Thin Clients 10.11.2005, 19:18 Uhr

Reif für grosse Aufgaben

Gegen den Branchentrend verdienen die Anbieter von Thin Clients prächtig. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass Server-based Computing seit wenigen Jahren attraktiv geworden ist.
Die Hersteller von Thin Clients verdienen gut. Um mehr als 20 Prozent gestiegene Umsätze und mehr als 30 Prozent Plus bei den Gewinnen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das hat sicher mit einer relativ bescheidenen Basis zu tun: Weltweit wurden im vergangenen Jahr nach Angaben von IDC gerade einmal 1,6 Millionen Thin Clients verkauft. Doch die Marktforscher erwarten für die Jahre bis 2009 Zunahmen zwischen 18 und 26 Prozent. Auch eine Prognose von Gartner stimmt dem zu: «Das Wachstum der Thin-Client-Auslieferungen wird weltweit bis 2006 im Durchschnitt 20 bis 25 Prozent betragen.»
Dieser Erfolg hat mehrere Gründe. Thin Clients sind die logische Folge des «Server-based Computing» (SBC). Nach diesem IT-Konzept liegen auf einem zentralen System alle Applikationen und alle Daten, während auf den Client-Endgeräten idealerweise keine lokalen Speicher und nur eng eingeschränkte Schnittstellen vorhanden sind, um Daten zu exportieren oder zu importieren. Es gibt nach der reinen Lehre keine Möglichkeiten, unter Umgehung des Servers Anwendungen auf den Thin Clients zu starten.

Thin Clients: Reif für grosse Aufgaben

Das unterscheidet Thin Clients von PC. «Personal Computer sind ein offenes Scheunentor», bringt es Andreas Jung, stellvertretender Geschäftsführer des Distributors Esesix, einst Hersteller der inzwischen von Neoware aufgekauften Thin-Client-Reihe Thintune, auf den Punkt. «Ein PC erfordert viel teurere und personell aufwändigere Sicherungsmassnahmen als ein Thin Client.»

Kaum günstiger als PC

Die Anbieter der smarten Endgeräte haben noch mehr Argumente: Das erste heisst Total Cost of Ownership (TCO) - und ist auf den ersten Blick nicht überzeugend. Thin Clients kosten zwischen 200 Euro in der Einstiegsklasse und 550 Euro für ein Modell mit gehobener Ausstattung. «Die Preisunterschiede zwischen PC und Thin Clients sind marginal», gibt unumwunden Wolfgang Stähle zu, General Manager Europa, Naher Osten und Afrika beim Hersteller Wyse.
Gleichwohl argumentieren die Anbieter mit den Kosten, nämlich mit denen über den Betriebszeitraum. Und hier fallen mehrere Faktoren ins Gewicht. «Ein Thin Client hat in etwa die doppelte Lebensdauer eines PC. Thin Clients muss man alle sieben bis acht Jahre ersetzen, PC alle drei bis vier Jahre», erklärt Stähle. Der Grund: Immer leistungshungrigere Software führt bei PCs zu kurzen Erneuerungszyklen.
Ausserdem sind die schlanken Geräte genügsam. «Thin Clients verursachen weniger Stromkosten», argumentiert Wyse-Manager Stähle. «Ein PC verbraucht im Durchschnitt 150 Watt, ein Thin Client liegt bei zehn bis 15 Watt.»
Mit der Zeit rechnet es sich

