Die elektronische neue Arbeitswelt
Transatlantische Videokonferenz
Für das Management des Basler Chemiekonzerns Hoffmann-La Roche waren 1992 die transatlantischen Videokonferenzen schon fünf Jahre Bestandteil des Arbeitsalltags. Das Unternehmen hatte bereits 1987 in Basel und New Jersey eigene Videokonferenz-Studios in Betrieb genommen. Im Oktober 1991 folgten weitere Studios in Grossbritannien.
Zudem waren zwischen Basel und New Jersey Mietleitungen für Übertragungsraten von 128 und 256 Kilobit pro Sekunde geschaltet. Diese niedrigen Bitraten boten laut Rolf Wenk, bei Hoffmann-La Roche verantwortlich für Videokonferenzen, «gute Bilder». Als grössere Herausforderung benannte er im Gespräch mit Computerworld die «organisatorische Arbeit» im Vorfeld der Videokonferenzen: Erst müsse ein Termin zwischen den Teilnehmern unter einen Hut gebracht, später dann Videokonferenz-Studios und Leitungen reserviert werden.
Unter dem Strich machten sich die firmeneigenen Studios für das Basler Unternehmen aber bezahlt: Im Rekordmonat November 1991 hätten 200 000 Franken mehr hingeblättert werden müssen, wenn die Konferenzen in öffentlichen Studios durchgeführt worden wären.
Zu den Einsparungen bei Flug- und Reisekosten konnte Wenk hingegen keine Auskunft geben. «Dieser Vergleich bringt nicht viel, weil an den Videokonferenzen immer mehr Mitarbeiter teilnehmen. Dagegen setzt sich meistens immer nur ein einziger Mitarbeiter ins Flugzeug», erklärte er.
Öffentliche Videokonferenz-Studio
Den Schweizer KMU und der Bevölkerung standen in acht von zwölf Kommunikations-Modellgemeinden (KMG) öffentliche Videokonferenz-Studios zur Verfügung. Allerdings würden diese Installationen «ausserordentlich selten benützt».
Zu diesem Ergebnis kam eine KMG-Begleitstudie. Darin kamen die Experten zum Schluss, dass die eigens eingerichteten Studios technisch bereits überholt seien. Für ansehnliche Videobilder würden Übertragungsraten von 128 Kilobit ausreichen. Zudem seien Videokonferenzen am Arbeitsplatz «längst keine Hexerei mehr».
Das vorgeblich leichte Hexenwerk «Desktop-Videokonferenz» war allerdings mit einigen Hürden verbunden. Allein schon das Equipment aus PC plus Lautsprechern, Mikrofon, Videokamera und einem Codier-/DecodierGerät für Bewegtbild und Ton musste beschafft werden.
Die Klotener Firma Entec rief für das Computer Aided Communication (CAC)-System in der Grundkonfiguration ohne Bildschirm und PC einen Preis von rund 91 000 Franken auf. Apple-Besitzer kamen wesentlich billiger weg.
Ascom Telematic hatte mit «Vico Mac» eine Kombination aus externem Codec-Gerät und einer Kamera mit eingebautem Mikrofon im Portfolio. Das Bildtelefon war ab 4000 Franken zu haben. Der User musste allerdings Abstriche bei der Qualität machen. Die Übertragungsrate betrug nur 15 Bilder pro Sekunde, die Bildauflösung 128 × 122 Pixel.
Der limitierende Faktor war 1992 nicht die Hardware, sondern die Übertragungstechnik. Das Schweizer ISDN «Swissnet» mit seinen 128 Kilobit pro Sekunde war das absolute Minimum. Das Abo kostete monatlich 40 Franken, hinzu kamen die Verbindungskosten pro Minute – in Abhängigkeit vom nächstgelegenen Einwahlknoten.
Trotz der immensen Kosten konstatierte der Schweiz-Chef des Videokonferenz-Anbieters Picturetel, Pascal Sahli: «Die Dial-up-Systeme haben sich als Verkaufshit erwiesen.» Mit Swissnet sei den Desktop-Videokonferenzen der «grosse Durchbruch» gelungen.
«Seit der Gründung der Schweizer Niederlassung im März 1992 konnten wir», so Sahli, «32 Anlagen bei Firmen wie ABB, Bankverein und Ciba Geigy installieren.» Die zwischen 40 000 und 150 000 Franken teuren Lösungen würden meist im Projektmanagement und für das globale Reporting genutzt.