CEO Adnovum 17.04.2023, 06:15 Uhr

«Cloud leitet neue Ära der Software-Entwicklung ein»

Die Software-Anbieterin Adnovum ist mit Sicherheitslösungen erfolgreich. Nun will CEO Thomas Zangerl mit Cloud-Angeboten die nächste Wachstumsphase lancieren.
Thomas Zangerl stieg vor gut zwei Jahren als CEO bei Adnovum ein
(Quelle: Gerry Nitsch)
Software wird je länger, je mehr aus der Cloud be­zogen. Dieser Entwicklung will sich die IT-Firma Adnovum nicht verschliessen. In Zukunft sollen bei Adnovum marktführende Lösungen für das Identity und Access Management als Managed Services aus der Cloud bezogen werden können. CEO Thomas Zangerl führt im Interview aus, warum für ihn die Cloud die nächste (R)Evolution in der Software-Entwicklung begründet.
Computerworld: Ihr Start bei Adnovum war inmitten des Lockdowns. Wie haben Sie die besondere Situation erlebt und gemeistert?
Thomas Zangerl: Meinen ersten Arbeitstag habe ich im Home Office verbracht. Glücklicherweise war ich mit dieser Situation nicht allein. Adnovum hatte gerade eine Neu-Organisation hinter sich und die gesamte Führungsriege startete gemeinsam in diesem ungewöhnlichen Setting. Allerdings kannten wir natürlich auch schon von früher die virtuelle Zusammenarbeit und die Videokonferenzen. Der Schnitt war also nicht so riesig und für mich war es dann auch nicht ganz überraschend, dass eine Technologiefirma von einem auf den anderen Tag ins Home Office wechseln kann. [schmunzelt]
Schon in den ersten Wochen habe ich damit begonnen, Mitarbeiter zu E-Coffee-Sessions einzuladen. Das Engagement kam gut an, sodass ich während jeder Session mit zehn bis zwölf Kollegen sprechen konnte. Über die Monate summierte es sich auf 150 bis 200 Personen, die ich nun zumindest schon einmal virtuell beim Kaffee getroffen hatte. Ohne Corona hätte ich sie recht bald vor Ort in den verschiedenen Niederlassungen besucht. Der Kontakt mit den Mitarbeitenden auf Augenhöhe gehört zu meinem Führungsstil.
CW: Adnovum nach der Pandemie. Was bleibt?
Zangerl: New Work, unser neues Arbeitsplatzkonzept. Wir haben es während des Lockdowns noch an unserem alten Standort an der Röntgenstrasse geplant und dann hier am neuen Ort an der Badenerstrasse umgesetzt. Es war schon absehbar, dass nicht alle Kolleginnen und Kollegen ins Büro zurückkehren würden, was wir bei der Planung der neuen Einrichtung aber berücksichtigen wollten. Deshalb haben wir 2020 eine Umfrage lanciert, die ergab, dass die Angestellten 65 Prozent ihrer Arbeitszeit im Büro verbringen wollten. Damit konnten wir uns die Einbussen beim Platz – früher 6500 Quadratmeter, nun 4400 – leisten.
Ein anderes Ergebnis der Umfrage war, dass die Kollegen und Kolleginnen hauptsächlich wegen des informellen Austauschs und der Zusammenarbeit im Büro arbeiten möchten. Deshalb sind wir mit den Vermietern von KPMG und unseren eigenen UX-Spezialisten angetreten, um in den neuen Räumlichkeiten viel Platz für Kollaboration zu schaffen. Das ist uns meiner Meinung nach gut gelungen; mit Büros und Arbeitsflächen für Kleingruppen sowie Meeting-Zonen für grössere Teams.
Den Angestellten steht es ausserdem komplett frei, ob sie im Büro oder im Home Office arbeiten wollen. Denn es fällt mir schwer, einem Ingenieur, der während zwei Jahren sehr produktiv von daheim ausgearbeitet hat, zu erklären, warum er jetzt plötzlich wieder für zwei oder drei Tage im Büro präsent sein muss. Ich glaube, jedes Unternehmen, das seine Leute zurück ins Büro nötigt, hat den berühmten «Schuss» nicht gehört.
CW: Wo arbeiten Sie persönlich?
Zangerl: Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen als ein riesiges Einzelbüro im Elfenbeinturm! [lacht] Wie schon in meiner vorherigen Rolle bin ich auch jetzt am liebsten bei den Kunden und an unseren verschiedenen Standorten. In der vergangenen Woche war ich zum Beispiel in den Büros von Adnovum in Budapest und Lissabon. Zwischenzeitlich arbeite ich dann auch mal von daheim aus – denn ich bin supermobil. Mehr als einen Laptop, etwas Strom und ein Wireless LAN benötige ich nicht.
CW: Haben Sie hier am Hauptsitz ein eigenes Büro?
Zangerl: Nein. Wenn ich hier in Zürich bin, platziere ich mich in einer der offenen Arbeitsflächen. Ich habe den Eindruck, dass die Kolleginnen und Kollegen meine nahbare Art schätzen.
CW: Führen Sie Bewerbungsgespräche und Gehaltsverhandlungen auch im Grossraumbüro?
Zangerl: [Schmunzelt] Nein, natürlich nicht. Für solche Gespräche ziehe ich mich in eines der buchbaren Einzelbüros oder Sitzungszimmer zurück.

