06.04.2015, 06:00 Uhr
«Ich kann den Frust des Hotelgewerbes verstehen»
Die webbasierte Privatzimmervermittlung Airbnb gilt als Paradebeispiel eines «Disruptive Enterprise». Computerworld sprach am Worldwebforum in Zürich mit Airbnb-Regionalmanager Christopher Cederskog über künftige Pläne.
Computerworld: Sie sind in Berlin zu Hause. Wo haben Sie eigentlich heute übernachtet?
Christopher Cederskog: Ich habe natürlich in einem Airbnbübernachtet. Mein Zimmer war in einer Superwohnung mit Hammerdachterrasse und nur sechs Gehminuten vom Veranstaltungsort entfernt. Auch unser Gastgeber war grossartig, ein richtiger Schweizer Outdoor-Typ, der jetzt gerade irgendwo in den Bergen Skifahren ist.
CW: Airbnb ist ja als Couchsurf-Portal gestartet. Warum sind Sie im Vergleich zu anderen Plattformen so viel erfolgreicher?
Cederskog: Wir kümmern uns sehr um das Vertrauen und die Sicherheit von Gast und Gastgeber, auch mithilfe der Technik. So haben wir mehr als 40 Sicherheits-Features auf der Seite. Unsere Plattform fokussiert extrem auf eine einfache Transaktion, was die Buchung und die Zahlungsabwicklung betrifft. Der Gast zahlt direkt über Airbnb, und wir zahlen den Betrag erst 24 Stunden nach der Anreise an den Gastgeber aus. Damit stellen wir beide Parteien zufrieden. Der Gastgeber erhält also sein Geld erst, wenn die Unterkunft dem entspricht, was der Gast erwartet hat. Der Gastgeber andererseits kann sicher sein, dass er bezahlt wird.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bewertung. Nach jeder Buchung bewerten sich Gast und Gastgeber gegenseitig. Auch als Gast kann ich mich somit nicht daneben benehmen, sonst erhalte ich schlechte Bewertungen und bekomme die nächste Unterkunft möglicherweise nicht mehr. Schliesslich haben wir technisch viel in unseren Suchalgorithmus gesteckt. Ein Beispiel: In Paris gibt es auf Airbnb mehr als 40000 Unterkünfte. Die Webseite zeigt dem Nutzer aber erstmal nur 20 bis 30 Vorschläge. Das ist technisch nicht trivial, da sich das Ergebnis laufend ändert, denn die Unterkünfte könnten inzwischen schon gebucht sein.
CW: Können Sie noch etwas mehr zu den Such- und Filtertechniken sagen?
Cederskog: Interessanterweise sind hier unter anderem auch Low-Tech-Verfahren am Werk. So haben wir festgestellt, dass Europäer und Amerikaner sehr stark über die Suche funktionieren, also etwa eine Destination in das entsprechende Feld eintippen. In Asien begibt man sich dagegen eher über eine Baumstruktur auf eine Entdeckungsreise. Wir müssen hier also beides bieten können. Im Hintergrund ähneln sich die Filtervorgänge dann, sie richten sich nach Preis, Grösse, Ausstattungsmerkmalen und Verfügbarkeit der Unterkünfte. Zudem versuchen wir immer stärker, die sozialen Präferenzen der Gastgeber zu berücksichtigen. Es gibt nämlich Leute, die sind sehr spontan und akzeptieren Gäste auch kurzfristig, andere planen lieber etwas längerfristig. Um diese Vorlieben gewichten zu können, setzen wir Analytics-Techniken ein.
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CW: Derzeit kommen Sie ja der Hotellerie mächtig in die Quere, so müssen die Airbnb-Vermieter weniger Auflagen erfüllen, etwa beim Feuerschutz. Zudem wird oft keine Kurtaxe entrichtet. Wie stellen Sie sich dieser Kritik von Seiten des Gastgewerbes?
Cederskog: Erst einmal möchte ich festhalten: Die Sicherheit und das Vertrauen unserer Nutzer hat für uns oberste Priorität. Aus unserer Sicht ist es aber etwas übertrieben, dass jemand, der gelegentlich seinen privaten Wohnsitz oder ein Zimmer vermietet – und das sind die meisten Angebote auf Airbnb – mehrere Fluchtwege angeben muss, also genau die gleichen Vorschriften wie ein Hotel mit 400 Zimmern erfüllen soll. Allerdings kann ich schon den Frust des Hotelgewerbes über die extrem hohe Regulierung verstehen, denn unserer Meinung nach ist das Gastgewerbe eher zu stark als zu wenig reguliert.
