01.06.2015, 11:43 Uhr
Pionier des Schweizer Internets tritt ab
Professor Bernhard Plattner, einer der «Väter des Schweizer Internets» und ein Pionier der Computernetzwerke, wird Ende Juli 2015 emeritiert.
Professor Bernhard Plattner strahlt Ruhe aus. Er ist offensichtlich im Reinen mit dem, was er geleistet hat und auch damit, dass nun ein neuer Abschnitt in seinem Leben beginnt. 30 Jahre seines Lebens hat er an der ETH Zürich der Erforschung von Computernetzen und des Internets gewidmet, seit 1994 als ordentlicher Professor. Am 1. August wird er offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Pläne für die «Zeit danach» hat er bereits. Und sie haben – zumindest teilweise - nichts mit seiner beruflichen Tätigkeit zu tun. Der Professor für Technische Informatik, der laut eigener Aussage auch privat das Internet intensiv nutzt, will seine Fähigkeiten als Koch verbessern. Damit kehrt er gewissermassen zu seinen Wurzeln zurück. Noch vor seinem Studium der Elektrotechnik an der ETH Zürich verdiente er sich als junger Gymnasiast in den Sommerferien sein erstes Geld als Hilfskoch und stieg bis zum Entremetier auf. Seine Lieblingsspeise: Fischgerichte in allen Variationen inklusive Sushi.
Beantragte Schweizer Internetdomain
Bernhard Plattner, der 1950 in Bern geboren wurde, hat die gesamte Entstehung des Internets erlebt und vor allem in der Schweiz entscheidend mitgeprägt. Bereits 1987 registrierte er die für die Schweiz die Domain .ch. Auch war er aktiv mit dabei, als im selben Jahr Bund und Universitäten die Stiftung «Switch» gründeten; als erster Direktor leitete er interimistisch die Geschäftsstelle der Stiftung.
Der Nutzen im Fokus
«Ende der Achtzigerjahre hat noch niemand an eine kommerzielle Nutzung des Internet gedacht», resümiert er. Damals ging es in erster Linie darum, den Austausch per E-Mail zwischen den Hochschulen und den Zugang der Forscher zu Hochleistungsrechnern zu ermöglichen. Im Gespräch mit Bernhard Plattner zeigt sich schnell, dass es ihm um die Chancen und das Potenzial des Internets geht. Er will wissen, wie dieses «Netz der Netzwerke» funktioniert und wie es noch besser werden kann. Dabei ist ihm die Anwendbarkeit, der Nutzen, sehr wichtig. Das hat Plattner auch all seinen Doktoranden mit auf den Weg gegeben. «Ihre Forschungsarbeiten sollten drei Anforderungen erfüllen: Erstens sollte sie etwas sein, was noch niemand vorher gemacht hat. Zweitens sollten ihre Lösungen besser sein als vergleichbare, frühere Ansätze. Und drittens sollten die Resultate nützlich sein.» Sein Engagement zur Verbreitung des Internets in der Schweiz und vor allem an den Hochschulen war vielseitig. Neben international beachteten Publikationen trugen Programme wie ETH World, das er von 2002 bis 2005 leitete, dazu bei. Im Rahmen von ETH World wurde unter anderem an neuen Lehrmethoden und an Ansätzen für die Zusammenarbeit bei räumlicher Trennung – «virtual presence» – gearbeitet. Entwickelt wurde auch ein Internettelefonie-Dienst für ETH-Angehörige, der jedoch Ende 2013 eingestellt wurde. Plattner selbst zählt zu den Vorreitern im Bereich Internettelefonie. «Ich habe schon seit 2002 kein Festnetz mehr und telefoniere seitdem nur übers Internet.» Einzig von sozialen Netzwerken hält er sich fern. Als Hauptgrund nennt er den Faktor Zeit, meint aber, dass es auch eine Generationsfrage sein könnte. Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Bernhard Plattner von der Zukunft erwartet.
Erwartungen an die Zukunft des Internet
Für die Zukunft erwartet Bernhard Plattner ein immer stärkeres Verschmelzen der virtuellen mit der realen Welt. Dazu gehört für ihn zum Beispiel, dass ein Auto nach einem Unfall selbständig Polizei und Rettungswagen alarmiert oder dass ein Smartphone nach einem Lawinenniedergang einen Notruf absetzt – so wie es die vom ETH Spin-Off «Uepaa Swiss Alpine Technology» entwickelte App kann.
Aus Plattners Sicht sind künftig aber auch grundsätzliche Neuerungen im Netz notwendig. «Es steht eine Renovation des Internets selbst an, denn die Basistechnik ist mittlerweile 30 Jahre alt.» Entsprechend forschen die Wissenschaftler am Institut für Technische Informatik und Kommunikationsnetze (TIK), das er gemeinsam mit Professor Albert Kündig 1990 gründete, an der Frage, wie sich die Steuerung des Internets verbessern lassen könnte. Das Stichwort lautet «Software Defined Network» (SDN). Diese neue Technologie hat zum Ziel, das Internet durch eine bessere Koordination effizienter zu verwalten. Offen ist bislang vor allem die Frage, wo und wie die Koordination stattfinden soll und inwieweit das die Sicherheit des Netzes beeinflusst. Generell sieht der Professor für Technische Informatik den Schutz der Privatsphäre als weiteres wichtiges Thema. Er rate all seinen Studierenden stets zu einer gesunden Vorsicht bei der Nutzung des World Wide Web. Übertrieben ängstlich solle man aber auch nicht sein, fügt er hinzu. «Jede neue Technologie hat positive und negative Seiten – das ist unvermeidbar.»
Seine Anliegen leben weiter
Um den Fortgang der Forschung an seinem Institut, das zum Departement für Informationstechnologie und Elektrotechnik gehört, macht Plattner sich keine Sorgen. Er weiss, es wird auch ohne ihn weiterbestehen. Laurent Vanbever, seit Januar 2015 Assistenzprofessor an der ETH, wird die Forschung in diesem Fachgebiet weiterführen. Und auch sonst werden Plattners Ideen weiterleben. So meint er denn mit einem leichten Schmunzeln: Es habe vielleicht nicht für den Nobelpreis gereicht, doch dafür habe er 52 Doktoranden promoviert und 300 bis 400 Masterstudierende begleitet. «Dies ist» – und das sagt er aus tiefer Überzeugung und mit gewissem Stolz – «die bedeutendste Wirkung, die man als Professor erreichen kann.»