Zusammenhang auffällt ist, dass das Marketing wissenschaftlich geworden ist. «Man muss heute mit AB-Testing beweisen, ob eine Massnahme funktioniert oder nicht.» Und man müsse im Marketing heute experimentieren auch über mehrere Iterationen hinweg. Inzwischen herrsche bei Emmi auch eine Kultur, in der man auch Fehler machen dürfe.
Das Insourcing und die Entwicklung neuer Produkte und Services sei eine grosse Herausforderung gewesen. Ein Change-Prozess, bei dem es auch darum ging, die Menschen abzuholen. So entwickelte man bei Emmi etwa einen Chatbot für Konsumenten, was zunächst Ängste um einen Jobverlust bei den Kundenbetreuern auslöste. Inzwischen arbeiten die Mitarbeiter des Kundendiensts bei der Entwicklung der Chatbots mit und hätten die Zurückhaltung abgelegt.
«Kontrolle hilft bei der digitalen Transformation von Emmi. Wenn wir Skills selbst aufbauen, können wir besser reagieren», resümierte Härtlein.
Wie die Bank Cler junge Kunden gewinnt
Was für eine Bank muss man aufbauen, die es schafft, junge Erwachsene anzuziehen? Darüber sprach Sandra Lienhart-Cozzio, CEO der Bank Cler. Diese ist die ehemalige Retailbank von Coop und inzwischen Tochter der Basler Kantonalbank.
Cler musste auf verschiedene Herausforderungen Antworten finden. Die bisherigen Bankkunden waren eher 40 Plus, junge Leute fehlten. Die Finanzbranche muss sich mit der Digitalisierung auseinandersetzen und Start-ups versuchen mit disruptiven Ansätzen das althergebrachte Bankengeschäft zu zerstören. Daher lancierte Cler das Projekt Zak. Ein möglichst einfaches Banking-Erlebnis auf dem Smartphone.
Kunden in den Innovationsprozess integriert
Nach 11 Monaten hatte die Bank ein Minimal Viable Product am Markt. Dem ging unter anderem ein Design-Thinking-Projekt mit Vertretern der Zielgruppe Berufseinsteiger voraus.
Die Zak-App auf dem Smartphone soll quasi die Bank in der Hosentasche sein. Mit Wischgesten, wie man sie auch von der SBB-App kennt, können Anwender etwa Beträge vom Konto in einen sogenannten Spartopf übertragen oder dem WG-Gspännli überweisen, vorausgesetzt beide nutzen die gleiche App.
«Es ist gar nicht so einfach, etwas auf das Minimum zu reduzieren», resümierte Lienhart-Cozzio. Es gebe viele Zusatzservices, die sexy wären.
Verwaltungsratspräsident als Sparringspartner
Nervenaufreibender dürften wohl die internen Widerstände gewesen sein, sowohl von der Führung als auch von einzelnen projektinternen oder projektnahen Mitarbeitern. Denn die Lancierung von Zak sei ein agiler Prozess gewesen. «Eine Bank funktioniert aber nicht agil», sagte die Cler-Chefin. Es habe ein Umdenken gebraucht. Auch mangelte es zunächst an Wissen. «Wir hatten noch nie eine Bank auf das Smartphone gebracht. Wie geht das?», lautete daher die grosse Frage.
Letztlich erhielt das Projekt Rückendeckung von oberster Stelle in Form des Präsidenten des Verwaltungsrats. Dieser sei digitalaffin und unterstützte die Macher auch als Sparringspartner. Mit externen Partnern konnten zudem Wissenslücken gefüllt werden. Künftig sollen zudem weitere Projekte nach agilen Methoden umgesetzt werden.
Helvetia auf dem Weg vom Ego- zum Ökosystem
Neben Banken müssen im Finanzsektor auch Versicherer ihre Geschäftsmodelle anpassen. So auch bei Helvetia. «Wir müssen neue Ertragsquellen erschliessen und sind aktiv daran ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln», sagte Martin Tschopp, Head Corporate Development, Helvetia Gruppe.
Um dieses Ziel zu erreichen soll das Kern-Business gestärkt werden, um Kapital für neue Geschäfte zu erhalten. Ein Weg sind neue Angebote am Markt, wie etwa der Direktversicherer Smile.
Einen anderen beschreitet Helvetia über die Zusammenarbeit mit Jungunternehmen wie etwa Mitipi. Das Unternehmen bietet ein System an, das Einbrecher fern halten soll, in dem Geräte in der Wohnung an- und ausgeschalten und über einen Projektor sogar Schattenwürfe von Personen imitiert werden. Helvetia steigt bei Start-ups aber erst relativ spät ein und investiert in gerade mal ein Prozent aller angesehen Start-ups.
Immer wieder ausprobieren
Einen anderen Ansatz verfolgt der Versicherer mit seinem Innovation Lab. Ein Trend, der zunehmend bei Firmen auszumachen ist. Immer mehr Unternehmen leisten sich im Grunde eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung für digitale Business-Lösungen. Im Innovation Lab von Helvetia arbeiten Doktoranden der Uni St. Gallen an neuen Produkten.
Aus all den Übernahmen, Partnerschaften und neuen Angeboten will Helvetia ein Netzwerk aufbauen. «Wir wollen uns vom Ego- zum Ökosystem bewegen. Mit diesem wollen wir Mehrwerte für unsere Kunden schaffen», sagte Tschopp.