Pandemie beflügelt Geschäft

CW: Wie gingen die Geschäfte während der Pandemie?
Zangerl: Corona hat uns wirtschaftlich nicht geschadet. Eine unserer Kernkompetenzen, das Identity and Access Management (IAM), war in der Pandemie sehr gefragt. Denn unsere potenziellen Kunden sind Unternehmen, die ihre Systeme nach aussen öffnen müssen oder wollen. Sei es für die eigenen Mitarbeiter im Home Office oder die Endkunden für Services. Wir können in beiden Fällen mit ausgereiften Lösungen helfen, die uns im vergangenen Jahr ein Wachstum von 20 Prozent beschert haben. Wir konnten 2022 erstmals einen Umsatz von über 100 Millionen Franken erzielen.
CW: Für solches Wachstum benötigen Sie auch das entsprechende Personal. Woher kommen die Fachkräfte?
Zangerl: Im vergangenen Jahr verzeichneten wir das grösste Wachstum in Ungarn und in der Schweiz. An beiden Standorten haben wir sehr viel investiert. Unter anderem haben wir den Brand überarbeitet und das Firmenlogo, das prominent beim Bahnhof Bern und über den Gleisen vor dem Zürcher Hauptbahnhof prangt. Beim alten Schriftzug gab es Stimmen, die gemutmasst haben, Adnovum sei eine Anwaltskanzlei. Zum neuen Logo haben wir sehr positive Rückmeldungen bekommen. So konnten wir uns auch auf dem Arbeitsmarkt moderner präsentieren. Zudem haben wir für die Schweiz und Ungarn eigene Active Recruiter angestellt, die einen hervorragenden Job machen. Denn wir haben erkannt, dass in Zukunft die grössten Herausforderungen sein werden, einerseits auf dem Markt zu bestehen, und andererseits die passenden Talente zu gewinnen.
CW: Die grossen Technologiefirmen entlassen massenweise Mitarbeiter. Kann das die Situation auf dem Arbeitsmarkt entspannen?
Zangerl: Nein, damit rechne ich nicht. Der Druck auf dem Arbeitsmarkt ist so gross, dass die Entlassungen keine Entspannung bringen werden. Selbst wenn es Freistellungen in der Schweiz geben würde, wären die Fachkräfte nur der berühmte «Tropfen auf dem heissen Stein». Denn der Mangel ist leider viel zu gross.
CW: Sie rekrutieren in Vietnam. Ist das eine nachhaltige Lösung?
Zangerl: Ich denke schon. Als eines der Alleinstellungsmerkmale von Adnovum sehe ich, dass wir in Märkten von der Grösse der Schweiz aktiv sind. Portugal und Ungarn haben ähnlich viele Einwohnerinnen und Einwohner und entsprechend ein vergleichbares Marktpotenzial. Vietnam ist zehnmal grösser, sodass dort noch viel mehr Potenzial vorhanden ist. In Asien bieten sich noch viel grössere Chancen, die wir in Zukunft nutzen wollen.
CW: Machen Sie heute Geschäfte in Vietnam?
Zangerl: Nein, Vietnam ist heute ausschliesslich ein Talentmarkt für uns. Die Schweiz ist der dominierende Absatzmarkt für uns. Singapur folgt mit einigem Abstand. In Portugal, Ungarn und eben Vietnam sind wir nur mit Entwicklungsabteilungen präsent. Wir beobachten derzeit insbesondere den südostasiatischen Raum sehr genau, wo es in einigen Ländern in Zukunft durchaus Absatzmärkte geben könnte. Dafür müssen wir aber auch noch Abklärungen treffen, zum Beispiel zu den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen.
CW: Können Ihre Kollegen auch an einen anderen Standort wechseln – ob nun temporär oder permanent?
Zangerl: Danke, gutes Stichwort. Wir unterstützen solche Initiativen der Mitarbeitenden und würden uns wünschen, dass es noch mehr Wechsel gäbe. Denn das Arbeiten mit den Kollegen an einem anderen Ort fördert unsere Strategie «One Adnovum». Wir bieten dafür Programme wie «Workation» an, bei denen wir die Hotelkosten übernehmen, wenn ein Mitarbeitender zum Beispiel geschäftlich nach Portugal reist und nach einer Woche Arbeit noch das Wochenende dort verbringen möchte.

