3Com 05.10.2007, 09:19 Uhr

Firma verkauft - wie geht es weiter?

Die kränkelnde Netzwerkerin 3Com verkauft sich an die Investmentfirma Bain Capital und ihre ehemalige Joint-Venture-Partnerin Huawei. Anton Kiwic, Chef von 3Com Schweiz, bezieht im Exklusiv-Interview mit Computerworld Stellung und zeigt auf, wo das Unternehmen heute steht.
«Höchste Priorität hat das Bestreben, den Eintritt ins oberste Segment der Grosskunden wieder zu schaffen.»

Computerworld: Herr Kiwic - welche Auswirkungen wird der Verkauf Ihres Mutterhauses auf die Schweizer Niederlassung, deren Vertriebsstruktur, Mannschaft und Kunden haben?

Anton Kiwic: Die kurze Antwort lautet: Keine. Sofern Bain Capital uns nicht wegen unserer Bürostühle gekauft hat - was nicht anzunehmen ist - steht kein Strategiewechsel ins Haus.

Sie sind jetzt ziemlich genau zwei Jahre an der Spitze von 3Com Schweiz. Welchen Wandel hat das Unternehmen in dieser Zeit durchlaufen?

Die letzten Jahre waren vor allem von Konsolidierungsbemühungen geprägt. Dennoch konnte 3Com Märkte aus vergangenen Tagen aus dem oberen Segment wieder neu öffnen. Heute gehen wir im Bereich Enterprise Switching in der Schweiz mit zweistelligen Wachstumsraten einer positiven Zukunft entgegen. Wir sind mittlerweile nicht mehr die Firma der NIC-Karten und OfficeConnect-Produkte.

3Com hat in der Schweiz im vergangenen Jahr aber auch die Mannschaft halbiert. In welchen Bereichen und warum?

Marketing, Buchhaltung und Innendienste wurden zentralisiert. Dabei wurden die Vertriebsstrukturen aber beibehalten. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir heute für unseren Umsatz eine angemessene Grösse haben, die es uns erlaubt, die Projekte adäquat zu bedienen. Viele andere sind in der Schweiz gar nicht mehr mit einer Legal Entity präsent.

3Com hat kürzlich die Abnabelung und den Börsengang der Security-Tochter TippingPoint angekündigt. Als Grund wurde genannt, dass sich 3Com vermehrt auf ihre Kernkompetenzen fokussieren will. Welche sind das?

Wir sind der Auffassung, dass Security zunehmend zu einem eingebetteten Bestandteil der Infrastruktur wird. Das ist unsere Kernkompetenz und hier fokussieren wir unsere Entwicklungsarbeit. Im Enterprise-Bereich zählen wir komplette Infrastruktur-Lösungen wie Wired, Wireless, Switching oder Routing zu unseren Kernbereichen. Im Voice-Segment konzentrieren wir uns auf die IP-Telefonie und darauf aufsetzend auf Unified Communication und Collaboration.
Darüber hinaus adressieren wir KMU mit traditionellen Produktelinien wie Officeconnect, Baseline und NBX.

3Com, die einstige Netzwerk-Riesin und «Mutter» von Ethernet, hat in letzter Zeit nur durch Übernahmegerüchte und die nun bestätigte Akquisition durch Bain Capital auf sich aufmerksam gemacht. Warum zeigt Ihr Unternehmen so wenig Präsenz?

3Com ist und bleibt ein Technologieanbieter für Unternehmenskunden. Hier besteht kein Bedarf, Breitenwerbung zu machen. Die Mittel, die wir dadurch sparen, investieren wir lieber in Forschung und Entwicklung, längere Garantiezeiten oder geben sie über unsere günstigeren Preise an die Kunden weiter.
Seit wir das wieder beherzigen, können wir auch wieder wachsen. Durch die Akquisition von H3C sind wir heute wieder ein globales Weltunternehmen und Nummer eins im wichtigsten Wachstumsmarkt China - weltweit liegen wir auf Platz Nummer zwei hinter Cisco.

3Com hat jüngst intensiv versucht, den Kundenfokus zu verstärken - unter anderem mit dem Inhousing des EMEA-Supports. Hat man sich in den letzten Jahren zu wenig um die Kunden gekümmert?

