Software mit Spassfaktor 19.10.2015, 17:40 Uhr

"Keiner will mehr PowerPoint, ausser Microsoft"

Innovationsguru Donald Farmer will die IT-Welt revolutionieren. Software soll so einfach zu bedienen sein wie Monument Valley. Keiner will dicke Handbücher wälzen oder ein Training absolvieren.
Donald Farmer arbeitet seit 2011 als 'Vice President of Innovation and Design' für die BI-Spezialistin Qlik. Zuvor war er lange Zeit für Microsoft tätig. Für das Design der neuen Analysewerkzeuge hat er sich von Spiele-Designern inspirieren lassen. Für Farmer sind Gamer die besten Analytiker.
Herr Farmer, Sie sind Design- und Innovationsguru bei Qlik, also sicher ein sehr wichtiger Mann. Wie sieht ihre Arbeit aus?
Donald Farmer: Ich beobachte die Trends auf dem Markt sehr genau und versuche dann, drei, fünf, ja sieben Jahre in die Zukunft zu schauen und unsere Produkte weiterzuentwickeln. Wir betreiben Forschung, viel Prototyping zusammen mit Kunden, und wir experimentieren. Das macht einen Riesenspass.
Der Spassfaktor ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Wie schaffen Sie es, dass Anwender mit komplexer Business-Software gerne und produktiver arbeiten?
Farmer: Mit einem einfach gestrickten Frontend lässt sich nicht viel anstellen. Unser Ziel ist es, komplexe Software leicht bedienbar zu machen, also dem Anwender nicht mehr Hürden als nötig in den Weg zu legen, Komplexität so weit wie möglich herauszunehmen. Eine Datenanalyse über eine Vielzahl von Datenquellen – ERP, Cloud, Datenbanken - durchzuführen ist sicher aufwändiger, als ein Excel-Spreadsheet aufzurufen. Aber wir wollen die Bedienung so gestalten, dass der Anwender so unkompliziert wie möglich sein Ziel erreicht.
Früher gab es mal drei Modi, einen Anfänger-Modus, einen für fortgeschrittene Anwender und einen Experten-Modus mit stark erweiterter Funktionalität. Der Anwender konnte wählen, welcher Modus ihm am liebsten ist.
Farmer: Ich gebe ihnen ein Beispiel: Es gibt ein sehr populäres Spiel fürs iPad, das den Apple Design Award gewonnen hat: Monument Valley. Es ist ein sehr schönes und grafisch hochwertiges Spiel, das auf Designvorlagen von M.C. Escher zurückgeht, und es existiert keine Bedienungsanleitung. Man lernt das Spiel, indem man es spielt. Das schwedische Designer-Team Ustwo, das dieses Spiel konzipiert hat, hat uns auch bei der Analyse-Software Qlik Sense geholfen. Die Leute wollen keine dicken Handbücher mit Instruktionen lesen oder ein Training absolvieren. Sie wollen möglichst intuitiv arbeiten. Wir bei Qlik nennen das „progressive disclosure“: Anwender fangen intuitiv an, mit unserer Software zu arbeiten, und je mehr sie lernen, desto komplexer werden auch die Funktionalitäten und Aufgabenstellungen, die sie bewältigen können. Die Game-Designer haben uns mit ihrer Erfahrung sehr geholfen.
Gamification ist ein hochinteressanter Trend. Aber wer professionell mit Business-Software arbeitet, der hat Aufgaben zu erfüllen und Deadlines einzuhalten. Das ist doch schon ein riesiger Unterschied.
Farmer: Ja sicher, als Profi müssen Sie ihren Job schnell und effizient erledigen. Aber mithilfe der Datenanalyse neue Korrelationen zu entdecken und neue Einsichten zu gewinnen, das macht ja Spass. Stellen Sie sich vor, Sie kommen morgens ins Büro und müssen eine Verkaufsanalyse für die Schweiz erstellen. In einigen Städten und Kantonen gingen die Verkäufe steil oben, in anderen haben sie völlig überraschend nachgegeben. Und jetzt versuchen Sie herauszufinden, woran das liegen könnte. Sie begeben sich auf eine Entdeckungsreise und spielen mit den Daten. Das ist keine fest umrissene Aufgabe, sondern eine spielerische Erkundung, die man erlernen muss. Wir brauchen Analyse-Software, die Anwender fesselt wie ein spannendes Spiel, und die sie animiert, auf diese Entdeckungsreise zu gehen.
Kommen Profi-Anwender damit auch schneller ans Ziel?