Was die Kurtaxe und andere steuerlichen Abgaben anbelangt, so fordern wir unsere Gastgeber auf, diese zu zahlen. Wir haben beispielsweise mit der Stadt Bern eng zusammengearbeitet, um die neuen Regelungen bezüglich der dortigen Kurtaxe unseren Mitgliedern zu kommunizieren. Wir sind also sehr darauf bedacht, dass alle anfallenden Steuern bezahlt werden.
Was die Kurtaxe und andere steuerlichen Abgaben anbelangt, so fordern wir unsere Gastgeber auf, diese zu zahlen. Wir haben beispielsweise mit der Stadt Bern eng zusammengearbeitet, um die neuen Regelungen bezüglich der dortigen Kurtaxe unseren Mitgliedern zu kommunizieren. Wir sind also sehr darauf bedacht, dass alle anfallenden Steuern bezahlt werden.
CW: Was sind die nächsten Schritte bei Airbnb? Planen Sie, das Angebot um weitere «Reiseelemente» zu erweitern?
Cederskog: Bei uns stehen derzeit vor allem zwei Dinge im Vordergrund: Wir wollen das Kernerlebnis auf Airbnb stetig verbessern, so haben wir zum Beispiel neue Gastgeberstandards eingeführt, die wir auch immer stärker kommunizieren. Daneben wollen wir in der Zukunft das gesamte Reiseerlebnis erweitern, etwa indem wir unsere skalierbaren Technologien, sprich unser Gastgebernetz und die Community, auf verschiedene weitere Bereiche ausdehnen. Denn bislang ist es vielerorts immer noch so, dass man zwar via Airbnb-Gastgeber in die Kultur einer Stadt eintauchen kann, sich aber trotzdem noch in einen Tourbus mit Stadtrundfahrt setzen und Erklärungen vom Band anhören muss. Das passt für uns noch nicht richtig zusammen. Was ich allerdings nicht glaube, ist, dass wir bald auch Autos vermieten.
CW: Sie wollen also eine Art soziales Netz installieren, das dann beispielsweise Reiseführer vermittelt?
Cederskog: Das ist sicher eine Möglichkeit, Konkretes können wir dazu jedoch noch nicht sagen. Unser Ziel ist es jedenfalls, dass der Gast nicht aussen steht, sondern in die Kultur und Lebensweise eines Ortes eintauchen kann. Dabei ist ein Netz von lokalen Stadtführern, die vielleicht nur ganz partikulare Kenntnisse haben, eine Variante, auf persönliche Weise eine Stadt oder Region näher zu bringen. Ein solcher Guide könnte etwa nur sein Viertel zeigen wollen oder gewisses kulturelles Know-how besitzen.
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CW: Inwiefern hat sich Airbnb technisch weiterentwickelt?
Cederskog: Wir feilen zum einen weiter an unseren Basistechniken. Neben der Suche, die wir angesichts des grossen Wachstums der Site laufend optimieren müssen, haben wir eine neue mobile Seite gelauncht, die sehr viel einfacher zu bedienen ist. Denn wir haben festgestellt, dass viele Nutzer die Geräte oft wechseln. Sie sitzen mal vor dem PC, dann surfen sie wieder von unterwegs mit dem Smartphone unsere Seite an.
CW: Inzwischen sind Sie ja auch weltweit tätig und in zum Teil sehr exotischen Ländern präsent. Wie gehen Sie eigentlich mit den kulturellen Unterschieden um? Schliesslich sind die Konzepte von Gastfreundschaft, Geselligkeit und Privatsphäre nicht überall gleich.
Cederskog: In vielen Bereichen sehen wir gar nicht so grosse Unterschiede. Der grundlegende zwischenmenschliche Umgang ist trotz der kulturellen Unterschiede sehr ähnlich. Es kommt aber immer wieder zu Kommunikationsproblemen, die wir zu lösen versuchen, beispielsweise durch die Verwendung von Google Translate. Umgekehrt ist gerade die kulturelle Vielfalt ein wichtiger Aspekt und Teil des Charmes, den Airbnb auszeichnet. Wer also weltweit dasselbe standardisierte Reiseangebot sucht, wird bei uns nicht glücklich. Vielmehr ist gerade diese individuelle Note von Gastgebern und Gästen sowie der Austausch Teil des Konzepts. Es gibt beispielsweise Familien mit Kindern, die an Gäste aus aller Welt ein Zimmer vermieten, nur damit ihre Kinder mit den verschiedensten Kulturen der Welt in Kontakt kommen.
Zur Person
Christopher Cederskog ist seit Januar 2014 Regional Manager Germany, Central & South Eastern Europe bei Airbnb in Berlin. Das 2008 in San Francisco gegründete Unternehmen betreibt eine Vermittlungsplattform für alternative Übernachtungen in privaten Unterkünften weltweit. Zuvor hatte er als Partner und Managing Director des Inkubators Springstar bereits entscheidend an der Etablierung von Airbnb auf dem deutschen Markt mitgewirkt.