Er verwies, wie seine Vorredner, auf die Bedeutung von Experimenten. In seiner Firma hätte man etwa einen Chatbot für Velodiebstähle getestet. Den Chatbot testete das Unternehmen auch im Bereich Vertragsabschluss anhand sogenannter C-Kunden. Das sind Personen, die sich früher mal für ein Produkt interessierten ohne letztlich einen Vertrag abzuschliessen. Über den Chatbot habe man rund 50 Prozent von ehemals potenziellen Kunden erreicht. Von diesen sei wiederum die Hälfte interessiert gewesen und hiervon hätten 50 Prozent der Personen einen Kaufabschluss getätigt. «Die Aussendienstler fielen fast vom Stuhl», sagte Tschopp zum Erfolg des Experiments.
Wie man Innovation im Unternehmen am Leben hält
Innovationsarbeit sei anstrengend und könne Mitarbeiter auch «verbrennen», sagte Professor Jan-Marco Leimeister vom Institut für Wirtschaftsinformatik von der Universität St. Gallen.
Nach einer ersten Welle der Begeisterung für ein Innovationsprojekt könnten Mitarbeiter ermüden. Diese verliessen dann das Unternehmen und kämen auch nicht wieder. Diesen Effekt könne man auch wissenschaftlich nachvollziehen. Eine Lösung sei, frühzeitig klare Prozesse für die Innovationsentwicklung aufzusetzen und einzuhalten.
Leimeister definierte drei Probleme bei der Anwendung agiler Methoden innerhalb von Innovationsprozessen:
Leimeister definierte drei Probleme bei der Anwendung agiler Methoden innerhalb von Innovationsprozessen:
- Fehlende Orientierung und Überforderung bei der Anwendung der Methoden. Das könne etwa an mangelnder Erfahrung der Beteiligten liegen. Hier brauche es Controlling.
- Mangelndes Verantwortungsbewusstsein und ungenügende Integration der Stakeholder. Zum Beispiel könnten schlicht die falschen Leute an Bord sein. Oder es heisst von übergeordneter Stelle, Mitarbeiter X habe jetzt keine Zeit für das Projekt, da er in seiner eigentlichen Abteilung stark eingespannt ist.
- Entscheidungsmechanismen sind nicht mehr für alle beteiligten Mitarbeiter nachvollziehbar.
In der Summe könne dies dazu führen, dass man Innovationsprozesse nicht übertragen kann und jedes Mal von vorne beginnen muss. Referenzprozesse würden helfen, Defiziten zu begegnen. Am Ende stehe eine Art Auslegeordnung, auf der man bei künftigen Projekten aufbauen könne.
Ein gutes Beispiel sei Rocket Internet: Der Accelerator in Berlin sei hervorragend darin, auf industriellem Niveau erfolgreiche Geschäftsmodelle zu kopieren und zu skalieren. Rockets Vorzeige-Start-up ist der Bekleidungsversand Zalando.
Um Mitarbeiter langfristig für die Innovationsarbeit zu begeistern, gebe verschiedene Möglichkeiten des Anreizes. Eine sei, frei verfügbare Zeit anzubieten, in der man eigenen Ideen nachgehen kann. Wie etwa bei Google, wo Mitarbeiter 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für eigene Projekte aufwenden können.
Bergrettung im digitalen Zeitalter
Namics-Mitarbeiter Heinz Beutler ist auch Rettungschef Schwägalp/Säntis bei der alpinen Rettung Schweiz. Beutler erzählte von einem für ihn einschneidenden Erlebnis im Herbst letzten Jahres. Ein Wanderer, der an einem Samstag auf dem Weg zum Alpstein/Säntis war, wurde am nächsten Tag von seiner Familie als vermisst gemeldet. Es schneite und stürmte. Am Dienstag erst konnte die Suche aufgenommen werden. Da man den Berggänger nicht fand, wurde das Suchgebiet sukzessiv erweitert. «Bis hin zu Hinweisen von Wahrsagern», wie Beutler sagte.
Den Suchenden standen zahlreiche technische Mittel zur Verfügung. Vom Kartendienst Swisstopo über Mobilfunktechnik zur Ermittlung der Verbindung des Handys des Vermissten mit Funkmasten, um dessen Position zu bestimmen.
Doch all die technischen Mittel könnten nicht durchgängig genutzt werden. «Wenn eine Person fehlt, die das alles beherrscht, ist nichts zu machen», brachte Beutler das Problem auf den Punkt. Auch sei die Technik zum Teil nicht anwenderfreundlich.
Beispielsweise enthält eine Koordinate sechs Ziffern und müsse in GPS-Geräten wie zu Zeiten des Nokia-Natels 3210 eingetippt werden. Im Einsatz unter Stress sei das schwierig, erklärte der Rettungschef, für den durch das Ereignis klar wurde, dass sich etwas ändern muss.
Rettungsapp entwickelt
Beutler entwickelte deshalb mit Kollegen und Entwicklern der Hochschule Rapperswil eine App für die Rettungsplanung. Diese integriert Daten aus den verschiedensten Quellen, die Trackingfunktion verbraucht wenig Strom, was wichtig ist im Gebirge und nicht zuletzt ist sie einfach zu bedienen. Inzwischen beschäftigt man sich bei der Bergrettung mit dem Einsatz von Drohnen, die auf Basis eines Einsatzplans autonom ein Gebiet abfliegen und sondieren können.
Und der vermisste Wanderer? Dieser konnte im Juli dieses Jahres nur noch geborgen werden. Hätte der Berggänger mit einer Tracking-App seine Route übermitteln können, wäre er vielleicht noch zu retten gewesen. Ein Anliegen Beutlers ist es daher, eine Trackingfunktion in die Rega-App für Wanderer und Berggänger zu implementieren.