Farmer: Ganz sicher. Aber sie entdecken auch neue Dinge, an die sie anfangs gar nicht gedacht haben. Sie gewinnen neue Erkenntnisse. Es geht nicht nur darum, seine Aufgaben möglichst schnell zu erledigen, sondern Neues zu entdecken, was für das Unternehmen Mehrwert generiert. Es reicht heute nicht mehr aus, einfach nur seine Ausgaben abzuhaken. Der Extra-Mehrwert ist entscheidend, und es macht Spass, ihn aufzuspüren.
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Mal angesehen vom Spassfaktor und von Gamification, nach welchen designerischen Prinzipien sind Sie vorgegangen? Gibt es da was?
Farmer: Es gibt da viele Dinge, von denen ich drei herausheben will. Das erste Prinzip ist in der Daten-Visualisierung gar nicht so einfach zu realisieren: responsive design. Wir entwerfen ein Design, das auf Geräten mit unterschiedlich grossen Bildschirmen läuft. Wir suchen das optimale Design und die beste User Experience für jeden einzelnen Formfaktor und müssen dafür die Daten auch in unterschiedlicher Weise aufbereiten. Es geht dabei nicht nur um grössere oder kleinere Grafiken, je nach Display-Grösse, sondern auch um Detailreichtum.
Den zweiten Punkt nennen wir „information scent“, also die inneren Verweise der Daten auf weiterführende Informationen. Wir haben das farblich kodiert: Schweizer Verkaufszahlen etwa werden zum Beispiel in grün dargestellt und Schweizer Kunden in weiss. Deutsche Kunden, die nichts mit den Schweizer Abverkäufen zu tun haben, erscheinen in grau. So erkennen Sie auf den ersten Blick, was mit wem zusammenhängt.
Business-Software zeigt in der Regel nur die korrelierenden Daten an, nicht den Kontext. Ein weiteres Beispiel: Ein behandelnder Arzt sieht zum Beispiel seine Patienten (grün) und die Medikamente (weiss), die er verschrieben hat. Er bekommt aber normalerweise nicht die preiswerteren Generika (grau) zu Gesicht, mit denen er seine Patienten auch erfolgreich behandeln könnte. Er klickt also auf die grauen Generika-Einträge und sieht, welche seiner Kollegen diese Alternativmedikamente bereits wem verschrieben haben, und schon ist er mitten drin in der Daten-Entdeckungsreise.
Wie trennen Sie die Spreu vom Weizen? Woran erkennen Sie den wirklich wichtigen Kontext?
Farmer: Genau das ist die Herausforderung. Der Anwender bringt den Kontext mit ein. Wir legen grossen Wert darauf, sehr viele Datenquellen einzubinden. Sie analysieren gerade Daten, die auf dem Firmen-Server liegen, aber die wirklich relevante Information ist zum Beispiel in einem Spreadsheet abgespeichert. Das Budget des Unternehmens ist über den Server zugänglich, aber das Budget meines Teams hat mein Kollege auf seinem Excel-Spreadsheet abgespeichert. Wir haben gerade die isländische Firma Data Market akquiriert, die Daten zum Beispiel über Börsenkurse, Währungsschwankungen, regionale Wettervorhersagen oder nach Alter und Einkommen aufgeschlüsselte Bevölkerungsstatistiken verkauft. Dieser Kontext kann die Umsätze ihres Unternehmens signifikant beeinflussen.
Für einen Getränkelieferanten ist es sicher gut zu wissen, wann er sich auf Hitzeperioden einstellen sollte.
Farmer: Sicher, aber auch Wechselkurse und demographische Daten sind ein wichtiger Kontext für ihr Geschäft. Stellen Sie sich vor, Sie verkaufen auf dem US-Markt, und im bevölkerungsreichen Kalifornien laufen die Geschäfte gar nicht gut, in Montana dagegen ausgezeichnet. Diese Information hilft ihnen nicht weiter, wenn Sie nichts über die Bevölkerungstruktur, also über die potenziellen Käufer dieser beiden sehr unterschiedlichen US-Staaten wissen. Um solche Kontextinformationen geht es.
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Geben Sie den Anwendern eine Art Standard-Kontext an die Hand?
