Nationalratskommission
12.02.2019, 08:39 Uhr
Netzneutralität mit Ausnahmen
In Bern wird weiterhin um die Revision des Fernmeldegesetzes gerungen. Dabei zeichnet sich nun ein Kompromiss zur Netzneutralität ab, der Ausnahmen zulassen soll.
Bei der Revision des Fernmeldegesetzes zeichnet sich noch keine Einigung zwischen National- und Ständerat ab. In der Frage der Netzneutralität nähern sich die Räte aber an: Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates (KVF) befürwortet die Version des Ständerates im Grundsatz.
Der Bundesrat wollte lediglich Transparenz schaffen: Internetanbieter sollten darüber informieren müssen, wenn sie Informationen bei der Übertragung technisch oder wirtschaftlich unterschiedlich behandeln. Dem Nationalrat ging das zu wenig weit. Er sprach sich dafür aus, eine Pflicht zur Netzneutralität im Gesetz zu verankern.
Der Ständerat votierte für einen Kompromiss, der Ausnahmen ermöglicht: Anbieter sollen bei den Spezialdiensten die Angebote flexibel gestalten können, solange das die Qualität der Internetverbindung nicht verschlechtert. Die KVF stimmte dieser Regelung im Grundsatz zu, beantragt ihrem Rat aber eine vereinfachte Formulierung, wie die Parlamentsdienste am Montag mitteilten.
Spezialdienste sind von Providern zusätzlich zum Internetanschluss angebotene Dienste, welche über dieselbe Leitung übertragen werden - etwa die Sprachtelefonie über Mobilfunk der vierten Generation (VoLTE) und bestimmte Fernsehdienste (IPTV).
Keine Meldepflicht für Kinderpornografie
Umstritten bleibt eine Regelung zur Kinderpornografie und anderen verbotenen pornografischen Inhalten. Der Ständerat beschloss, dass Fernmeldedienstanbieter verbotene Pornografie nicht nur sperren, sondern Verdachtsfälle auch dem Fedpol melden müssen. Die KVF lehnt eine solche Meldepflicht ab. Eine Minderheit der Kommission spricht sich für eine alternative Lösung aus, die nur eine passive Meldepflicht für Zufallsfunde vorsieht.
Ebenfalls umstritten ist, ob Blaulichtorganisationen von den Verwaltungsgebühren für die benutzten Funkfrequenzen befreit werden sollen. Der Ständerat hatte das abgelehnt. Die KVF beantragt ihrem Rat, bei der Befreiung zu bleiben, aber die Formulierung anzupassen.
Finanzierung von Anschlüssen
Über andere Punkte hatte die KVF bereits an einer früheren Sitzung entschieden, etwa über die Finanzierung von Anschlüssen. Der Ständerat möchte, dass Liegenschaftseigentümer weitere Anschlüsse nur dulden müssen, wenn Mieter sie verlangen und die Kosten übernehmen. Nach dem Willen des Nationalrates sollen sie es auch dann tun müssen, wenn Fernmeldedienstanbieter die Kosten übernehmen. Die KVF beantragt ihrem Rat, dabei zu bleiben.
Einverstanden ist die Kommission mit einer Regelung zur Weiterverbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen. Diese soll sicherstellen, dass beim zeitversetzten Fernsehen Änderungen an den Programmen nur mit Zustimmung des Veranstalters vorgenommen werden dürfen.
Initiativen zu Roaming abgelehnt
Weiter hat die KVF parlamentarische Initiativen zum Roaming abgelehnt, welchen sie vor einem Jahr zugestimmt hatte. Sie ist der Ansicht, dass die Anliegen in der Revision des Fernmeldegesetzes genügend aufgenommen sind. Der Bundesrat erhält mit dem Gesetz Möglichkeiten zur Bekämpfung unverhältnismässig hoher Endkundentarife. Namentlich soll er basierend auf internationalen Vereinbarungen Preisobergrenzen festlegen können.
Einen Kernartikel des Gesetzes haben beide Räte gestrichen. Sie wollen die Swisscom nicht verpflichten, anderen Anbieterinnen bei allen Technologien Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen zu gewähren.
Der Bundesrat möchte die Swisscom verpflichten können, anderen Anbietern gegen eine angemessene Entschädigung den Zugang zu den gebäudeinternen Fernmeldeinstallationen zu gewähren - neu auch zu Glasfaseranschlüssen. Der Zugang auf die letzte Meile ist aus seiner Sicht eine essenzielle Voraussetzung für Wettbewerb und Wahlfreiheit.