Smarte Software für Schweizer Firmen

CW: An welchen Kundenprojekten haben zum Beispiel die Entwickler in Portugal gearbeitet?
Zangerl: An einer ganzen Reihe von Projekten im Bereich Identity and Access Management. Wir setzen uns in diesem Bereich bei den Kunden regelmässig gegen Start-ups und auch US-amerikanische Anbieter durch – was natürlich auch mit der Swissness zu tun hat. In Krisenzeiten wie den heutigen gewinnt das Argument eines unabhängigen Schweizer Herstellers, der im Schweizer Besitz ist und seine Lösung ausschliesslich mit eigener Software entwickelt, stark an Bedeutung. Die einheimischen und auch ausländische Kunden können darauf vertrauen, dass keine Partei – sei es die Industrie oder der Staat – einen Einfluss auf die Produkte nehmen kann.
CW: Gibt es Projekte jenseits der Security?
Zangerl: Selbstverständlich. Auch hier gibt es viele. Ein Beispiel ist Holcim, für die wir eine Lösung namens «ConcreteDirect» entwickelt haben. Das System steuert die Auslieferung von Beton auf die Baustellen. Der Kunde platziert in der Software eine Bestellung und kann anschliessend in Echtzeit nachverfolgen, wann der Beton in den Lastwagen abgefüllt wird, er zur Baustelle transportiert wird und dort eintrifft.
Massenentlassungen bei Tech-Firmen sind für Thomas Zangerl keine Lösung des Fachkräfteproblems
Quelle: Gerry Nitsch
Ein weiteres Beispiel ist Mobility. Das Unternehmen hatte uns damit beauftragt, seine kundenseitigen Lösungen und Systeme zu erneuern – mit dem Fokus auf der User Experience. Den Nutzern der App und der Webseite sollte es so einfach wie möglich gemacht werden, jeweils ein passendes Fahrzeug für ihre individuellen Bedürfnisse zu mieten.
CW: Sie erwähnen die User Experience. Sie ist in Zeiten von Apps mit ähnlichen Funktionen ein kritisches Unterscheidungsmerkmal. Wie stellt Adnovum sicher, dass eine Anwendung tatsächlich einfach und intuitiv zu bedienen ist?
Zangerl: Wir beschäftigen ein Team von 15 bis 20 Experten für User Experience. Sie sehen sich die Anwendung und die geforderten Neuerungen an und sprechen mit Kunden und Anwenderinnen. Anhand dieser Informationen entwerfen sie dann ein Design. Anschliessend folgen typischerweise Prototypen, die erst intern und danach von einem grösseren Benutzerkreis getestet werden.
CW: Welche Rolle spielt die Kultur bei der User Experience? Sprich: Kann ich eine App auch zum Beispiel in Ungarn designen lassen?
Zangerl: Eher nicht. Denn in der Designphase arbeiten wir eng mit den Kunden zusammen. Dabei sind kulturelle und geografische Nähe von Vorteil. Bei einigen Kunden ist sogar die Mundart ein Zuschlagskriterium. Sie möchten in der Designphase mit unseren Experten persönlich und auf Deutsch kommunizieren.
Wenn es dann aber um die technische Umsetzung und Implementierung geht, können die Apps problemlos in Portugal oder Ungarn programmiert werden.

