08.02.2008, 08:32 Uhr
Kosten und Risiken spürbar senken
Enterprise Architecture Management optimiert das Zusammenspiel von Informatik und Geschäftsprozessen. Das Resultat sind geringere Kosten und Risiken. Eine Fallstudie am Beispiel der SBB.
Bruno Schenker, Senior Manager Consultant von CSC, unterstützte die SBB bei der Planung eines Enterprise Architecture Management.
Zu hohe Kosten komplexe Geschäftsprozesse, diverse Altlasten: Die IT der Schweizerischen Bundesbahnen hatte 2005 mit Problemen zu kämpfen. Selbst Firmenregeln wurden unterschiedlich ausgelegt. Ausserdem fehlten weitgehend Kommunikationsinstrumente, welche die Geschäfts- und Informatikverantwortlichen bei der Verständigung über notwendige Veränderungen unterstützt hätten. Anfang 2005 sollte deshalb die IT-Beratungsfirma CSC abklären, ob die Einführung einer Enterprise Architecture zweckmässig und durchführbar sei.
Hochkomplexe Informatiklandschaft
Jeden Tag befahren 9000 Züge das 3000 Kilometer lange Netz der SBB. Verantwortlich dafür, dass alle pünktlich und sicher ans Ziel gelangen, sind die 9300 Mitarbeitenden der Division Infrastruktur. Auch der Betrieb und Unterhalt sämtlicher Anlagen wie Bahnhöfe, Stellwerke, Fahrleitungsnetz oder Brücken und Tunnels gehören zu ihrem Aufgabenbereich. Diese Anforderungen und höchste Ansprüche an Sicherheit und Verfügbarkeit der Systeme spiegeln sich in einer äusserst komplexen Informatiklandschaft wider.
Eine weitere Herausforderung: Diverse Altlasten, eine teilweise dezentrale Organisation sowie eine hohe Redundanz prägten zu Beginn des Projekts die IT der SBB Infrastruktur. Sie verursachten unnötige Kosten und Risiken. Kommunikationsinstrumente, welche die Geschäfts- und Informatikverantwortlichen bei der Verständigung über notwendige Veränderungen unterstützt hätten, fehlten weitgehend.
Grosses Optimierungspotenzial
Für die Einführung eines Enterprise Architecture Management gilt es zunächst, auf der Seite der Unternehmensarchitektur eine Prozesshierarchie zu erstellen. Sie gliedert systematisch auf, welche Prozesse für ein Unternehmen von Bedeutung sind. In einem zweiten Schritt lohnt es sich, die jeweilige Wertschöpfung zu ermitteln. Auf der Seite der Informationssystemarchitektur ist zusätzlich zum reinen Inventar der Applikationen eine Abbildung der Architektur wünschenswert. Sie zeigt die Abhängigkeiten zwischen den Anwendungen auf. Häufig ist es die unkontrollierte Vernetzung von Applikationen, die Kosten verursacht, z.B. wenn eine Anwendung ersetzt werden soll.
Die Berater von CSC stellten durch die Einführung eines Enterprise Architecture Management im Bereich SBB Infrastruktur folgende Verbesserungsmöglichkeiten in Aussicht:
- eine optimale Ausrichtung der IT auf das Geschäft (Business-IT Alignment)
- eine bessere Integration der IT-Mittel
- effiziente und risikokontrollierte Veränderungen (Change Management)
- eine raschere Umsetzung von Veränderungen dank einer gemeinsamen und aktuellen Informationsbasis (Time to Market)
Umsetzung in drei Phasen
Das Informatikmanagement der SBB Infrastruktur war von dem Konzept überzeugt, sodass am 1. August 2005 mit Unter-stützung der CSC das Projekt «Enterprise Architecture Management Infrastruktur (EAM I)» lanciert wurde. Die konkreten Ziele des Projekts lauteten:
- Analyse und Modellierung der Ist-Architektur
- Definition der Ziel-Architektur mit entsprechender Roadmap
- Architektonische Unterstützung von -Pilotprojekten
-Institutionalisierung des EAM
Das Projekt wurde in die drei Phasen Konzept, Pilot und Realisierung gegliedert. In der zweimonatigen Konzeptphase wurden die Strukturen des EAM definiert: Es sollten Informationen zu den Geschäftsprozessen, den Applikationen, den Verantwortlichkeiten und den Organisationsstrukturen gewonnen werden. Parallel dazu erarbeitete die CSC einen «First-cut» der Ist-Architektur.
