20.11.2008, 10:12 Uhr

Gute Geschäfte mit guten Beziehungen

Kundenbeziehungs-Management ist ein dynamischer Vorgang, der nicht mit der Software-Installation endet. Vor allem mittelständische Unternehmen tun sich oft schwer damit, CRM-Projekte konsequent umzusetzen. So vermeiden Sie Kardinalfehler.
Software und Konzepte, um Kundenbeziehungen professionell zu verwalten, sind gefragt wie seit langem nicht.
Das Marktforschungsunternehmen Softselect konnte schon 2007 feststellen, dass 64 Prozent von 350 befragten Unternehmen in Software für das Kundenbeziehungs-Management investieren wollen. Die Firmen erhoffen sich von der CRM-Lösung eine Umsatzsteigerung. Das ist nicht neu, wohl aber, dass auch der Mittelstand CRM für sich entdeckt hat.
Viele Unternehmen haben erkannt, dass es nicht mehr reicht, gute Produkte zu entwickeln und dann auf den Kunden zu warten. In wirtschaftlich schlechten Zeiten gilt dieser Grundsatz natürlich erst recht. Die Differenzierung im Wettbewerb erfolgt dabei zunehmend über eine effizientere und kompetentere Kundenansprache. «Zu den Aufgaben einer CRM-Software zählt nicht mehr nur, neue Marktpotenziale zu eröffnen. Unternehmen wollen ihre Ausgangssituation verbessern», meint etwa Softselect-Chef Michael Gottwald. Die CRM-Systeme sollen dabei helfen, Abläufe zu straffen, zu automatisieren und mittels bereichsübergreifender Workflows Geld zu sparen. Neben einem effizienten Service und Support gehört dazu auch, den Kunden Informationen über die angebotenen Produkte zur Verfügung zu stellen.
Dazu verwendet ein Industrieunternehmen beispielsweise technische Dokumentationen, Einsatzberichte, Service- und Wartungspläne und Ersatzteillisten. Ferner wollen diese Betriebe ihre Lieferanten, Partner, Dienstleister und sämtliche Vertriebskanäle in ein einheitliches IT-Konzept einbinden. Bei manchen Unternehmen sind solche Prozesse bereits etabliert. Sie suchen jedoch nach Möglichkeiten, ihre Abläufe im Marketing, Vertrieb und Service kostengünstiger abzuwickeln.
Dr. Martin Stadelmann, Geschäftsführer der ec4u expert consulting (schweiz) ag und Mitgründer des CRM-Masterprogramms an der Zürcher Hochschule Winterthur, teilt die Bedürfnisse der Unternehmen in drei Kategorien ein:

- Solche, die mit ihren bestehenden Kunden mehr Umsatz erzielen und diese besser kennen lernen wollen.

- Firmen, die sich über abwandernde Kunden sorgen und nach Wegen suchen, diese bei der Stange zu halten.

- Prosperierende Unternehmen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Marktbegleitern Kunden wegzuschnappen, und zwar durch neue Marketing- und Vertriebsmassnahmen.

Beispiele für erfolgreiches CRM gibt es im Mittelstand inzwischen viele. Allerdings gelingen diese Vorhaben nicht allein wegen guter Software, auch wenn CRM-Anbieter dies zuweilen suggerieren. Kundenbeziehungs-Management hängt zunächst einmal damit zusammen, wie Unternehmen sich auf ihre Kunden einstellen und welche Ziele sie sich setzen. Das fängt nicht am Arbeitsplatz des Vertriebsangestellten an, sondern in der Geschäftsführung.
«Die Unternehmensleitung gibt die CRM-Strategie vor», meint der unabhängige Analyst Wolfgang Martin. Doch hinter dieser scheinbar einfachen Formel verbergen sich zahlreiche Unwägbarkeiten. Denn die jeweilige Strategie lässt sich nicht einfach aus dem Hut zaubern. «Jedes Unternehmen muss seine eigenen Ziele definieren. Patentrezepte gibts keine», so Wolfgang Schwetz, der Firmen bei der Auswahl und Einführung von CRM-Lösungen berät. In der Praxis erlebt Schwetz oft, wie Unternehmen in ein CRM-Projekt hineinstolpern, ohne vorher Ziele festgelegt zu haben. Wenn überhaupt, holen sich Unternehmen erst dann Hilfe von aussen, wenn sie sich praktisch schon für eine Software entschieden haben. Nicht selten sind die Auftraggeber dann mit dem Projektergebnis unzufrieden: «Wenn Firmen sich über die Ziele und deren Messbarkeit keine Gedanken machen, werden sie kaum den Nutzen der CRM-Lösung erkennen», warnt Schwetz.

CRM-faule Manager

Bei der CRM-Zielsetzung können Berater helfen. In manchen Fällen sträuben sich Geschäftsführungen jedoch, mittelfristige Vertriebsziele zu definieren und daraus Vorgaben für die CRM-Einführung abzuleiten. «Lieber beschränken sich Manager auf pauschale Ziele wie die Steigerung des Umsatzes oder eine bessere Kundenorientierung. Auf die Probleme, die das Unternehmen im Vertrieb oder im Service hat, wird zu wenig eingegangen», bemängelt CRM-Experte Schwetz. Wenn dann die Software-Investition ansteht, fragt der Firmenchef, ob es nicht auch ein bisschen billiger geht.