KI kein Universalwerkzeug

CW: Wo Sie die Mundart ansprechen – Adnovum ist ein Partner von Spitch. Steckt die künstliche Intelligenz bei der Spracherkennung noch in den Kinderschuhen oder ist die Technik reif für den Markt?
Zangerl: Bis anhin setzen wir die Technik bei verschiedenen Strassenverkehrsämtern erfolgreich ein. Der Case im Kanton Aargau hat jüngst für Furore gesorgt. Der Kunde ist sehr zufrieden mit der Lösung.
Andere Anwender der Technologie sind Sozialversicherungsanstalten sowie Versicherungen insgesamt, die häufig Routineanfragen haben. Sie können mit der Spracherkennung und -verarbeitung sehr effizient und schnell beantwortet werden. Ich rechne damit, dass sich die Technologie noch weiter durchsetzen wird – auch über die genannten Branchen hinaus.
CW: Welche Bedeutung hat künstliche Intelligenz – Stichwort: ChatGPT – für Adnovum und Ihre Kunden?
Zangerl: Weder für unsere Kunden noch für uns ist die KI eine brandneue Entwicklung. Sie und auch wir beobachten die Entwicklung schon sehr lange. Bis anhin fand die Entwicklung in einem sehr engen, kontrollierten und meist wissenschaftlichen Umfeld statt. Die Fortschritte sind teilweise bemerkenswert, was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass KI kein Universalwerkzeug ist. Sie eignet sich für spezifische Anforderungen – siehe zum Beispiel der Voice Bot für die Strassenverkehrsämter und die Versicherungsunternehmen.
ChatGPT hält Thomas Zangerl derzeit noch für zu unberechenbar für geschäftskritische Anwendungen
Quelle: Gerry Nitsch
Da Sie ChatGPT erwähnen: Die Technologie würde ich nicht in einem Bereich einsetzen, in dem sie immer und unter allen Umständen funktionieren muss. Dafür ist die Technologie noch zu unberechenbar.
CW: Beraten Sie die Kunden zu möglichen Anwendungsfällen von KI?
Zangerl: Nicht direkt. Wir haben ein internes «Innovation Lab», das den möglichen Nutzen verschiedener Technologien auslotet. Zwei Schwerpunkte sind Machine Learning und Blockchain. In den ersten Bereich fallen Lösungen zum Überprüfen von Rechtsansprüchen für Versicherungen. Nehmen wir den Fall von Autoreparaturen: Heute ist die gängige Praxis, dass Versicherungen die Schadensansprüche nur ab einem gewissen Schwellenwert prüfen. Denn alles andere ist zu aufwendig und lohnt sich deshalb nicht. Allerdings ist damit zu rechnen, dass unterhalb dieses Schwellenwerts überproportional viele betrügerische Rechnungen gestellt werden. Hier kann zum Beispiel Machine Learning die Schadensfotos analysieren und einen tatsächlichen Anspruch ermitteln.
CW: Der Anwendungsfall für Blockchain dürfte das Cardossier sein. Gibt es hier Neuigkeiten?
Zangerl: Durchaus! Mit Cardossier wurde eine digitale Allmend geschaffen. Auf der Plattform sind nun Informationen über Fahrzeuge gespeichert, auf die alle beteiligten Parteien Zugriff haben. Nach einer längeren Diskussion im vergangenen Jahr wurde ein neuer Anwendungsfall identifiziert, der nun mit Cardossier umgesetzt werden soll: die elektronische vorläufige Inverkehrssetzung.
Sie kommt dann zur Anwendung, wenn zum Beispiel ein Autobesitzer bei einem Händler ein neues Fahrzeug kauft und er wegen seines bisherigen Autos noch eine Versicherungsdeckung besitzt. Der Händler kann dann per Knopfdruck eine provisorische Versicherungsdeckung bestellen und das neue Auto beim Strassenverkehrsamt vorläufig einlösen. Er hat weniger Arbeit, die Versicherung ebenfalls, das Amt auch. Der Kunde ist zufrieden, weil er das Auto sofort nutzen kann.