Nein, ganz und gar nicht. Es ist branchenüblich, dass First- und Second-Level-Services ausser Haus stattfinden und auch Ersatzteillogistik und Vor-Ort-Reparatur durch Subunternehmer ausführen zu lassen. Aber wir haben erkannt, dass eine weitere Optimierung der Prozesskette die Kundenzufriedenheit durchaus erhöht. Darum haben wir - übrigens als einziges Unternehmen unserer Branche - die Call Services Inhouse geholt. Sechzig Mitarbeiter sorgen im Schicht-betrieb rund um die Uhr für den Kundenservice. Ab dem ersten Call haben Sie einen 3Com-Mitarbeiter am Telefon. Und wenn es einmal brennt, sitzt der Third-Level-Engineer einen Schreibtisch weiter.

Im Netzwerkmarkt ist eine Kommoditisierung auszumachen und Firmen wie D-Link, Linksys und Netgear adressieren mit ihren Produkten KMU und Heimanwender gleichzeitig. Wie reagiert 3Com auf diesen Trend?

Retail ist kein von uns adressierter Absatzkanal - hier sind wir schlichtweg kein Player. Dieser Markt dient allenfalls dem Aufbau der Marke. Darin lässt sich aber praktisch kein Geld verdienen.

Welches sind die wichtigsten strategischen Partnerschaften von 3Com?

Zukünftig wird IBM für uns wichtig sein, um das IP-Telefonie-Geschäft weiter ausbauen zu können. Durch System i5 (ehemals AS 400) liefert IBM die Technologie für die Grundinfrastruktur und 3Com baut darauf eine Telefonie-Lösung auf. Huawei, die bereits bisher ein wichtiger OEM-Partner von 3Com darstellte, ist derweil die am stärksten wachsende Telko-Ausrüsterfirma. Am meisten ziehen wir aus dem Bau von Edge-Routern. Wir stellen diese Technologie zur Verfügung, damit Telekommunikationsdienstleister ihre Dienste beim Endkunden besser terminieren können. Huawei ist ebenfalls bestehender Partner im Bereich der Enterprise LAN-Technologie.
Natürlich helfen uns auch globale Initiativen, die wir ins Leben gerufen haben oder anführen, wie etwa die Voip Security Alliance, die Zero Day Initiative oder Arbeitsgruppen von Standardisierungsgremien.

Wie kommen 3Coms Open-Source-Bemühungen, namentlich OSN (Open Services Networking), voran?

OSN basiert auf zwei Säulen: Einerseits bieten wir eine offene Plattform auf unseren Switches und Routern an und andererseits sollen Partner auf dieser offenen Plattform ihren Mehrwert anbieten können. Die Produkte kommen jetzt immer schneller auf den Markt. Viele Geräte wie Multi Service Router der 5000er und der 6000er lancieren wir in verschiedenen Grössen. Andere Produkte, die wir in den letzten Jahren verkauft haben, bekommen zurzeit die Möglichkeit als OSN Plattform zu dienen.
Verschiedene namhafte Firmen sorgen dafür, dass auch die zweite Ebene zunehmend an Bedeutung gewinnt. Auf unserer Webseite haben wir eine entsprechende Liste der Unternehmen publiziert. Ins Auge springt einem dabei die Zürcher Firma Iscoord, die unter anderem IPT-Anbindungen für IBM-Applikationen bietet.

Welches sind die grössten 3Com-Kunden in der Schweiz?

Die grössten Kunden sind Swisscom Fixnet, Espace Media und Sage. Swisscom Fixnet betreibt ein schweizweites Netz mit 2500 Ethernet-Switches für eine betriebswichtige interne Applikation. Espace Media ist derweil ein 3Com-Kunde der ersten Stunde. Das Medienunternehmen verwendet unsere Enterprise-LAN-Core-Switches für ihre redundant ausgelegte Betriebsinfrastruktur.
Bei Sage hingegen handelt es sich um einen Neukunden. Das Unternehmen wächst in der Schweiz durch Zukäufe sehr schnell und sorgt am Hauptsitz in Baar mit einer LAN-Core-Switching-Infrastruktur für die reibungslose Kommunikation der Aussenstellen.

Wie sieht die Zukunft von 3Com Schweiz aus? Was steht nach der Übernahme durch Bain Capital und Huawei derzeit auf Ihrer Prioritätenliste zuoberst?

