20.04.2011, 06:00 Uhr

Soziale Medien und Rechte

Dem Einfluss von Blogs, Facebook, Twitter und Co. können sich auch Unter­nehmen nicht mehr entziehen. Dass bei der Nutzung von sozialen Medien rechtliche Vorgaben bestehen, wird oft übersehen. So reduzieren Sie die Risiken.
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Der Autor ist auf IT-Recht spezialisierter Rechtsanwalt bei Wenger & Vieli aus Zürich Die Diskussion, ob und inwieweit Arbeitnehmer soziale Medien nutzen dürfen, ist längst im Gang. Sie wird in der Schweiz jedoch selten umfassend geführt, sondern beschränkt sich in der Regel auf Teilaspekte wie die Nutzung von Facebook während der Arbeitszeit. Eine neuere Tendenz besteht darin, dass Unternehmen soziale Medien für eigene Zwecke nutzen, indem sie beispielsweise Werbekampagnen auf Twitter durchführen. Die Bedeutung der Internetplattformen als Kommunikationskanal und Marketinginstrument für Unternehmen nimmt rasant zu, ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Es lohnt sich, bei der Nutzung von sozialen Medien auch rechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, beispielsweise Deutschland, wurde diesem Thema in der Schweiz bis anhin nur wenig Beachtung geschenkt.

Social-Media-Richtlinien

Dürfen Arbeitnehmer soziale Netzwerke während der Arbeitszeit verwenden? Dürfen sie in Netzwerken oder Blogs Informationen über ihren Arbeitgeber verbreiten? Wenn ja, welche? Ist es erlaubt, seinen Arbeitgeber in Blogs zu kritisieren? Vielfach ist für die Mitarbeiter nicht restlos klar, wo genau in diesen Bereichen die Grenzen gezogen werden. Social-Media-Richtlinien schaffen hier Klarheit – und sie fördern beim Arbeitnehmer ein aktives Bewusstsein über den richtigen Umgang mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten. Den Arbeitgeber schützen sie andererseits vor unkontrollierten Veröffentlichungen und negativer Publizität. Weiter kann damit das Risiko von Schadenersatzansprüchen Dritter verringert werden. Denn unter gegebenen Voraussetzungen wird ein Unternehmen bekanntlich haftbar für die Handlungen seiner Arbeitnehmer. Zudem zeigt die Erfahrung, dass Arbeitnehmer, die für mögliche rechtliche Risiken sensibilisiert worden sind, bewusster und vorsichtiger mit sozialen Medien umgehen. Je nach Branche, Unternehmenskultur sowie Mitarbeiter- und Kundenstruktur sind die Social-Media-Richtlinien eines Unternehmens sehr unterschiedlich auszugestalten. Es versteht sich von selbst, dass eine Grossbank andere Richtlinien braucht als ein mittelgrosses Industrieunternehmen.

Der Arbeitnehmer als Risiko

Der Arbeitnehmer hat in den sozialen Medien  unzählige und teilweise recht effektive Möglichkeiten, seinen Arbeitgeber zu schädigen. Von besonderer Bedeutung sind Beeinträchtigungen des guten Rufs des Arbeitgebers. In Blogs, Foren und sozialen Netzwerken verbreitete Unwahrheiten können Unternehmen nachhaltig schädigen. Branchenkenner sind überzeugt, dass schon heute ein beträchtlicher Teil der öffentlichen Meinungsbildung in sozialen Medien erfolgt. Die Risiken einer negativen Publizität kann der Arbeitgeber reduzieren, indem er seinen Arbeitnehmern die bestehenden Grenzen durch entsprechende Richtlinien möglichst präzise aufzeigt. Denn die Arbeitnehmer wollen den Arbeitgeber meist nicht bewusst schädigen, sondern sind sich der Folgen von unbedachten Äusserungen schlechthin nicht bewusst. Im Falle von komplexen Richtlinien können Schulungen und Kontrollen das Präventionsmanagement des Arbeitgebers abrunden. Weiter kann es Sinn machen, bestimmte Verstösse an schwerwiegende Folgen wie beispielsweise eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu knüpfen und dies den Arbeitnehmern auch klar zu kommunizieren. Wenig erfolgversprechend sind bei Rufschädigungen demgegenüber Schaden­ersatzprozesse. Denn der aus der Rufschädigung resultierende finanzielle Schaden muss vor Gerichten substantiiert und bewiesen werden, was sich regelmässig als schwierig erweist.