Software-Entwicklung und die Cloud

CW: Ein drittes «Forschungsobjekt» dürfte die Cloud sein. Software wird heute nicht gekauft, sondern gemietet. Ist die Software-Entwicklung für die Cloud für Sie Business as usual oder ein Wachstumsmarkt?
Zangerl: Unser IAM-Offering, basierend auf dem Produkt Nevis, läuft schon heute in der Microsoft-Cloud. Azure ist allerdings erst der Anfang, unter anderem auch, weil zum Beispiel die Government-Cloud in Singapur auf AWS basiert. Wir haben dort einige Projekte mit der Regierung, sodass wir auch die Entwicklung für AWS beherrschen.
Das Portieren bestehender Lösungen in die Cloud ist aber nur eine Option. Denn es gibt genügend fixfertige Produkte, die bereits nativ in der Cloud laufen. Wir nutzen diese Tools einerseits für unsere eigenen Entwicklungen. Andererseits kombinieren wir diese Produkte mit unseren Angeboten. Ich sehe darin eine nächste (R)Evolution der Software-Entwicklung.
CW: Das sind grosse Worte. Bitte erklären Sie.
Zangerl: Es gibt eine Parallele in der Java-Entwicklung: Zunächst wurde programmiert, dann kam das Open-Source-Ökosystem hinzu. Damit entfiel die Notwendigkeit, Standardfunktionen wie einen Datenbankzugriff jedes Mal neu zu entwickeln. Denn für die gängigsten Datenbanken gab es schon fixfertige Schnittstellen.
Ähnlich ist es schon heute bei den Hyperscalern: Azure und insbesondere AWS sind keine reinen Hosting-Plattformen, sondern sie bringen eine Vielzahl von Funktionen schon mit. Diese Mechanismen müssen die Programmierer dann natürlich nicht mehr eigens entwickeln, sondern können sie einfach nutzen. Wir von Adnovum haben diese Entwicklung eine gewisse Zeit lang unterschätzt. Mittlerweile haben wir aber realisiert, welche Vorteile uns die Plattformen mit ihren Features bieten und wie riesig das Marktpotenzial ist.
Ein weiterer Aspekt der Cloud-Entwicklung ist die Effizienzsteigerung für unsere Software-Fabrik. Dort arbeiten wir mit Standardpaketen zum Beispiel von Atlassian, die wir heute in unserem eigenen Rechenzentrum betreiben. Allerdings ist es eine Frage der Zeit, bis Atlassian seine Lösung nur noch aus der Cloud anbietet. Während der Hersteller bis anhin noch diverse Versionen seiner Software für multiple Betriebssysteme und verschiedenste Umgebungen pflegen muss, kann er künftig nur noch eine Version anbieten, die dann zentral gepflegt und gewartet wird. Das würde uns auch von der Pflicht befreien, unsere Systeme auf dem neusten Stand zu halten. Wir sparen damit Ressourcen, die eh schon knapp sind, und die wir anderweitig besser einsetzen können. So wird unsere Software-Fabrik in den nächsten zwei bis drei Jahren ebenfalls in die Cloud ausgelagert.
CW: Gibt es auch bei Adnovum Pläne, die Kunden-Software in die Cloud auszulagern?
Zangerl: Im Bereich Identity and Access Management sind wir daran, Cloud-basierte Offerings bereitzustellen. Diese werden wir 2023 auf den Markt bringen. Das Angebot deckt sich mit den Vorhaben der Kunden, die nicht mehr eigene Infrastrukturen betreiben wollen.