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Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die schlanken Minicomputer keine Bauteile wie Festplatten, Disketten-, CD- oder DVD-Laufwerke haben. Diese sich bewegenden Komponenten bilden die wichtigste Ausfallursache bei PC. Fehlerhafte Endgeräte bedeuten eine kostspielige Unterbrechung der Arbeitsprozesse und erfordern personellen Einsatz vor Ort. Diesen «Turnschuhsupport» kann man sich bei Thin Clients ersparen.
Damit kommen die Personalkosten ins Spiel. Es ist bedeutend aufwändiger, PC vor Ort mit ständig aktuellem Virenschutz und Firewall zu versorgen, als wenige Server im Hintergrund einer Thin-Client-Umgebung abzuschotten. Der Aufwand für die Server-Administration ist gering, argumentiert Esesix-Manager Jung: «Bei 500 Thin-Client-Anwendern reicht ein Administrator.»
Das wirkt sich auf die TCO-Berechnung aus. «Der Mehrwert eines Thin Clients stellt sich erst in der Amortisationsphase nach dem Kauf ein», stellt Jung klar. Über einen Zeitraum von drei Jahren berechnet, versprechen die Thin-Client-Anbieter Einsparungen zwischen 15 und 30 Prozent gegenüber PC-basierten Umgebungen.

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Anwender bestätigen Erfolge

Dass sich die Einsparungen tatsächlich realisieren lassen, hat wesentlich zum Erfolg von Thin Clients beigetragen. Zuerst waren es einige Grossunternehmen, die diese Endgeräte eingesetzt haben. Inzwischen können die Anbieter auf eine breite Basis von Kunden verweisen und auf deren geringere Kosten. Anwendererfahrungen haben sich herumgesprochen.
Doch vor Illusionen sei gewarnt. «Die Anfangskosten sind da. Das mag den einen oder anderen potenziellen Kunden abschrecken», führt Heiko Gloge, General Manager beim Anbieter Igel, aus und weist auf einen weiteren Aspekt hin: «Die Entscheidung für Server-based Computing bedeutet, in eine neue Architektur zu investieren.» Das kann soweit gehen, dass nicht nur die IT-Abläufe neu gestaltet werden müssen, sondern im Einzelfall ganze Geschäftsprozesse umzustellen sind. Davor schrecken viele IT-Verantwortliche zurück.
Doch auch die Endanwender bremsen die Einführung. «Mein PC» ist mit seinen Ausstattungsmerkmalen Ausdruck für die Rolle und Bedeutung eines Mitarbeiters in einem Unternehmen. «Das psychologische Moment darf nicht unterschätzt werden» warnt Jörg Hesske, General Manager Zent-ral- und Osteuropa beim zweitgrössten deutschen Thin-Client-Anbieter Neoware. Tatsächlich aber seien die Barrieren im Arbeitsalltag bald überwunden.

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Keine Geräte zweiter Klasse

Denn ein Thin Client ist weit entfernt vom dummen grünlich schimmernden Terminal vergangener Tage. An den modernen Endgeräten wird man in typischen Büroanwendungen keinen Leistungsunterschied gegenüber PC registrieren. Hoher Datendurchsatz und brillante Monitorauflösung - allerdings noch ohne Eignung für grafikintensive Anwendungen wie CAD - sind technische Fortschritte, die wesentlich zum derzeitigen Erfolg der Thin Clients beigetragen haben.
Diese technische Entwicklung wird sich fortsetzen. Audio- und Videofähigkeit sind angesagt, ebenso Unterstützung virtueller privater Netze (VPN) und Voice over IP. Im Highend sind die Minirechner Java-fähig und haben einen Browser. Es gibt kabellos arbeitende Endgeräte und Tablet Thin Clients für mobile Anwendungen. Eine auffallende Neuerung ist, dass inzwischen fast alle Thin Clients USB-Schnittstellen haben.

