DSAG
27.04.2023, 14:17 Uhr
Die Investitionsbudgets steigen
Die Schweizer Unternehmen investieren weiter in ihre IT- und in SAP-Lösungen. Das zeigt der DSAG-Investitionsreport 2023. Die Relevanz von S/4Hana steigt stark, doch die Anwenderfirmen sind unzufrieden mit der Preispolitik im Cloud-Umfeld und mit der Branchenstrategie.
Jean-Claude Flury ist der DSAG-Fachvorstand der Schweiz
(Quelle: DSAG)
«Nach der Corona-Pandemie nehmen die Schweizer Unternehmen weiter Fahrt auf. Die hohe Investitionsbereitschaft in IT- und im Speziellen in SAP-Lösungen sind dafür der Indikator» meint Jean-Claude Flury, DSAG-Fachvorstand Schweiz, und bezieht sich dabei auf den neusten Investitionsreport der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG). Für den Investitionsreport 2023 hat die DSAG zwischen Januar und Februar 2023 265 Unternehmen aus dem DACH-Raum befragt, davon waren 35 aus der Schweiz.
Im Vergleich zu 2022 ist das IT-Budget der Schweizer Unternehmen gemäss DSAG bei 51 Prozent gestiegen (DACH: 54 %), bei 31 Prozent blieb es gleich (DACH: 26 %) und bei 14 Prozent ist es gesunken (DACH: 15 %). Auch die SAP-Budgets sind bei mehr als der Hälfte der Schweizer Unternehmen (51 %) gestiegen, während sie bei 29 Prozent auf dem Niveau des letzten Jahres verharrten. Ein Fünftel der Befragten möchte seine Investitionen in SAP-Lösungen senken (zum Vergleich, im DACH-Raum gaben 15 % der befragten Unternehmen diese Antwort). «Der DACH-Trend bezüglich der Investitionen setzt sich auch in der Schweiz fort. Auch hier dürfte unter anderem ausschlaggebend dafür sein, dass einige etablierte SAP-Lösungen demnächst aus der Wartung laufen und die Projekt-Agenden bereits durch S/4Hana-Einführungsprojekte prall gefüllt sind», meint Flury.
Bei der Digitalisierung gibt es Nachholbedarf
Auf ihre Fortschritte bei der Digitalisierung angesprochen, scheinen die Schweizer DSAG-Mitgliedsunternehmen zumindest laut eigener Einschätzung noch einiges zu tun haben. Keine der befragten Firmen würde sich bezüglich Digitalisierung als sehr weit fortgeschritten einschätzen (im DACH-Raum waren es 5 %). Weit fortgeschritten sehen sich immerhin 40 Prozent, während 51 Prozent die Antwort «nicht sehr weit fortgeschritten» wählten, immerhin zwei Prozentpunkte weniger als noch vor zwei Jahren. Flury erklärt dieses Resultat wie folgt: «Die geopolitische Lage verschiebt hie und da die Prioritäten und sie erzeugt Unsicherheit. Beides ist Digitalisierungsprojekten nicht zuträglich.»
S/4Hana-Public-Cloud-Lösungen noch keine Option
Die beliebteste SAP-ERP-Lösung in der Schweiz ist SAP Resource Planning bzw. die SAP Business Suite, die 63 Prozent der in der Schweiz befragten Unternehmen einsetzten. In der Schweiz scheint sie jedoch nicht ganz so gut anzukommen wie im gesamten DACH-Raum, wo diese Antwort von 79 Prozent aller Umfrageteilnehmer gewählt wurde. S4/Hana On-Premise kommt in der Schweiz jedoch sehr gut an, denn 51 Prozent der Anwenderunternehmen setzen diese Lösung ein, womit sie in der Schweiz stärker vertreten ist als im gesamten DACH-Raum, wo diese Antwort nur einen Anteil von 41 Prozent erreichte. Die DSAG weist jedoch darauf hin, dass hierbei die geringe Zahl der Umfrageteilnehmer bei der Interpretation zu berücksichtigen sei.
Die S4/Hana Private Cloud kommt in der Schweiz gut an, bei 17 Prozent der Anwenderunternehmen wird sie eingesetzt, signifikant häufiger als im DACH-Raum (8 %). Vor einem Jahr lag dieser Wert in der Schweiz noch bei 4 Prozent. Die S4/Hana Public Cloud spielt in der Schweiz im Vergleich zur Private Cloud noch gar keine Rolle und wird nur von 4 Prozent genutzt. «In der Private Cloud vereinen sich die Vorteile aus bereits weitherum akzeptierten Betriebsmodellen des Outsourcings mit einer Standardisierung der Lösung und deren Betrieb. Das scheinen die SAP-Kundenunternehmen in der Schweiz zunehmend positiv zu bewerten. Die Nutzung des Public-Cloud-Modells sehe ich kurz- und mittelfristig bei den meisten Unternehmen jedenfalls nicht in allen Prozessen. Dazu fehlt noch zu viel Funktionalität», meint Flury.