Farmer: Der Anwender trifft die Auswahl, welcher Kontext für seine Aufgabenstellung relevant ist. Aber wir bieten auch sogenannte „curated data sets“, also gepflegte, optimierte Kontextdaten für bestimmte Industrien und Problemstellungen an. Best Practices, die sich bewährt haben, und wir stellen vielversprechende Korrelationen zwischen den Daten-Sets her, entfernen Doubletten, garantieren eine hohe Datenqualität. Anwender, die sich für demographische Daten interessieren, benötigen in der Regel auch die aktuellen Wechselkurse. Wir bieten deshalb beides im Datenbundle an.
Anfangs haben Sie Zukunftstrends kurz angerissen. Wird lange wird virtuelle Realität noch auf sich warten lassen?
Farmer: Das funktioniert teilweise heute schon. Nicht virtuelle Realität, aber „augmented reality“ wird stark an Bedeutung gewinnen. Ein Produktionsleiter kann zum Beispiel mithilfe seines Smartphones die Performance-KPIs einer Maschine einsehen, indem er die Kamera auf die Produktionsmaschine richtet. Die wird identifiziert und die Performance-Daten erscheinen im Display. Bereits heute gibt es Übersetzungssoftware: Sie halten ihre Handy-Kamera auf eine Schriftseite und die Übersetzung wird im Display angezeigt. Stellen Sie sich ähnliche Apps vor, die Daten visualisieren.
Oder: Sie halten ihr Smartphone auf eine Kaffeemaschine und sehen, wie viele Tassen Kaffee die Maschinen in den letzten sechs Monaten ausgeschenkt hat.
Geschäftsleute nutzen aber Business Analytics, um ihre Effizienz zu erhöhen, Abverkäufe zu steigern und um neue Marktchancen vor der Konkurrenz zu identifizieren.
Farmer: Wir leben heute schon in einer Welt aus Daten. In Zukunft werden alle Objekte Daten produzieren. Denken Sie an das Internet der Dinge. Und die Analyse dieser Daten wird zu einer Tätigkeit werden, die jeder jederzeit intuitiv durchführen kann. Der Kontext avanciert zu einer entscheidenden Komponente, um den Nutzwert der Ergebnisse zu erhöhen. Ausserdem benötigen wir Kollaborationswerkzeuge, um gemeinsam an der Auswertung der Daten arbeiten zu können.
Was hebt die Analysetools von Qlik vom Konkurrenzangebot ab?
Farmer: Der Wettbewerb kommt aus zwei Richtungen auf uns zu. Auf der einen Seite haben wir es mit den grossen Konzernen wie SAP oder Oracle zu tun. Unsere agilen Lösungen sind leichter und schneller zu installieren als die Plattformen dieser grossen Konzerne. Die „Time to market“ ist erheblich kürzer. Im Vergleich mit den kleineren Unternehmen, die von der anderen Seite drängen, bieten unsere Lösungen mehr Analyseoptionen. Wir sehen uns als „sweet spot in the middle“ und versuchen, Bedienfreundlichkeit und Funktionsvielfalt optimal zu kombinieren.
Wie lange brauchen unerfahrene Anwender, um relevante Ergebnisse mit Qlik Sense zu produzieren?
Farmer: Wenn es um den Gebrauch geht, ist das eine Sache von Minuten. Ich denke da an Anwendungsszenarien wie Fussball- oder Golfergebnisse zu analysieren. Wenn ihr Chef ihnen den Auftrag gibt, eine bestimmte Datenmenge gezielt auszuwerten, dann brauchen Sie einige Stunden, um brauchbare Resultate zu produzieren.
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Um das auf objektive Füsse zu stellen: Welche Ergebnisse haben ihre User-Tests gebracht?
Farmer: Das wichtigste Ergebnis der Tests war erstaunlicherweise: Es gibt zwei Typen von Anwendern. Der erste will etwas für sich selbst entdecken, der zweite soll Resultate für einen anderen produzieren. Die Grenze verläuft also nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, zwischen Anfängern und Experten. Der erste selbstmotivierte Typ arbeitet mit Hingabe stundenlang an seiner Aufgabenstellung und schreckt auch vor Komplexität nicht zurück. Er ist ein Entdecker (Explorer) und arbeitet für sich selbst. Der zweite User-Typ dagegen will den Job schnell und effizient erledigen und mag es lieber einfach. Er muss seine Recherche-Ergebnisse später anschaulich präsentieren, er ist ein Erklärer (Explainer).
Diese beiden Anwendergruppen haben ganz unterschiedliche Anforderungen. Wir haben unsere Analyse-Software deshalb mit zwei Interfaces ausgestattet, eins für den Explorer, ein zweites für den Explainer mit dem Extra-Feature Storytelling.
Warum für die Präsentation nicht PowerPoint benutzen?
