13.04.2017, 06:20 Uhr
Plättchen statt Quantenpunkte
Forscher um ETH-Professor David Norris klären anhand eines Modells den generellen Mechanismus, wie sich Nano-Plättchen bilden. Mit Katzengold konnten sie ihre Theorie auch gleich bestätigen.
Die Wissenschaft erforscht seit den 1980er-Jahren farbig leuchtende Quantenpunkte (engl.: Quantum Dots, QDs), und mittlerweile sind diese Nano-Kristalle auch im Alltag angekommen: Die Elektronikindustrie setzt solche in LCD-Fernsehern ein, um die Farbwiedergabe und damit die Bildqualität stark zu verbessern. Quantenpunkte sind kugelförmige Nano-Kristalle aus Halbleitermaterial. Werden diese Kristalle mit Licht angeregt, leuchten sie grün oder rot – je nach ihrer Grösse, die zwischen zwei und acht Nanometern liegt. Die kugeligen Formen lassen sich sehr kontrolliert erzeugen.
Rechteckige hauchdünne Kristalle
Vor wenigen Jahren tauchte mehr oder weniger zufällig eine neue Art von Nano-Kristallen auf dem Radar der Forscher auf: Nano-Plättchen. Diese zweidimensionalen Strukturen sind wie Quantenpunkte nur wenige Nanometer gross, aber von einheitlicher flächiger rechteckiger Form. Sie sind extrem dünn, oft nur wenige Atom-Schichten dick. Diesem Umstand verdanken die Plättchen eine ihrer auffälligsten Eigenschaften: Ihr Leuchten ist extrem rein. Bis jetzt rätselhaft war jedoch, wie die Plättchen entstehen und welche Gesetzmässigkeiten dahinter stehen. ETH-Professor David Norris und sein Team haben das Geheimnis nun gelüftet: «Wir wissen nun, dass es keine magische Formel gibt, um Nanoplättchen zu erzeugen – nur Wissenschaft», betont der Professor für Materialtechnik der ETH Zürich.
In einer soeben in der Fachzeitschrift «Nature Materials» erschienenen Studie zeigen die Forscher anhand von Cadmiumselenid-Nanoplättchen auf, wie diese ihre spezielle flache Form erreichen.
In einer soeben in der Fachzeitschrift «Nature Materials» erschienenen Studie zeigen die Forscher anhand von Cadmiumselenid-Nanoplättchen auf, wie diese ihre spezielle flache Form erreichen.
Wachstum ohne Schablone
Bislang ging die Forschung davon aus, dass es für dieses passgenaue Wachstum eine Art Formvorlage braucht. Wissenschaftler vermuteten eine Art Schablone, die durch Mischung spezieller Ausgangsverbindungen und Lösungsmitteln entsteht, in welchen sie diese flachen Nano-Kristalle erzeugten. Norris und Kollegen konnten jedoch in Experimenten keinen Einfluss solcher Formvorlagen nachweisen – im Gegenteil: Die Plättchen können in einfachen Schmelzen der Ausgangsstoffe Cadmium-Carboxylat und Selen gänzlich ohne Lösungsmittel wachsen. Nächste Seite: Modell durch Experimente bestätigt
Theoretisches Wachstumsmodell erstellt
Aus dieser Erkenntnis entwickelten die Forscher ein theoretisches Modell, mit dem sie das Wachstum der Plättchen simulierten. Dank dieses Modelles zeigen die Wissenschaftler auf, dass sich zuerst spontan ein Kristallisationskern aus wenigen Cadmium- und Selen-Atomen bildet. Dieser Kristallisationskern kann sich wieder auflösen und anders formieren. Hat er jedoch eine kritische Grösse überstiegen, wächst er schliesslich zum Plättchen aus. Aus energetischen Gründen wächst der flache Kristall nur an seiner Schmalseite, und zwar um bis zum Tausendfachen schneller als auf seiner Fläche. Auf dieser Seite ist das Wachstum wesentlich langsamer weil dort mehr mangelhaft gebundene Atome an der Oberfläche vorhanden sind. Um diese zu stabilisieren, wird Energie benötigt.
Modell experimentell bestätigt
Zu guter Letzt konnten die Forscher ihr Modell auch experimentell bestätigen, indem sie im Labor Nano-Plättchen aus Katzengold (Pyrit, FeS2) herstellten. Diese Plättchen liessen sich exakt anhand der Modellvorhersage mit den Ausgangsstoffen Eisen- und Schwefel-Ionen erzeugen. «Dass wir solche Kristalle erstmals auch aus Katzengold schaffen konnten, ist sehr interessant», findet Norris. «Das hat uns gezeigt, dass wir unsere Forschung auf weitere Materialien ausdehnen können.» Cadmium-Selenid gilt zwar als das bestbekannte Halbleitermaterial, mit dem solche Nanokristalle bisher erforscht wurden. Allerdings ist es hochgiftig und daher für den Alltagseinsatz nicht brauchbar. Ein Ziel der Forscher ist es deshalb, Nano-Plättchen aus weniger giftigen oder ungiftigen Substanzen zu erzeugen. Nächste Seite: Zukunftsaussichten
Weitere Entwicklung ist offen
Über das Potenzial der Nano-Plättchen kann Norris derzeit nur spekulieren. Sie seien eine interessante Alternative zu Quantenpunkten, da sie gegenüber diesen mehrere Vorteile böten, sagt er. So können sie Farben wie Grün besser und leuchtender erzeugen. Auch übertragen sie effizienter Energie, was sie für den Einsatz in Solarzellen prädestinieren würde. Und auch für Laser wären solche Plättchen geeignet. Sie haben aber auch Nachteile. Bei Quantenpunkten lässt sich beispielsweise die Farbe stufenlos einstellen, indem Kristalle verschiedener Grösse erzeugt werden. Nicht so bei Plättchen. Deren Farbe ist aufgrund der Schichtung der Atomlagen nur stufenweise verschiebbar. Diese Einschränkung lässt sich aber mit bestimmten «Tricks» mildern: Die Wellenlänge des von den Plättchen abgegebenen Lichts lässt sich durch Verkapselung in ein anderes Halbleitermaterial feiner einstellen. «Nur die Zeit wird es zeigen, ob sich das Interesse der Bildschirm-Industrie für unsere Entdeckung wecken lässt», sagt Norris. Einige Firmen setzen zurzeit organische LED (Oled) ein, andere verwenden Quantenpunkte. Wohin die Technologie sich entwickelt, ist unklar. Die vorliegende Studie ist jedoch eine wichtige Basis, um eine breite Palette von Nano-Plättchen-Materialien untersuchen zu können. «Dies könnte Halbleiter-Nano-Kristallen in Zukunft einen wesentlichen Vorteil verschaffen», so der ETH-Professor.