12.01.2017, 07:11 Uhr

Bundesrat will digitale Wirtschaft nicht mit neuen Regeln behindern

Die Digitalisierung soll nicht durch Regulierungen gehemmt werden, lautet der Grundtenor eines Berichtes des Bundesrat. Rezepte, wie mit negativen Auswirkungen der Entwicklung umgegangen werden soll, sind dagegen kaum zu finden.
Der Bundesrat will freie Fahrt für die digitale Wirtschaft. Statt herkömmliche Geschäftsmodelle zu schützen, setzt er auf Deregulierung. So könne das Potenzial der Digitalisierung am besten genutzt werden, schreibt er in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht.
Über die Bedeutung der so genannten vierten industriellen Revolution liess Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann am Mittwoch vor den Bundeshausmedien keine Zweifel aufkommen. Schon heute sei ein Drittel des europäischen Wirtschaftswachstums digital bestimmt, erklärte er. «Die Digitalisierung ist eine riesige Chance.» Doch sie birgt auch Risiken, etwa den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen durch Automatisierung oder Angebote wie Uber und Airbnb, die traditionellen Anbietern schwer zusetzen. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat der Bundesrat einen Bericht in Auftrag gegeben, um sich einen Überblick über die Entwicklung zu verschaffen. «Die Politik muss das Phänomen der Digitalisierung erst einmal verstehen», sagte Schneider-Ammann.

Kaum Antworten

Das Papier enthält denn auch weniger Antworten als Ansätze für vertiefte Prüfungen. Angesichts der drängenden Probleme der Hotellerie und der Taxiunternehmen fokussiert die Untersuchung zunächst auf die so genannte Sharing Economy. Der Bundesrat sieht darin jedoch vor allem eine Chance, weil Ressourcen effizienter genutzt werden und der Wettbewerb angekurbelt wird. Den konkreten gesetzgeberischen Handlungsbedarf lässt er in dem Bericht noch offen. Bezüglich Transportdienstleistungen wie Uber verweist der Bericht auf die laufende Überprüfung, die das Parlament angestossen hat. Taxis sollen gleich lange Spiesse erhalten, indem beispielsweise arbeits- oder transportrechtliche Vorschriften aufgehoben werden. Handlungsbedarf gibt es auch wegen Airbnb. Der Bundesrat will prüfen, ob die Modalitäten für die Zustimmung des Vermieters angepasst werden müssen, wenn Mieter ihre Wohnung regelmässig untervermieten. Ein weiteres Thema ist das Vertragsverhältnis zwischen Eigentümer und Gast. Laut Bundesrat gilt es etwa zu klären, ob betroffene Nachbarn rechtlich ausreichend geschützt sind. Andere Probleme, etwa das Inkasso von Kurtaxen, müssen gemäss dem Bericht von Kantonen und Gemeinden geklärt werden.  Einige Anbieter haben dank digitaler Angebote grosse Marktanteile erobert. Das wirft wettbewerbsrechtliche Fragen auf. Grundsätzlich hält der Bundesrat den bestehenden gesetzlichen Rahmen für ausreichend, um laufende Veränderungen aufzunehmen. Einzig die Kriterien für die Prüfung von Zusammenschlüssen will er unter die Lupe nehmen, so dass auch Fusionen von Internet-Plattformen erfasst werden könnten. Nächste Seite: Die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt

Schwierige Einzelfälle

Eingehend befasst sich der Bericht mit den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Offen bleibt dabei die arbeitsrechtliche Qualifikation neuer Arbeitsmodelle. Dabei handelt es sich um eine der zentralen Fragen mit weit reichenden Auswirkungen auf die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Absicherung oder auf die Steuerpflicht.
Auch gegen den drohenden Verlust von Arbeitsplatzätzen enthält der Bericht keine Rezepte. Dieser Effekt lasse sich heute auch nicht abschliessend abschätzen, heisst es. Doch Schneider-Ammann beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Im Einzelfall werde es sicher schwierig, wie immer, wenn jemand unfreiwillig aus dem Arbeitsprozess gestossen werde, sagte er. Andererseits hofft er, dass dank der Digitalisierung neue Arbeitsplätze entstehen. Es werde neue Bildungsprofile geben, sagte Schneider-Ammann. Und mit Weiterbildung und Eigeninitiative könnten die betroffenen Arbeitnehmenden wettbewerbsfähig bleiben. Doch auch der Staat ist in der Pflicht, auch wenn der Wirtschaftsminister vorerst keine Lösung anzubieten hatte. «Primäres Ziel ist es, mit dieser Technologie eine maximale Beschäftigung sicherzustellen», sagte er.

Viel Freiraum

Dafür sollen zunächst einmal die Chancen der digitalen Wirtschaft ausgiebig genutzt werden. Und dies ist nach Ansicht des Bundesrats am ehesten möglich, wenn die Wirtschaft viel Freiraum hat. Dazu gehört gemäss dem Bericht auch ein flexibler Arbeitsmarkt. Zudem dürfe der digitale Wandel nicht durch vorschnelle und ungeeignete Regulierung beeinträchtigt werden, heisst es. Stattdessen sollen die Rahmenbedingungen weiter verbessert werden. Im Finanzbereich hat der Bundesrat die entsprechenden Arbeiten bereits angestossen: Er hat das Finanzdepartement im November beauftragt, eine Vorlage für innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für die so genannte Fintech-Branche zu schaffen. Ein Ansatz ist eine Fintech-Lizenz mit tieferen Hürden als eine Bankenbewilligung. In anderen Bereichen dient der Bericht als Ausgangspunkt für weitere Analysen und Überprüfungen. Zusammen mit den betroffenen Verbänden soll etwa ermittelt werden, welche Regulierungen die Digitalisierung unnötig behindern.  Weiter sollen die Konsequenzen der Digitalisierung auf die Bildung untersucht werden. Menschen aller Bildungsstufen müssten mit der Digitalisierung konfrontiert werden, sagte Schneider-Ammann. «Es gilt, den Menschen die Angst zu nehmen.»



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