Farmer: Keiner will noch mehr PowerPoint-Präsentationen, ausgenommen Microsoft. Ausserdem muss der Rückgriff auf die Daten während der Präsentation immer gewährleistet sein, um zum Beispiel jederzeit auf Nachfrage tiefer in die Detailanalyse einsteigen zu können. PowerPoint präsentiert ihnen nur Bilder und Grafiken. Wir machen Storytelling mit echten Daten, mit denen Sie auch während des Vortrages arbeiten können.
Verraten Sie uns noch ein wenig mehr über die Zukunftstrends, die da am Horizont aufziehen? Wie wird Business Analytics in fünf Jahren aussehen?
Farmer: Heute setzen laut Gartner etwa 28 Prozent der Business-Anwender Analysetools ein. In fünf Jahren wird das jeder tun und auch tun können. Der Riesentrend heisst Consumerization. Heute analysieren die Menschen ihre Fitness- und Gesundheits-Parameter, und praktizieren damit bereits Data Analytics, ohne es zu wissen. Heute ist es aber noch nicht möglich, zum Beispiel Jogging, Yoga und den Nachtschlaf zu korrelieren. In Zukunft werden wir das tun können und dadurch ganz neue Erkenntnisse gewinnen (Mashing-up of Data). Dazu braucht es zwei Dinge: die richtige Software und die analytischen Fähigkeiten, Daten auszuwerten (data literacy).
Fällt also die Unterscheidung zwischen Fun-User und Business-Profi?
Farmer: Der Data Scientist wird immer der Experte im Umgang mit Datenanalyse-Tools bleiben. Der Business User aber wird das nutzen, was ihm am meisten zusagt. Es ist eine traurige Wahrheit: Wir arbeiten heute im Büro mit schlechterer Technologie als privat in den eigenen vier Wänden. IT-Abteilungen können mit den schnellen Innovationszyklen kaum mehr mithalten, und die Konsequenz wird sein: In fünf Jahren heisst es nicht mehr nur „Bring your own Device“ und „Bring your own App“, sondern „Bring your own everything“. Das wird die Unternehmen fundamental verändern.
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Sie haben Gamification erwähnt. Sind Gamer bei der spielerischen Datenanalyse im Vorteil, weil Sie wichtige Fähigkeiten bereits mitbringen?
Farmer: Ja, ganz sicher. Gamer analysieren ja auch ihre Spielverläufe sehr detailliert und diskutieren die Ergebnisse untereinander. Analyse, Kontext und Kollaboration sind die drei Komponenten für einen nutzenstiftenden Umgang mit Daten. Im Informationszeitalter sind Diskussionen die werthaltigste Form der Arbeit. Denn Unternehmen haben Zugang zu sehr ähnlichen Daten-Sets. Jede Firma kann heute effizient arbeiten. Aber der Mehrwert entsteht durch einen gemeinsamen wertschöpfenden Zugriff auf die Daten. Wer am intelligentesten und kreativsten über seine Daten diskutiert, erzielt am Markt einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Und gute Analyse-Software kann helfen, dieses Ziel zu erreichen.
Wie können Unternehmen Kreativität und Innovation fördern?
Farmer: Einer unserer Kunden hatte zwei Tafeln: Auf der einen stand „Discoveries by value“ und das waren Vorschläge von Daten-Analysten, mit denen die Firma mehr Geld verdienen oder Kosten reduzieren konnte. Es war für alle ein grosses Privileg, namentlich auf dieser Tafel erwähnt zu werden.
Auf der anderen Tafel stand „Discoveries by Coolness“ und dort standen die interessantesten Vorschläge. Ein Kosmetikhersteller fand zum Beispiel heraus, dass der Bestseller der Firma nicht von Frauen gekauft wurde, sondern von Männern, die gerne auf Partys gingen, und das war schon eine sehr coole Entdeckung. Diese beiden Anschlagtafeln sind ein einfaches Mittel, seine Mitarbeiter dazu zu bringen, etwas Neues entdecken zu wollen und eine innovative, entdeckerfreundliche Unternehmenskultur zu fördern.
Aber: Innovation durch Datenanalyse muss man praktizieren. Bei einem Feueralarm warten Sie ja auch nicht, bis die Firma brennt, sondern Sie halten regelmässig Übungen ab. Mit der Analyse der Daten verhält es sich genauso. Warten Sie nicht, bis in ihrem Unternehmen etwas nicht mehr rund läuft, sondern analysieren Sie ihre Daten jeden Tag.



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