Viele Daten, schlecht verfügbar

Selbst wenn die CRM-Ziele von ganz oben formuliert wurden, stösst so manches Unternehmen auf grundsätzliche Probleme. Wer mit Hilfe einer CRM-Software mehr Umsatz erzielen will, muss seine Kunden genau kennen. Gute Karten hat der, bei dem die Kundeninformationen wohl strukturiert in einer Datenbank lagern. Doch auch hier erlebt CRM-Berater Schwetz häufig Überraschungen: «Da finden sich schon mal wichtige Daten in Hängeregistern und Zetteln wieder». Solche Firmen verfügen zwar über wertvolle Kundeninformationen, doch diese sind nicht verfügbar. Unter solchen Voraussetzungen, so Schwetz, fällt es den Firmen schwer, wichtige von weniger wichtigen Abnehmern zu unterscheiden.
Andere Betriebe speichern ihre Kundeninformationen zwar komplett elektronisch, doch fast jeder Nutzer hat dafür sein eigenes System. In einem Projekt stand Schwetz vor der Aufgabe, Detailinformationen aus 37 unterschiedlichen Kundendatenbanken zusammenzufügen. Ähnliche Erfahrungen hat der Schweizer CRM-Spezialist Stadelmann gemacht: «Bevor irgendeine Software installiert wird, muss das Unternehmen eine Bestandsaufnahme der Kundendaten vornehmen.» Vor der Software-Einführung müsse die Datenverfügbarkeit gewährleistet sein. Das Wissen über die Kunden ist so aufzubereiten, dass die Mitarbeiter in ihrer jeweiligen Rolle geeignete Daten nutzen können. Ein Vertriebsangestellter benötigt andere Kundeninformationen als sein Kollege aus dem Service.

Prioritäten setzen

Ohne detaillierte Daten lässt sich nicht sagen, welche Kunden die besten sind und deshalb einen besonders guten Service erhalten sollen. Als positives Beispiel nennt Analyst Martin den Heizgerätehersteller Vaillant. Dessen Kunden sind Handwerksbetriebe. «Die Firma Vaillant hat eine rigorose Politik in Sachen Akquise ihrer Kunden. Der Hersteller schaut sich jeden Betrieb genau an, und wenn er gewissen Anforderungen nicht entspricht, kommt es auch nicht zu einer Zusammenarbeit.» Auf diese Weise wolle das Unternehmen vermeiden, sich mit unrentablen Kunden zu befassen. Vaillant habe erkannt, dass CRM viel mit Umdenken zu tun hat.
Unternehmensberatungen stossen im Mittelstand zwar nicht auf taube Ohren, werden aber von der Realität eingeholt: Firmen dieser Grössenordnung müssen sich genau überlegen, wie viel sie in Beratung, Software und Anpassung ihrer Prozesse investieren können. «Bei einem grossen Konzern kommt es schon mal vor, dass Projekte 100000 Euro teurer werden als ursprünglich geplant. Für den Mittelstand darf das Gesamtvorhaben oft schon nicht mehr kosten», bringt es Stadelmann auf den Punkt.
Nur Software ist nicht genug
Neben den weitaus geringeren Budgets der Mittelständler gibt es ein weiteres Problem: Viele der methodischen Ansätze zur CRM-Einführung beruhen auf den Erfahrungen aus Grosskonzernen und lassen sich nicht einfach herunterbrechen. Das gilt auch für den Nutzen: Für Konzerne rechnen sich CRM-Systeme leicht, da an den Abläufen viele Personen beteiligt sind. Sie verfügen üblicherweise über eigene Abteilungen für Marketing, Vertrieb und Kundendienst, die eine grosse Anzahl an Kunden bedienen.
In mittelständischen Betrieben erledigt manchmal ein und dieselbe Person beispielsweise das Marketing und den Vertrieb. Je nach Branche und Vertriebskonzept müssen auch weit weniger Kunden bedient werden. Somit lassen sich hier Einsparungen durch Prozessautomatisierungen nicht so leicht erzielen. Dennoch haben einige mittelständische Unternehmen hohe Ansprüche an CRM-Lösungen. Allerdings wachsen die Forderungen häufig schneller als die Budgets, was dazu zwingt, in Projekten Prioritäten zu setzen.
Grosse Unternehmen haben aus den zahlreichen gescheiterten CRM-Projekten Lehren gezogen. Statt darauf zu hoffen, dass sich durch die Software-Einführung automatisch auch die Prozesse verbessern, erarbeiten diese Firmen inzwischen fachliche Konzepte. Viele mittelständische Unternehmen glauben dagegen noch immer, mit der Software die fachlichen Prozesse gleich mit zu erwerben. Mitunter überlassen die Betriebe sogar das Verfassen des Pflichtenhefts einem Diplomanden. Ob der dann wirklich die unternehmensspezifischen Bedürfnisse zu Papier bringt, darf bezweifelt werden.
Fachliche Konzepte kosten Zeit und Geld. Wenn nach 70 bis 80 Manntagen die Lösung stehen soll, bleibt nach der Installation wenig Zeit für Prozessanpassungen. Das Tückische: Die eigentliche Software-Einführung läuft meist rund, auch weil anders als bei grossen Unternehmen die Integration von weiteren Systemen nicht so aufwendig ist. Das Projekt gilt nach der Inbetriebnahme als erfolgreich abgeschlossen. Wenn nicht einmal ein Training stattfindet und unklar bleibt, welche Mitarbeiter das System verwenden sollen und auf welche Weise, nutzt es am Ende möglicherweise niemand.
Zum Autor: Frank Niemann ist Redaktor unserer Schwesterzeitschrift Computerwoche



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