Während der fünfmonatigen Pilotphase wurden die Prozesse für die Nachführung der Ist-Architektur und die kontinuierliche Informatikplanung entwickelt sowie eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt konnte das EAM bereits zur Planung oder Durchführung von Projekten herangezogen werden. In der letzten Phase der EAM-Einführung wurde das Wirkungsfeld ausgeweitet und gefestigt sowie die Verbindlichkeit der Architekturmodelle weiter erhöht.
Die Rolle der CSC beschränkte sich bei dem Projekt auf die Gestaltung des Planungsprozesses; die eigentliche Planung wurde von den SBB durchgeführt. Die Verantwortlichen verzichteten dabei auf die genaue Definition einer Zielarchitektur. Sie setzten lediglich die Vorgabe, künftig die Zahl der Anwendungen nicht weiter zu erhöhen.
Deutliche Verbesserungen
Das heutige Fazit nach der Einführung des EAM: Es zeigte sich, dass bereits die Kenntnis über die Ist-Architektur spürbare Verbesserungen brachte. So konnten etwa im Bereich Trassenplanung sieben Applikationen auf zwei reduziert werden. Es wurde zudem rechtzeitig verhindert, dass eine geplante Änderung, die scheinbar nur eine Anwendung betreffen würde, Auswirkungen auf weitere sechs hatte.
Die Datenbank der Enterprise Architecture steht den Mitarbeitern auf dem Intranet zur Verfügung und wird von Projektleitern, Produktmanagern und Vertretern des Geschäfts regelmässig genutzt. Sie erspart bei Änderungen an der Informatiklandschaft lange Analysen zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten, unnötigen Abhängigkeiten und Risiken. Analysen, die überdies nicht selten unvollständig sind, weil sie nicht umfassend, sondern mit Blick auf ein bestimmtes Problem durchgeführt werden. Solche Informationen sind heute jederzeit abrufbar. Dadurch lassen sich nicht nur unnötige Kosten und Risiken vermeiden, sondern auch Synergiepotenziale frühzeitig erkennen. Unnötige Systeme werden ausser Betrieb genommen bzw. gar nicht erst entwickelt, das Vereinheitlichungspotenzial in Business und IT wird erkannt und genutzt, und die Projekte werden besser auf den Geschäftsnutzen ausgerichtet.
Mittlerweile hat die IT der SBB ihre Aktivitäten im Bereich Enterprise Architecture Management weiter ausgebaut. Das Vorgehen des Projekts EAM I wurde auf die gesamte IT ausgedehnt, in der die Architektur heute eine zentrale Stelle einnimmt. Die Architekturmodelle, die inzwischen die komplette IT-Landschaft weitgehend erfassen, enthalten Informationen über rund 400 Geschäftsprozesse, 1000 Applikationen, 1700 Schnittstellen und 250 Technologien.
Zum Unternehmen
CSC
Die kalifornischen Computer Sciences Corporation (CSC) ist ein global führendes IT-Beratungs- und -Dienstleistungsunternehmen mit weltweit rund 89000 Mitarbeitern. Die Schweizer Tochtergesellschaft beschäftigt 700 Mitarbeiter und machte 2006 schätzungsweise einen Umsatz von 253 Millionen Franken (Quelle Computerworld Top 500).
Begriffserklärung
Enterprise Architecture
Enterprise Architecture bezeichnet ein Modell, mit dem die Geschäftsprozesse eines Unternehmens, die dazu verwendeten Applikationen, die Datenstrukturen etc. abgebildet werden. Die Architektur wird zu diesem Zweck in eine Geschäfts- und eine Informationssystemarchitektur unterteilt und auf einer konzeptionellen Ebene dargestellt. Ziel dieser Modellierung ist es, bestehende Vernetzungen, Abhängigkeiten und Synergiepotenziale zu erkennen, um die IT-Architektur besser auf die Geschäftsarchitektur ausrichten und die Geschäftsprozesse reibungsloser und zu tieferen Kosten abwickeln zu können.