Da - wie gesagt - auch nach der Übernahme alles beim Alten bleibt, verändert sich auch meine Prioritätenliste vorerst nicht. Zuoberst steht das Bestreben, den Eintritt ins oberste Segment der Grosskunden wieder zu schaffen. Dafür müssen die Strukturen des Warenflusses optimiert werden, damit wir unsere Kunden punktgenau bedienen können. Natürlich liegt uns sehr daran, dass unsere Strukturen Vertrauen schaffen, wir kennen unsere Stärken. Wir nehmen aber keine Projekte an, die wir nicht stemmen können.
An zweiter Stelle auf meiner Prioritätenliste steht die Suche nach einem Systemintegrationspartner, der von der aktuellen und geografischen Marktstellung her in unser Kerngeschäft passt. Dafür ist eine schweizweite Akzeptanz erforderlich, damit meinen wir auch die Romandie, das Wallis und das Tessin.
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Der Deal

Nachdem bereits seit einigen Monaten Übernahmegerüchte kursierten, hat der 3Com-Verwaltungsrat Ende letzter Woche einer Übernahme durch die Investmentgesellschaft Bain Capital und der chinesischen Ausrüsterin Huawei zugestimmt. Huawei, 3Coms ehemalige Joint-Venture-Partnerin, soll dabei eine Minderheitsbeteiligung halten und als kommerzielle und strategische Partnerin auftreten.
Die Transaktion, die im ersten Quartal 2008 unter Dach und Fach gebracht werden soll, hat ein Gesamtvolumen von 2,2 Milliarden Dollar. Noch muss der Deal durch die 3Com-Aktionäre sowie die Aufsichtsbehörden abgesegnet werden.
Bain Capital hat es bei der Übernahme vor allem auf die 3Com-Tochter H3C, die ihr den Zugang zum chinesischen sowie anderen asiatischen Märkten erschliesst, abgesehen. Bain Capital hat bereits vor einigen Monaten ein An-gebot für H3C unterbreitet. Überdies steht auch Tippingpoint, 3Coms Security-Sparte, im Fokus der Käuferin. Tippingpoint soll nämlich dem-nächst an die Börse gebracht werden.

Die Käuferin

Die in Boston, Massachusetts beheimatete Invest-mentfirma Bain Capital wurde 1984 von Mitt Romney, dem ehemaligen Gouverneur von Massachusetts, gegründet. Bain Capital ist bekannt für Aufkäufe von Firmen wie beispielsweise Burger King, Warner Music Group oder Toys R Us. Heute verwaltet Bain Capital Werte von mehr als 50 Milliarden Dollar.

Das verkaufte Unternehmen

3Com wurde im Jahr 1979 unter anderem von Robert Metcalfe gegründet, der zuvor am Xerox Parc massgeblich an der Entwicklung der Ethernet-Technik beteiligt war. 3Com, die ihren Sitz in Marlborough Massachusetts hat, wurde entsprechend vor allem mit Ethernet-Karten gross. 1997 schloss sich das Unternehmen mit der Modem-Herstellerin U.S. Robotics zusammen und schnappte sich damit auch deren PDA-Tochter Palm. Beide Firmen wurden später als eigenständige Unternehmen wieder ausgegliedert. Die Krise in der Informatikbranche Anfang des neuen Jahrtausends zwang 3Com dazu, ihr Geschäftsfeld zu konsolidieren: Sparten wurden verkauft, ausgegliedert oder geschlossen und die Mitarbeiterzahl schrumpfte von einst mehr als12 000 auf knapp 2000 zusammen. Die verstärkte Offensive der Konkurrentin Cisco veranlasst 3Com überdies, sich aus dem Enterprise-Geschäft zurückzuziehen. Heute unternimmt 3Com grosse Anstrengungen, um in diesem Segment wieder Fuss fassen zu können.
2003 hob 3Com gemeinsam mit der chinesischen Telko-Ausrüsterin Huawei das Gemeinschaftsunternehmen H3C aus der Taufe. Drei Jahre später hat 3Com die Anteile der Chinesin übernommen und das Joint-Venture beendet. 3Com ist seit langem in den roten Zahlen. Auch im kürzlich abgelaufenen ersten Quartal des Geschäftsjahres 2007/08 musste das Unternehmen bei einem Umsatz von 320 Millionen Dollar einen Nettoverlust von 18,7
Millionen Dollar verbuchen.
Claudia Bardola



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