07.03.2014, 14:14 Uhr

Mit Schweizer Software ins «Internet der Dinge»

Als erstes Schweizer Hightech-Unternehmen nahm «Dizmo» auf Kickstarter über 25 000 Dollar ein. Die Zürcher Softwareschmiede möchte mit modernen Touchscreens Hollywood Realität werden lassen und Vorreiter fürs «Internet der Dinge» sein.
Auf dem Dizmo-Touchscreen können alle Gegenstände abgebildet und benutzt werden, die fürs Web entwickelt wurden
Robert Downey junior ist im Film «Iron Man» nicht nur Superheld, sondern auch Besitzer eines virtuellen Displays, das unzählige Möglichkeiten bietet: Die Zürcher Softwareschmiede Dizmo hat sich zum Ziel gesetzt, Hollywood in die Realität zu holen. Wie im Film sollen auf Touchscreens verschiedenste digitale Objekte – sogenannte «Dizmos» - abgebildet und benutzt werden können. Die Idee scheint Potenzial zu haben, eine erste Finanzierungsrunde für ein in Dizmos-Worten «revolutionäres  User-Interface» übertraf die Erwartungen. Dizmo leitet sich vom englischen Wort «Gizmo» ab, das in etwa «Ding» oder «Dingsbums» bedeutet. Ein digitales Dingsbums also. Ein Dizmo kann entsprechend praktisch alles sein, von Facebook-Kontakten über eine Wetter-App bis zum Schachspiel. «Alles, was fürs Web entwickelt wurde, kann im Dizmo genutzt werden», sagt Matthias Aebi, Gründer und CEO/CTO von Dizmo.

Objekte beliebig kombinieren

Als eine von rund 30 Beispielanwendung hat Aebi mit seinen drei Arbeitskollegen ein virtuelles Schachspiel entwickelt, das auf den Display projiziert wird. Von dort aus können mittels Stift wie im realen Spiel die Figuren bewegt werden. Der Display selbst lässt sich überall hinprojizieren und soll unendlich gross sein (sprich, in sich unendlich dehnbar, die physischen Masse bestimmt der Projektor respektive der Untergrund). Selbstverständlich lässt sich der Display per Internet mit anderen Nutzern teilen. Mit Freunden online Schachspielen gibt es aber schon länger, dafür hätte Aebi nicht seine 30-jährige Erfahrung als Softwareentwickler in die Waagschale werfen müssen. Sein Ziel ist darum wesentlich ambitionierter: er will Treiber für das vielpropagierte «Internet der Dinge» sein. In diesem sollen Gegenstände mittels Sensor intelligent gemacht werden und untereinander kommunizieren. Beispielsweise könnte der Kochtopf dem Alarm «sagen», wann die Spaghetti al dente sind und er sich darum bemerkbar machen soll. Oder ein Sensor an der Klimaanlage lässt diese wissen, wann draussen eine bestimmte Temperatur unterschritten ist und sie ihren Betrieb aufnehmen muss. In Aebis Dizmo sind bisher nur wenige solcher Applikationen vorhanden, diese lassen sich dafür kombinieren. So ist es möglich, auf dem Display ein «QR-Dizmo» an eine andere Anwendung, beispielsweise eine Webseite oder einen digitalen Notizzettel, anzudocken und dafür erhält der Nutzer dann einen passenden QR-Code, der via Handy an Ausgewählte gesendet werden kann. Ebenfalls hat das Dizmo-Gründerteam (bestehend aus 4 Leuten) eine Steuerung für Philips' WLAN-Lampe Hue programmiert. Über das entsprechende Dizmo kann die reale Lampe nicht nur ein-/aus-geschalten werden, sondern kann unter anderem mit einer Wetter-App kombiniert werden. Je nach Aussentemperatur welche die App anzeigt, nimmt die Lampe dann eine andere Farbe an. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Auf Entwickler angewiesen

Auf Entwickler angewiesen

Damit Dizmos Ziel als Vorreiter des «Internet der Dinge» erreicht wird, ist man auf Entwickler angewiesen. Denn nur wenn genügend Applikationen vorhanden sind, kann das Produkt kommerziell Erfolg haben. Ein Kickstarter-Projekt hat in dieser Hinsicht Hoffnung geschürt, die angestrebten 25 000 Dollar wurden um rund 20 000 Dollar übertroffen. «Das Kickstarterprojekt war ein derartiger Erfolg, dass wir bei 150 angemeldeten Entwicklern aufhören mussten», sagt Aebi. «Sonst hätten wir diese in der Beta-Phase nicht genügend supporten können.» Es war das erste Schweizer Techprojekt auf Kickstarter, das die 25 000-Dollar-Marke übertreffen konnte. Ende des Monats wird eine Beta-Version von Dizmo an die Entwickler ausgeliefert, die erfolgreich «gepledged» haben – so nennt Kickstarter den Vorgang, ein Projekt auf ihrer Plattform finanziell zu unterstützen. Die Betaphase dauert drei Monate, Im Juli soll das erste Release für die Öffentlichkeit erscheinen. Dann wird es auch den Dizmo-Shop geben, über den Kunden die für sie interessanten Anwendungen kaufen können. Zum Pricing konnte Aebi noch keine Angaben machen, er plant aber, sich an Entwicklungsstandards zu orientieren. Heisst: Entwickler können ihre Dizmos über den Shop verkaufen, Aebi und seine Kollegen nehmen sich für Idee und Vertrieb einen Anteil.

Ein Mann mit Erfahrung

Wer nun denkt, das Projekt klingt zu futuristisch und ist eines von vielen Kickstarter-Projekten die in Vergessenheit geraten werden, sollte sich mit Aebis Lebenslauf befassen. 1995 gründete er mit «Internet Access» einen der ersten kommerziellen Internetprovider der Schweiz, den er später an diAx (heute Sunrise) verkaufte. 1996 entwickelte er mit Kollegen eine Webmail-Lösung, 2003 ein Tool, das Fotos online verwalten und mit anderen teilen konnte. Beide Produkte floppten– sie waren aber dem Kommerz voraus, an dem sich Jahre später Hotmail, Yahoo oder Flickr goldene Nasen verdienten. Mit der Gründung der Winterthurer futureLAB zeigte Aebi, dass er seine Ideen nach wie vor zu Geld machen kann. Die Firma stellt bis heute Software zur Hausautomatisation für die Digitalstrom-Allianz her. Bei der Arbeit an den seiner Meinung nach sperrigen Interfaces für die Hausautomatisation kam ihm auch die Idee für Dizmo. «Das Smart Home, der Medienkonsum und die persönlichen Daten, Fotos, Rezepte, die Weinsammlung und der Facebook-Nachrichtenstrom, gehören zusammen», fand Aebi vor vier Jahren. Mittlerweile ist die Idee derart gereift, dass er seinen CEO-Job bei futureLAB im letzten Sommer abgeben musste. Er wird es gerne getan haben.





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