Portfolio-Lücken und Zukunftspläne

CW: Was können die Marktbegleiter aus Ihrer Sicht besser als Adnovum?
Zangerl: Diese Frage haben wir uns im vergangenen Jahr an einem Strategie-Workshop ebenfalls gestellt. Wir haben vier Antworten herausgearbeitet: Weiterentwicklung der heutigen Angebote, Märkte, Innovation und Talente. Auf das Fachkräfteproblem bin ich eben schon kurz eingegangen. Die anderen drei Aspekte lassen sich zusammenfassen in einer Entwicklung, die derzeit am IT-Markt stattfindet: die Produktisierung von Lösungen. Jedes Start-up bietet heute ein fertiges Produkt an, die Hyperscaler mit ihren funktionsreichen Plattformen ebenfalls.
Thomas Zangerl erwägt, mit Adnovum in den südost­asiatischen Raum zu expandieren
Quelle: Gerry Nitsch
Für Adnovum bedeutet das: Unsere Angebote und Dienstleistungen müssen wir zu skalierbaren Offerings weiterentwickeln. Dafür benötigen wir mehr Innovation im eigenen Unternehmen, müssen uns neue Märkte erschliessen – sowohl regional als auch thematisch –, und unsere Lösungen auf eine andere Art und Weise vermarkten. Beispielsweise wollen wir im IAM-Bereich weg von On-Premise-Lösungen hin zu Cloud-basierten Managed Services. Solche und ähnliche Offerings können die Kunden heute teilweise schon bei unseren Marktbegleitern beziehen, bei uns bis anhin aber noch nicht.
CW: Wie hoch ist heute der Anteil der wiederkehrenden Einnahmen am Gesamtumsatz?
Zangerl: Die wiederkehrenden Einnahmen sind heute hauptsächlich Wartungsverträge. Sie steuern allerdings nur einen kleinen Teil zum Umsatz bei. Die meisten Einnahmen stammen aus dem Projektgeschäft.
CW: Können Sie bitte ein Vorbild benennen für die künftige Adnovum?
Zangerl: Mein letzter Arbeitgeber [Netcetera, Anm. d. Red.] hat mit dem «3-D Secure»-Service bewiesen, wie eine Individualentwicklung skaliert werden kann. Die Technologie kommt heute weltweit zum Einsatz. Mit unserem IAM-Offering sind wir nicht weit weg davon, den Beweis ebenfalls antreten zu können.
CW: Welche Pläne hat Adnovum in der Schweiz für die nähere Zukunft?
Zangerl: Zum einen entwickeln wir unsere IAM-Lösungen so weiter, dass wir sie eben als Managed Service anbieten können. Mit dem neuen Offering könnten wir uns dann auch neue Märkte erschliessen – ich denke dabei insbesondere an Deutschland und Österreich, wo das Vertrauen in eine Schweizer Entwicklung weiterhin hoch ist. Allerdings bezahlen die Kunden dafür nicht unbedingt auch die Schweizer Preise. [schmunzelt] Als Managed Service wäre das IAM auch im Ausland zu wettbewerbsfähigen Preisen zu haben.
Grosses Potenzial sehe ich ausserdem im Consulting: Insbesondere kleinteilige Offerings wie ein Cyber Security Assessment, bei denen der Aufwand überschaubar ist, sind sehr gefragt. Diese und andere Beratungsdienstleistungen sollen nun weiterentwickelt werden, um sie einerseits skalierbar zu machen und sie andererseits besser vermarkten zu können.
Zur Person und Firma
Thomas Zangerl ist seit April 2020 CEO des Software-Unternehmens Adnovum. Vor diesem Engagement war er als COO bei Netcetera tätig. Weitere Karrierestationen waren leitende Positionen bei Helsana, IntraWare und Econis. Der Elektroingenieur HTL und Wirtschafts­inge­nieur FH lancierte seine Karriere als Administrator bei Citibank Switzerland.
Adnovum wurde 1988 gegründet. Das Unternehmen ent­wickelt Individual-Software. Weitere Schwerpunkte sind das Identitäts- und Zugriffsmanagement sowie Security-Beratung. Zu den Kunden zählen Unternehmen aus den Bereichen ­Finanzdienstleistungen, Behörden und der Logistikbranche. Adnovum beschäftigt heute rund 650 Angestellte am Hauptsitz in Zürich und in den Büros in Bern, Budapest, Ho Chi Minh City, Lausanne, Lissabon und Singapur. www.adnovum.com




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