13.10.2016, 14:30 Uhr
Mitarbeiter zunehmend zynisch
Jeder vierte Arbeitnehmer betrachtet Versprechen seitens des Unternehmens als gebrochen, die Konsequenz daraus ist Zynismus.
Für jeden dritten Schweizer Arbeitnehmer ist die Beziehung zum Chef und zu den Arbeitskollegen unbefriedigend, jeder Vierte betrachtet Versprechen seitens des Unternehmens als gebrochen. Das geht aus dem diesjährigen Schweizer HR-Barometer von ETH und Uni Zürich hervor, dass sich dem Schwerpunktthema «Loyalität und Zynismus» widmet.
Zwar sei es um die Loyalität der Angestellten grundsätzlich gut bestellt, sagt Studienautor Prof. Bruno Staffelbach vom Lehrstuhl für Human Ressource Management an der Universität Zürich, denn 54 Prozent fühlen sich emotional mit dem Arbeitgeber verbunden. 16 Prozent allerdings überlegen, ihre Stelle zu kündigen und der Anteil der resignativ-zufriedenen Beschäftigten ist weiter gestiegen. 30 Prozent sind also nur deshalb mit ihrer Arbeit zufrieden, weil sie ihre Ansprüche an diese gesenkt haben. Auch die Diskrepanz zwischen Erwartungen und Angeboten, vor allem hinsichtlich Lohn und Entwicklungsmöglichkeiten, hat zugenommen.
Zynismus nimmt zu
Als Folge daraus ist trotz wachsender Loyalität der Zynismus inzwischen weit verbreitet: 60 Prozent der Mitarbeitenden zeigen heute zynisches Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber. Das kann sich beispielsweise in missbilligenden Äusserungen oder spöttischen, höhnischen Bemerkungen widerspiegeln. Zum Beispiel wenn ein Mitarbeiter mit den Entscheidungen des Managements, etwa bei Einsparungsmassnahmen, nicht einverstanden ist. In solchen Fällen können sich Mitarbeiter vom Unternehmen distanzieren oder gart schlecht über das Unternehmen reden. Je unfairer die Austauschbeziehungen wahrgenommen werden, desto schwächer die emotionale Verbundenheit mit dem Unternehmen und so höher die Kündigungsabsicht.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Langfristige Schäden fürs Unternehmen Je mehr das eine gesagt, dann aber nicht getan wird, umso mehr wird die Integrität der Firma in Zweifel gezogen. Auch Ärger und Angst werden mit Zynismus assoziiert. Junge Mitarbeitende haben öfter zynische Gedanken hinsichtlich ihres Unternehmens als ältere. Ansonsten gibt es keine Unterschiede. Weder die Karriereorientierung, noch die berufliche Stellung oder das Geschlecht spielen eine Rolle.
Schaden fürs Unternehmen
Zynische Mitarbeiter schädigen längerfristig das Ansehen eines Unternehmens. Sie schaden sich aber auch selbst, da die Arbeitszufriedenheit sinkt und die Leistung abfällt. «Angestellte, die ihren Arbeitgeber als loyal wahrnehmen, habe eine höhere Bleibemotivation und sind auch weniger zynisch», erklärt Studienautorin Prof. Gudela Grote von der ETH. Zudem entwickelt derjenige eher zynische Tendenzen, der befürchtet, seinen Arbeitsplatz bald zu verlieren. Die Arbeitsplatzunsicherheit spielt also eine tragende Rolle. Unternehmen sollten daher die finanzielle Absicherung, vor allem aber die Arbeitsmarktfähigkeit der Betroffenen fördern, empfehlen die Studienautoren. Bereits bei der Einstellung müssen realistische Erwartungen bezüglich des späteren Jobs geschaffen werden.
Themen im Zusammenhang mit systematischer Laufbahnplanung wie Mentoring und Karrieregespräche werden in vielen Unternehmen jedoch noch immer stark vernachlässigt. In den Genuss von Laufbahngesprächen kommt nur jeder Dritte, Coaching- und Mentoring-Angebote gibts gar nur für jeden Zehnten. Auch die Möglichkeit zur Partizipation für Schweizer Beschäftigte ist seit 2010 immer weiter rückläufig. Fühlen sich Beschäftigte direkt in den Prozess der Arbeitsgestaltung eingebunden, sind sie loyaler und zeigen weniger zynisches Verhalten. Trotzallem ist das Vertrauen in den Arbeitgeber konstant hoch: Drei Viertel vertrauen ihm, 17 Prozent teilweise und nur 9 Prozent bringen dem Arbeitgeber überhaupt kein Vertrauen entgegen.
Aufschwung für Sicherheitsorientierung
Sowohl die traditionell-aufstiegsorientierte als auch die sicherheitsorientierte Karriereausrichtung haben 2016 wieder einen Aufschwung erlebt. Die Eigenverantwortung für ihre Laufbahn wollen aber immer weniger wahrnehmen. Diese Ergebnisse passen zu der negativen Entwicklung der wahrgenommenen Arbeitsmarktfähigkeit. Die Chancen, auf dem Markt wieder eine Stelle zu finden, werden viel pessimistischer eingeschätzt als in den Vorjahren. Und: Immer mehr fürchten sich vor einer Zunahme der Arbeitsbelastung. Zwar erwartet keiner vom Arbeitgeber, dass dieser die Karriere für ihn plant, die meisten wünschen sich jedoch, lang im Unternehmen bleiben zu dürfen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Mit Unsicherheiten umgehen lernen Die Notwendigkeit, mit Unsicherheiten umzugehen und diese womöglich für sich zu nutzen, wird von den Wenigsten wahrgenommen. Will ein Unternehmen eigenverantwortliche Karrieren stärken, tut es allerdings gut daran, sich an den Laufbahnmöglichkeiten und -bedürfnissen der Mitarbeiter zu orientieren, anstatt Massnahmen zu ergreifen, die vorrangig den Unternehmensinteressen dienen. Beschäftige mangels Alternativen in unzureichenden Arbeitssituationen zu belassen ist der falsche Weg. Stattdessen gilt es Kompetenzen im Umgang mit Unsicherheit zu stärken und loyale Arbeitsbeziehungen aus einer offenen, selbstsicheren Haltung wachsen zu lassen.
Das Schweizer HR-Barometer erfasst, wie Angestellte in der Schweiz ihre Arbeitssituation erleben. Für das Barometer 2016 wurden 1506 Angestellte in der ganzen Schweiz, basierend auf dem Stichprobenregister des Bundesamtes für Statistik, befragt.
Das Schweizer HR-Barometer erfasst, wie Angestellte in der Schweiz ihre Arbeitssituation erleben. Für das Barometer 2016 wurden 1506 Angestellte in der ganzen Schweiz, basierend auf dem Stichprobenregister des Bundesamtes für Statistik, befragt.