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Gänsehaut wegen USB

Durch die mit USB gebotene Möglichkeit, Daten zu importieren und zu exportieren und sogar Programme auszuführen, werden Puristen des Server-based Computing und sicherheitsbewusste Anwender «eine Gänsehaut bekommen», argwöhnt Esesix-Manager Jung. Die Anbieter sehen sich unter Zugzwang; sie könnten sich schliesslich nicht den Anforderungen der Kunden verschliessen. 70 Prozent der Anwender würden USB verlangen, schätzt Jung.
Die Hersteller reden nicht gern davon, aber Heiko Gloge von Igel bestätigt, dass zumindest theoretisch mit dieser Schnittstelle eine Gefahr verbunden ist: «Im Prinzip kann man über USB an jedes Detail eines Thin Clients heran - solange das vom Administrator freigegeben ist. Aber der hat im Unterschied zu PC-Umgebungen immer den Überblick.» Sämtliche Schnittstellen eines Thin Clients lassen sich bei guten Systemen sehr genau definiert freigeben. Es werden nur Treiber für bestimmte Anschlussgeräte vom Server übermittelt. Mit ihnen gehen Rechte für das Schreiben, Lesen oder Ausführen von Dateien einher.

Administration ist gefordert

Gloge erkennt daher noch keine Gefahr für den Sicherheitsvorteil des Server-based Computing: «Es obliegt einzig und allein dem Administrator, Schnittstellen für spezifische Hardware freizugeben.» Neoware-Manager Hesske pflichtet bei: «Von der USB-Schnittstelle könnte eine Gefahr ausgehen. Aber die meisten Kunden sind sehr restriktiv, weil sie in der PC-Welt schlechte Erfahrungen gesammelt haben.»
Eine andere auffällige neue Technik sind Smartcard-Reader in den Thin Clients. Bisher dienen sie bei den ersten Anwendern vor allem dazu, sich schnell am Gerät an- und wieder abzumelden sowie vielleicht an einem anderen Gerät an gleicher Stelle weiterzuarbeiten. Das hält Esesix-Manager Jung für einen «Missbrauch der hochintelligenten Karten». Die Zukunft heisse PKI, eine Public Key Infrastructure für Zertifikat-basierte sichere Lösungen, deren Aufbau aber noch einige Zeit in Anspruch nehme.

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Immer mehr fürs Geld

Das Wichtige an den technischen Neuerungen ist, dass sie aus Standardkomponenten bestehen, während es früher selbst entwickelte, proprietäre Bausteine der verschiedenen Hersteller waren. Die Massenfertigung schafft Raum für Preissenkungen. Die sind absehbar, und zwar in der Form, dass den Kunden in den bisherigen Preisklassen immer besser ausgestattete Geräte angeboten werden.
Durch Standardkomponenten werden die Angebote der Hersteller, sieht man einmal vom Design ab, in den Leistungsklassen immer ähnlicher. Umso wichtiger wird das Differenzierungsmerkmal Software. Das erste ist das Betriebssystem der Geräte. Weltweit entfallen auf die Microsoft-Umgebungen Windows CE und XP Embedded 70 Prozent und auf Linux gut 30 Prozent. Im deutschsprachigen Raum ist es genau umgekehrt. Um hier besser Fuss fassen zu können, hat Wyse ein Linux-Angebot aufgebaut, während der traditionell Linux-orientierte Anbieter Igel Windows ins Programm genommen hat, weil er offenbar im Ausland reüssieren will.
Angesichts der zunehmenden Betriebssystem-Neutralität der Hersteller ist in den letzten Jahren ein anderer Aspekt zum dominierenden Differenzierungsmerkmal der Hersteller geworden: die Management-Software, mit der die Thin Clients nicht nur mit Updates versorgt, sondern auch die Zugriffsrechte der Anwender auf Applikationen eingerichtet werden. Davon war vor wenigen Jahren überhaupt noch nicht die Rede.
Im Management der Thin Clients besteht für die Hersteller die Herausforderung der Zukunft. Igel-Manager Gloge sieht es so: «Der Fokus liegt heute mehr auf der Software als auf der Hardware. Wer als Anbieter beim Management nicht mitreden kann, wird nicht überleben.» Wenn es so kommt, werden kleine Anbieter vom Markt verschwinden oder sich in neuen Unternehmen zusammenschliessen
Zum Autor: Ludger Schmitz ist Redaktor bei unserer Schwesterpublikation Computerwoche
Ludger Schmitz



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