Verwendung fremder Inhalte

Sofern bei Auftritten in sozialen Medien fremde Texte, Grafiken, Bilder, Musik oder Videos erforderlich sind, muss abgeklärt werden, ob diese rechtlich geschützt sind. Relevant sind insbesondere das Urheberrecht, das Persönlichkeitsrecht und das Markenrecht. Ist dies der Fall, muss grundsätzlich die Einwilligung der Berechtigten eingeholt werden. Die Einwilligung kann mündlich, sollte aus Gründen der Beweisbarkeit jedoch besser schriftlich erfolgen. Es sind jedoch längst nicht alle Inhalte rechtlich geschützt. So sind Texte und Grafiken unter Umständen zu banal, um urheberrecht­lichen Schutz zu erlangen, und auch unkünstlerische Fotografien weisen oft nicht das hierfür erforderliche Mass an individueller Gestaltung auf. Zudem bestehen in den Gesetzen diverse Ausnahmebestimmungen, die dazu führen können, dass an sich rechtlich geschützte Inhalte im konkreten Fall ohne Einwilligung des Berechtigten verwendet werden dürfen. Längst nicht jedes Abmahnschreiben eines angeblichen Rechteinhabers ist begründet und gibt die korrekte Rechtslage wieder. Sowohl im Hinblick auf mögliche Werbekampagnen in sozialen Medien als auch bei Abmahnschreiben lohnt es sich also, die Rechtslage sorgfältig prüfen zu lassen.

Verbotene Massenwerbung?

Spannend und in der Schweiz noch kaum diskutiert ist die Frage, inwieweit die Vorschriften über Massenwerbung (Art. 3 lit. o des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb) auch beim Werben in sozialen Medien zur Anwendung kommen. Darf beispielsweise ein Unternehmen auf Xing allen seinen Kontakten Nachrichten mit Werbeinhalten zukommen lassen? Oder darf ein Unternehmen über Twitter seine Follower über die Direct Messages mit Informationen über seine Produkte versorgen? Massenwerbung ist in der Schweiz nur unter restriktiven Voraussetzungen zulässig. Sie muss nach Einwilligung des Kunden gesendet werden, einen konkreten Absender enthalten und einen Hinweis auf eine Ablehnungsmöglichkeit aufführen. Bei bestehenden Kunden gilt zudem eine Sonderregel: Wer für einen Kauf seine Adresse angegeben hat, muss sich gefallen lassen, dass seine Adresse vom Verkäufer für Massenwerbung genutzt wird, sofern er dies nicht abgelehnt hat, nachdem er auf die Ablehnungsmöglichkeiten hingewiesen worden ist. Werden diese Regeln vorsätzlich nicht eingehalten, kann dies Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder Geldstrafen zur Folge haben. Die geltenden schweizerischen Vorschriften zur Massenwerbung können auch bei sozialen Medien zur Anwendung kommen. Bei Massenmitteilungen ist also Vorsicht geboten. Zudem werden Werbeaktivitäten in sozialen Medien oh­nehin oft durch die Nutzungsbedingungen der Plattformbetreiber eingeschränkt. Vor Werbekampagnen in sozialen Medien sollte also stets geprüft werden, inwieweit diese zulässig sind.

Bezug zum Ausland

Bei Aktivitäten in sozialen Medien besteht oft ein Bezug zum Ausland, beispielsweise wenn einige der potenziellen Kunden, die angegangen werden, ihren Wohnsitz ausserhalb der Schweiz haben oder ein Produkt international vertrieben werden soll. In solchen Fällen kann die Zuständigkeit ausländischer Gerichte begründet werden und sind neben schweizerischen Bestimmungen meist auch ausländische Bestimmungen zu beachten. Diese können im Vergleich zum schweizerischen Recht abweichende oder ergänzende rechtliche Vorgaben enthalten. In der EU besteht im Gegensatz zur Schweiz beispielsweise die Pflicht, in Onlineveröffent­lichungen ein Impressum zu führen. Vor allem in Deutschland wird derzeit rege diskutiert, ob die Vorschriften betreffend Impressumspflicht auch beim Werben in sozialen Medien zur Anwendung kommen. Dies wird klar bejaht, was zu absurden Konsequenzen führen kann. So wird beispielsweise vertreten, dass Profilseiten von Unternehmen auf Twitter, die der Werbung dienen, mit einem Impressum ausgestattet sein müssen.
Vorsichtsmassnahmen im Unternehmen
  • Mit den folgenden Verhaltensweisen können Sie rechtliche Risiken bei der Nutzung von sozialen Medien verringern:
  • In sozialen Medien können die Vorschriften über Massenwerbung zur Anwendung kommen. Die Verletzung dieser Vorschriften kann strafrechtliche Konsequenzen haben.
  • In der Regel dürfen bei Auftritten in sozialen Medien fremde Texte, Grafiken, Bilder und Videos nicht ohne Einverständnis des Berechtigten verwendet werden. Es bestehen jedoch gewichtige Ausnahmen zu diesem Grundsatz.
  • Bei Aktivitäten in sozialen Medien mit Auslandbezug sollte abgeklärt werden, inwieweit damit die Zuständigkeit ausländischer Gerichte begründet werden kann und ausländisches Recht zur Anwendung kommt.
  • Für Unternehmen macht es vielfach Sinn, den Umgang der Arbeitnehmer mit sozialen Medien klar festzulegen. Dies geschieht in der Regel durch Social-Media-Richtlinien, deren Inhalt von Unternehmen zu Unternehmen stark variieren.
  • Durch Schulungen, Kont­rollen sowie die Festlegung konkreter Sanktionsfolgen bei Verstössen kann die Wirksamkeit der Richtlinien verbessert werden.



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