Entwicklerinnen und Developer gesucht

Höhere Fachschule statt Hochschule

Gemäss der Studie des Berufsverbands weist praktisch jeder zweite Beschäftigte (49 %) in der ICT einen Hochschulabschluss vor. Schliesslich erwarten insbesondere in der Applikationsentwicklung viele Unternehmen höhere Abschlüsse. Weshalb einige Firmen ihre Lernenden nach dem Lehrabschluss an Fachhochschulen oder in die höhere Berufsbildung schicken, wo sich die Berufsanfänger ergänzendes Rüstzeug für den Beruf aneignen.
Das wirft die Frage auf, inwieweit es sich dann grundsätzlich lohnt, eine Berufslehre zu absolvieren, anstatt direkt an die Hochschule zu gehen? Frech bestätigt, dass die Mehrheit der Hochschulabsolventen den ursprünglichen Weg der Berufsbildung mit anschliessender Passerelle respektive via höhere Berufsbildung an die Hochschule gewählt hat. Gerade deshalb lohne sich die Lehre zum Applikationsentwickler. «Der wohl grösste Trumpf der Lernenden ist, dass sie sehr früh in die Praxis, also in die echte Arbeitswelt integriert werden und nach Abschluss ihrer Lehre voll arbeitsfähig und höchst gesuchte Fachkräfte sind.» In Kombination mit einem Abschluss in der höheren Berufsbildung stehe dieser Entwicklungsweg dem der Hochschule in keinster Weise nach. Es sei sogar das Gegenteil der Fall: «Die Arbeitsmarktbefähigung ist höher und wird bedeutend schneller erreicht. Das Lohnniveau ist ebenfalls sehr attraktiv», unterstreicht der Verbandsgeschäftsführer.

Das Beste beider Welten

Die Fachhochschulen bilden eine wichtige Säule zwischen der praktisch orientierten Berufsbildung und den akademisch ausgerichteten (technischen) Hochschulen. Gut drei Viertel der Studierenden verfügten über eine Berufslehre mit Berufsmaturität, sagt René Hüsler, Direktor des Departements Informatik der Hochschule Luzern in Rotkreuz. Studierende mit einer gymnasialen Maturität müssen vor dem Studium ein einjähriges Praktikum in der Informatik absolvieren, bei ausländischen Studierenden wird deren Vorbildung individuell beurteilt. «Die Fachhochschulen bilden den direkten Anschluss an die Berufslehre und bieten so die Möglichkeit, die darin erworbenen Kompetenzen weiter auszubauen und zu vertiefen», konstatiert Hüsler. Die FHs spielen damit neben den spezialisierten Ausbildungen im Bereich Software-Entwicklung eine wichtige Rolle.
Ein Grossteil der Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen ist nach dem Studium in der Software-Entwicklung tätig. Grundsätzlich seien alle Informatikerinnen und Informatiker aller Ausbildungsstufen in der Schweiz sehr gefragt. Aufgrund der vorgängigen Lehre respektive dem obligatorischen Praxisjahr für Maturandinnen und Maturanden verfügten die FH-Abgängerinnen und -Abgänger allerdings bereits über Berufs- oder Praxiserfahrung, die sie im Rahmen des Studiums neben der theoretischen Vertiefung weiter ausgebaut haben, führt Hüsler aus.

Lebenslanges Lernen

Und nach Lehre, Studium oder Berufsumstieg? Wie bleiben Fachkräfte fit? Serge Frech von ICT-Berufsbildung Schweiz betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit innerbetrieblicher und berufsfeldweiter Massnahmen, um die Abwanderung in andere Berufsfelder zu verringern. Hierzu zählten flexible Arbeitszeitmodelle oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber auch geeignete Weiterbildungsmöglichkeiten. Denn der technische Wandel in der Informatik schreitet rasant voran. Die Zukunft könnte das institutionalisierte karrierebegleitende Lernen sein, wie es das Joint Venture 3L Informatik der ICT-Verbände swissICT und der Schweizer Informatik Gesellschaft anstrebt. Fachkräfte können sich bei 3L Informatik als SI-Professionals zertifizieren lassen und erhalten anhand ihres Aus- und Weiterbildungsstands Punkte. Diese verfallen im Laufe der Zeit, können aber durch Fortbildungen kompensiert werden. Auf diese Weise will man das lebenslange Lernen in der ICT fördern.
Viele IT-Dienstleister legen bereits Wert auf regelmäs­sige Fortbildungen. Bei Ergon Informatik etwa verfügt jeder Mitarbeiter über ein Weiterbildungsbudget von 10 Tagen pro Jahr, das er in eigener Verantwortung für Konferenzen, interne oder externe Kurse oder für das Selbststudium nutzen kann, erklärt Ergons CEO Keller. Bei Zühlke selektiert man bereits im Recruiting-Prozess die Bewerber nach dem Faktor Lernbereitschaft. «Wir glauben, dass es wichtig ist, sich als Ingenieur weiterzubilden in Methoden, Technik, aber auch im Bereich der Social Skills. Wir suchen also auch Leute, die sich weiterbilden wollen», begründet Kleeb. Man fördere anschliessend den Austausch und die gegenseitige Herausforderung. Hierzu treffen sich die Mitarbeitenden etwa in Fokusgruppen, die sich mit einem Thema auseinandersetzen. «Das macht Spass und bringt alle gemeinsam vorwärts», stellt Kleeb fest.
Eine intensivere IT-Grundbildung in der Schule, mehr Ausbildungsplätze, attraktivere Arbeitsumgebungen, aber auch länderübergreifende Projektarbeiten: Die ICT-Branche zeigt sich flexibel, um dem Fachkräftemangel ent­gegenzuwirken. Ein Rezept, wie man die Lücke am Arbeitsmarkt im Bereich Software-Entwicklung schliessen könnte, kann zwar auch Hüsler von der Hochschule Luzern nicht bieten. Doch er sieht einen Hebel in der zunehmenden Medienpräsenz von Digitalisierungsthemen. Das schaffe zunehmend ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Infor­matik für Wirtschaft und Gesellschaft. «Dies, zusammen mit der höheren Gewichtung der Informatik in der Schulbildung mit dem Lehrplan 21, bildet eine gute Grundlage, das Fachkräfteproblem stärker zu adressieren und zu vermindern.» Bei all diesen Bestrebungen sei es wichtig, die Möglichkeiten und Chancen aufzuzeigen und nicht Ängste zu schüren. «Die Zukunft bietet uns sehr viele Möglich­keiten und die Informatik kann einen grossen Beitrag dazu leisten, diese positiv zu nutzen», resümiert Hüsler.



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