Investitionen in S4/Hana geplant
Schlussendlich wird auch für Schweizer Unternehmen kein Weg an S4/Hana vorbeiführen. Dementsprechend planen auch 31 Prozent der Firmen hohe (DACH: 28 %) und 40 Prozent mittlere (DACH: 38 %) Investitionen in die Lösung. Im Vergleich zum letzten Jahr stellt das für die Schweiz einen Rückgang von 4 Prozent bei den hohen und einen Zuwachs von 10 Prozent bei den mittleren Investitionen dar. «Die Schweizer Unternehmen sind sich der Tatsache bewusst, dass sie bis 2027 bzw. 2030 von einem alten ERP-System auf S4/Hana umgestiegen sein müssen. Denn dann werden ältere Systeme aus der Wartung laufen», erklärt Flury. Deshalb auch der Appell des Schweiz-Vorstands der DSAG, der lautet: «Unternehmen sollten rasch entscheiden, wie sie den Umstieg gestalten wollen. Eine rein technische Migration auf S4/Hana bringt kaum Vorteile. Diese entstehen erst, wenn Prozesse hinterfragt und optimiert neu gestaltet werden. Zudem ist der Funktionsumfang von S4/Hana und SAP ECC nicht identisch. Daher brauchen Firmen allenfalls weitere Applikationen und müssen bestehende Schnittstellen anpassen. Vor dem Hintergrund wäre es falsch, den Aufwand für eine entsprechende Migration zu unterschätzen. Das Zeitfenster von vier bzw. sieben Jahren scheint noch weit geöffnet. Aber die interne Vorbereitung, zum Beispiel in Bezug auf Prozesse, Eigenentwicklung und Daten sowie die Wahl des geeigneten Partners für die Umstellung, braucht Zeit.»
Überzeugungsarbeit zur BTP notwendig
Bei den SAP-Cloud-Lösungen wollen die befragten Schweizer Firmen in gewissen Bereichen stärker investieren, als der DACH-Raum es im Durchschnitt plant, in anderen jedoch weniger. So zeigen die Schweizer Antworten, dass 6 Prozent hohe und 23 Prozent mittlere Investitionen in SAP SuccessFactors planen (DACH: 3 % hohe Investitionen und 14 % mittlere Investitionen). Für die SAP Business Technology Platform (BTP) planen hierzulande jedoch nur 3 Prozent hohe Investitionen und 17 Prozent mittlere Investitionen, im DACH-Raum betragen diese Werte 4 respektive 20 Prozent. Investitionen meinen in diesem Fall die Steigerung von Ausgaben in Cloud-Lösungen inklusive Subskriptionen. «Die Business Technology Platform ist das neue zentrale Element in der SAP-Strategie. Da ist es etwas verwunderlich, dass die Schweizer Unternehmen sich diesbezüglich noch in Zurückhaltung üben. Es scheint, als fehle noch das Vertrauen der SAP-Kunden in die neue Plattform», meint Flury und fährt fort: «Wir begrüssen es sehr, dass nun erste Migrationsservices entwickelt werden, die z.B. die Unternehmen dabei unterstützen sollen, ihre aktuellen Integrationsarchitekturen auf die Integration Suite der BTP umzustellen. Doch diese Services müssen noch deutlich besser kommuniziert werden», fordert er. Ausserdem weist Flury darauf hin, dass auch die Kosten für die BTP bei diesem Entscheid der Schweizer Anwenderunternehmen eine Rolle gespielt haben könnten. Denn aus DSAG-Sicht sind diese für Entwicklung, Qualitätssicherung und Nutzung der Services ohne produktiven Bezug definitiv zu hoch, genauso wie die Kosten für den generellen Betrieb.
Daten und Analysen an der Spitze
Diejenigen Anwenderunternehmen aus der Schweiz, die in die BTP investieren, interessieren sich vor allem für den Bereich Daten und Analysen (SAP Hana Cloud, SAP Analytics Cloud), wo 4 Prozent hohe und 30 Prozent mittlere Investitionen planen. Auch die Anwendungsentwicklung und -automatisierung ist in den Schweizer Firmen ein wichtiger Aspekt, 4 Prozent planen hier hohe Investitionen und 22 Prozent planen mittlere Investitionen. «Daten und Analysen sind für die Schweizer Unternehmen wichtig, um agil handeln zu können. Echtzeit-Analysen, Prognosen und Planbarkeit stehen dabei im Vordergrund wie auch im gesamten DACH-Raum», sagt Flury.
