Analyse
13.12.2024, 11:34 Uhr
Halbleiterzulieferer in der Warteschleife
Die Kursgewinne von Aktien aus der Halbleiterbranche haben im Jahr 2024 einen Rekord nach dem anderen gebrochen. Etwas anders sieht es bei den Zulieferern für den Sektor aus. Denn der Start des nächsten Booms lässt nach wie vor auf sich warten.
Die Giganten der Branche, allen voran der US-Chipkonzern Nvidia, bestimmen regelmässig das Marktgeschehen. Allein durch die schiere Grösse kommen die Börsen weltweit entweder in Feierlaune oder stürzen ins Tal der Tränen. Händler vergleichen die Ergebnispublikationen von Nvidia mittlerweile von der Brisanz her mit Sitzungen der US-Notenbank.
Tatsächlich ist die Bewertung mittlerweile in beachtliche Höhen gestiegen. So merkte etwa ein Händler an, dass im Nvidia-Kurs jetzt bereits ein Umsatz von über sechs Billionen US-Dollar im Jahr 2040 eingepreist ist - mehr als das erwartete BIP von Japan.
Big Tech investiert weiter in KI
Es fliessen allerdings auch ungebremst hohe Summen grosser Tech-Firmen in die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI), für die dann die neuesten Chips nötig sind. So haben gemäss UBS-Analysten etwa der chinesische Internet-Händler Alibaba oder Tencent, das gern als Facebook von China bezeichnet wird, im Vergleich zum Vorjahr über 160 Prozent mehr investiert. Wohl hauptsächlich in KI, vermuten die Experten.
Und auch in Europa wurde durch den niederländischen Chip-Riesen ASML am Kapitalmarkttag jüngst Optimismus verbreitet. Die Ziele für das Jahr 2030 blieben intakt, der Megatrend in Richtung KI offenbar auch. Die Citigroup merkte dem Management eine deutliche Begeisterung für das KI-Potenzial an, allerdings sei auch eine gewisse Vorsicht nach der Halbierung der Guidance für 2025 im vergangenen Monat zu spüren gewesen.
Auch die Deutsche Bank vermutet, dass der Weg hin zu den ambitionierten Zielen wohl ein deutlich anderer sein dürfte, als sich ASML dies zunächst vorgestellt habe. Denn es sei eben nicht nur alles KI was glänzt für die Branche. Zwar steigen die Investitionen in die neue Technologie, doch hat auch die Tech-Branche nicht unbegrenzte Ressourcen zur Verfügung und entsprechend sinken die Gelder für die anderen Produktgruppen.
Zulieferer warten auf Stück vom Kuchen
Wenn also der Branchenliebling Nvidia sich über verdoppelte Gewinne freut und alle Welt auf KI hofft, müsste doch eigentlich auch die zweite Reihe, nämlich die Zulieferer, brummen vor Begeisterung. Die befinden sich allerdings seit einiger Zeit in der Warteschleife. Und das spiegelt sich auch in den Kursen der jeweiligen Aktien.
Während sich der Nvidia-Kurs seit Jahresbeginn quasi verdreifacht hat, liegen VAT, Inficon, AMS Osram, und Comet teils deutlich unter ihrem Vorjahresschluss beziehungsweise ihren Jahreshöchstkursen.
Denn die meisten Zulieferer belieferten mit ihren Produkten eben nicht nur die KI-Chip-Unternehmen, sondern ihre Sensoren, Vakuumpumpen etc. würden beispielsweise auch in der Automobilindustrie gebraucht. Und da holpert es gerade im grossen deutschen Markt stark.
Die UBS kappte ihre Erwartungen an Halbleiter in der Branche entsprechend zuletzt - getrieben durch sowohl tiefere Produktionen als auch eine längere Korrektur der Lagerbestände. AMS Osram sieht hier erst eine Erholung für die zweite Jahreshälfte 2025.
Zündet Wachstumsphase 2025?
Inficon äussert sich weiterhin grundsätzlich positiv zur künftigen Entwicklung und erwartet den nächsten Wachstumsschub Mitte 2025. Ähnlich klingt es bei VAT, die "sehr zuversichtlich für die Entwicklung 2025 und darüber hinaus" sind. Auch von Comet hören Anleger, dass die langfristigen Wachstumsaussichten intakt seien. Das alles klingt grundsätzlich nicht schlecht, nach akutem Boom aber auch nicht.
Auch Analysten sind abwartend. So habe Inficon am TechDay Mitte November keine kurzfristigen Signale für eine deutliche Beschleunigung der Halbleiter-Endmärkte gesendet, schreibt die UBS. In ruhigen Zeiten würden aber viele Kunden an technologischen Fortschritten sein, um dann als Gewinner im nächsten Zyklus dazustehen - das spreche für die mittelfristigen Aussichten der Inficon-Produktpipeline.
Die Impressionen der Octavian-Analysten von der Semicon-Messe in München klingen auch nicht nach rascher Dynamik. Einige Teilnehmer hätten durchaus ihre Besorgnis mit Blick auf die tiefe Auslastung in der Fertigung geäussert, hiess es da.
Alles in allem ist für die Zulieferer-Branche wohl auch ein weiteres Übergangsjahr nicht auszuschliessen. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens bei den Highflyern der Branche weiterhin die Korken knallen und sich Anleger dort ihr Stück vom Kuchen abholen können.