Computerworld vor 30 Jahren
16.03.2022, 05:57 Uhr
Hardware made in Switzerland
Das Computerjahr 1992 war geprägt vom Preisverfall bei PCs. Mit Hightech-Peripherie liess sich noch gutes Geld verdienen – auch im Hochlohnland Schweiz. Logitech, Wenger Printers und Furrer + Partner bewiesen es.
Preisabschläge von 30 bis 50 Prozent brachten die helvetische EDV-Branche vor 30 Jahren in arge Bedrängnis. Die Anbieter und Wiederverkäufer mussten reihenweise ihre Lagerbestände abschreiben und rutschten in die roten Zahlen. Das frühere Hochpreisland näherte sich zumindest dem europäischen Preisniveau an. Die höhere Nachfrage einerseits und die grössere Verfügbarkeit andererseits führten zum Preisverfall.
Die Schweizer Anbieter stellte diese Entwicklung vor Herausforderungen. Denn die Kunden waren bis anhin auch schon bereit gewesen, viel Geld für IT in die Hand zu nehmen. Die Lager waren prall gefüllt worden, jedoch noch zu den alten, hohen Preisen. Diese waren nicht mehr zu halten und gleichzeitig wuchs die Nachfrage, da Computer für zusätzliche Kundengruppen erschwinglich wurden.
Losgelöst von dieser Entwicklung, verharrten die Preise für neuartige Peripherieprodukte auf – für heutige Verhältnisse – beeindruckendem Niveau. Eine Digitalkamera für 1400 Franken, ein Farbdrucker für fast 14 000 Franken und ein Modem für annähernd 1900 Franken gab es auch aus Schweizer Fertigung.
Fotoman: Vergesslich
Als Schweizer Hardware-Anbieter kommt jedermann als Erstes der Hersteller Logitech in den Sinn. Die Waadtländer wollten 1992 weg vom Image des Mäusespezialisten und hin zum Anbieter von «Senseware», sprich, Hardware für alle Sinne. Anfang Jahr berichtete Computerworld vom neu lancierten «FotoMan». Die ursprünglich von der US-amerikanischen Firma Dycam entwickelte und von Logitech modifizierte Digitalkamera war allerdings «vergesslich». Sie speicherte bis zu 32 Fotos in 256 Graustufen mit einer Auflösung von 376 × 240 Bildpunkten. Betrieben wurde FotoMan durch einen Nickel-Cadmium-Akku, der Energie für maximal 36 Stunden lieferte. Da die Aufnahmen im 1 MB grossen Hauptspeicher abgelegt wurden, drohte bei leerem Akku die Gefahr, die geknipsten Bilder zu verlieren, warnte Computerworld. Um trotzdem eine Kaufempfehlung hinterherzuschicken: «Unsere ersten Erfahrungen zeigen, dass ausser den Einschränkungen durch den beschränkten Akkubetrieb, der FotoMan aufs Einfachste zu bedienen ist und die damit geknipsten Bilder durchaus für mehr als nur das Familienalbum genügen», urteilten die Redaktoren. Ungeachtet des Preisschilds von 1400 Franken, das neben der Kamera auch Kabel, Ladegerät und Software inkludierte.
Der Wettbewerb ging bald darauf los. «Das Ende der analogen Filmfotografie ist angebrochen», behauptete Jaenam Lee von der Schweizer Canon-Vertretung. Sein Unternehmen lancierte Mitte 1992 die Canon Ion RC-560, die immerhin mit einer Auflösung von 795 × 596 Pixeln arbeitete. Anders als bei Logitech wurden die Bilder bei leerem Akkus nicht gelöscht, da sie auf Diskette abgespeichert wurden. Die Canon kostete 6150 Franken, was sie laut Computerworld für «Teilzeitfotografen» wie Versicherungsagenten für ihre Schadensfälle oder Zahnärzte für Prothesen interessant machte. Eine zeitgleich angekündigte Kodak-Lösung war eher für Profis gedacht: Der Farbfilmspezialist hatte einer herkömmlichen Nikon-Spiegelreflexkamera ein elektronisches «Hinterteil» mit CCD-Bildsensoren verpasst, das mit 4 Millionen Punkten auflöste. Es war mit einem 200 MB grossen externen Speicher verbunden, von dem die Bilddaten entweder über einen SCSI-Anschluss direkt an den Mac geleitet oder via Modem über die Telefonleitungen verschickt wurden. Kodaks Rückteil gab es in einer Schwarz-Weiss- oder einer Farb-Version – für 37 000 respektive 43 000 Franken. Auch diese horrenden Preise sollten den Foto-Weltmarktführer jedoch nicht vor der Insolvenz im Jahr 2012 retten. Logitech und Canon gerieten zwar ebenfalls ins Schlingern, konnten sich aber aus eigener Kraft wieder erholen.