Anwender sehen die Preise im Cloud-Umfeld als zu hoch an
Im Investitionsreport 2023 wurden die Firmen zum ersten Mal nach einer Einschätzung der Preispolitik von SAP im Cloud-Umfeld gefragt, und hier hat sich gezeigt, dass SAP in diesem Bereich noch einiges zu tun hat. Denn lediglich 3 Prozent der Unternehmen ist zufrieden mit der Preispolitik (DACH: 5 %). 17 Prozent gaben an, weder zufrieden noch unzufrieden zu sein (DACH: 20 %) und 20 Prozent machten keine Angaben (DACH: 26 %). Flury schätzt das Resultat wie folgt ein: «Natürlich fällt auf, dass damit 60 Prozent der Befragten in der Schweiz die Preispolitik von SAP im Cloud-Umfeld nicht positiv bewerten. Hierbei handelt es sich jedoch um ein generell unpopuläres Thema, das alle Anbieter von Cloud-Lösungen gleichermassen betreffen dürfte. Aus DSAG-Sicht wäre es wichtig, den Unternehmen den Weg in die Cloud zu erleichtern, anstatt ihn zu erschweren. Denn genau das geschieht durch jährliche Preiserhöhungen. Die eindeutige Reaktion der SAP-Kunden ist demnach ein klares Signal, dass es dringend angemessener Mechanismen bedarf, um die Preisentwicklung im Sinne aller Beteiligten zu steuern.»
Branchenstrategie sollte angepasst werden
Auf die SAP-Strategie für ihre spezifische Branche angesprochen, gaben mit 20 Prozent der Schweizer Anwenderunternehmen leicht weniger der Befragten an, zufrieden zu sein als im gesamten DACH-Raum, wo dieser Wert 22 Prozent betrug. 29 Prozent der befragten Firmen aus der Schweiz gaben an, unzufrieden zu sein und 11 Prozent sind sogar sehr unzufrieden. Beide Zahlen liegen über dem Durchschnittswert der Gesamtregion.
Aus Sicht der DSAG dürften vor allem die Umfrageteilnehmer aus dem öffentlichen Sektor zufrieden mit SAP sein, da das Unternehmen im vergangenen Jahr ankündigte, in Zukunft Cloud-Standorte ausschliesslich für die öffentliche Verwaltung zu betreiben. Weniger zufrieden mit der Branchenstrategie sind vor allem die Umfrageteilnehmer aus dem Gesundheitswesen. Das liegt daran, dass SAP keine Nachfolgelösung für die Branchenlösung SAP Patientenmanagement in der S/4Hana-ERP-Welt plant, was Kliniken und Krankenhäuser vor eine grosse Herausforderung stellt.
Cybersecurity steht bei den Investitionen ganz oben
Für den Investitionsreport 2023 befragte die DSAG die Teilnehmer auch in diesem Jahr wieder nach der Relevanz der verschiedenen übergreifenden Themen für ihre Investitionsplanung. Die Cybersecurity erreichte mit 89 Prozent der Angaben zu hoher und mittlerer Relevanz ganz klar den Spitzenplatz, nicht nur in der Schweiz, sondern auch im DACH-Raum als Ganzes, wo 88 Prozent der Befragten diese Angabe machten. Auf dem zweiten Platz folgt in der Schweiz die Automatisierung von Prozessen, die ebenfalls bei über der Hälfte (60 %) eine hohe oder mittlere Relevanz hat. Flury ist von diesem Resultat nicht überrascht: «Es ist zwar nicht möglich, Hackerangriffe zu verhindern. Aber es gibt Mittel und Wege, sich darauf vorzubereiten. Und sei es nur, um das Risiko überschaubar zu halten.» Neben der Technik sind es jedoch die Menschen selbst, die in vielen Fällen das höchste Risiko für die IT-Sicherheit darstellen. Deshalb bietet der Industrieverband verschiedene Schulungen an, die den Mitarbeitern der Anwenderunternehmen dabei helfen sollen, Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und abzuwehren, damit die Folgen davon gar nicht erst entstehen zu können. «Die Security-Awareness-Kampagne der DSAG ist ein wichtiges Instrument, um für mögliche Bedrohungsszenarien zu sensibilisieren. Es soll ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie mit dem Thema Sicherheit und den Bedrohungen für SAP-Systeme beispielhaft umgegangen werden kann», sagt Flury.