08.08.2006, 11:11 Uhr

Fehllizenzierung mit Folgen

Unnötig gebundenes Kapital, überflüssige Kosten und sogar strafrechtliche Konsequenzen drohen, wenn ein Unternehmen nicht korrekt lizenziert ist. Die Lösung: Ein systematisches Lizenzmanagement.
Reiner Hirschberg ist Experte für Lizenzmanagement bei der Usedsoft mit Sitz in Zug. www.usedsoft.com
Microsoft geht davon aus, dass bei 95 Prozent der mittelständischen Unternehmen die Anzahl der genutzten Lizenzen nicht mit den tatsächlich erworbenen Nutzungsrechten übereinstimmt. Und auch wenn niemand die genauen Zahlen kennt, so ist man sich doch in einem Punkt einig: Die Anzahl der Firmen, in denen -Lizenzkonformität herrscht, ist gering. Eine Tatsache, die insbesondere vor dem Hintergrund der schwerwiegenden Konsequenzen verwundert, die sich aus einer Fehllizenzierung ergeben. Im besten Fall führt diese «nur» zu vergeudetem Kapital, das in nicht benötigte Lizenzen und deren Wartungskosten investiert wird. Obwohl ansonsten straff kalkuliert wird, schleppt ein Grossteil der Firmen solche unnötigen Kosten mit sich herum: 80 Prozent aller Unternehmen sind laut einer Gartner-Studie überlizenziert.

Noch weit gravierendere Folgen aber kann der umgekehrte Fall nach sich ziehen. Werden in einem Unternehmen mehr Lizenzen verwendet, als tatsächlich erworben wurden, so gilt dies als Vervielfältigung eines geschützten Werkes ohne Einwilligung des Rechteinhabers. Bei einem solchen Verstoss gegen das Urheberrecht drohen empfindliche Geldbussen und strafrechtliche Konsequenzen.

Zentrale Beschaffung

Um diesen Risiken aus dem Weg zu gehen, ist ein umfassendes wie konsequentes
Lizenzmanagement erforderlich. Hierfür müssen zunächst die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden, die eine unstrukturierte und nur kurzfristig bedarfsorientierte Auswahl und Beschaffung zuverlässig unterbinden. Als Basis hierfür dienen zum einen genaue Richtlinien, die unternehmensweit den Einkauf und die Nutzung von Software verbindlich festschreiben, zum anderen klar verteilte Kompetenzen. Nur eine zentral organisierte Beschaffung ermöglicht es, jeden Einkauf in die IT-Gesamtstrategie einzubinden und überflüssige Neuanschaffungen zu vermeiden. In einem weiteren Schritt muss sämtliche vorhandene Software inventarisiert werden, ebenso jegliche Lizenzen, die das Unternehmen jemals erworben hat. Dabei reicht eine einfache Auflistung bei weitem nicht aus. Jede Lizenz muss mit all ihren Besonderheiten zu der jeweiligen Version und den speziellen Nutzungsbedingungen erfasst werden. Auf Grundlage dieser Daten ist ein ständiger, präziser Abgleich zwischen der tatsächlich genutzten Software und den erworbenen Lizenzen möglich. Entscheidend ist die permanente Aktualisierung des Inventars. Denn nur wenn die Datenbasis vollständig und auf dem neusten Stand ist, kann zweifelsfrei entschieden werden, ob der Einkauf einer neuen Lizenz tatsächlich notwendig ist oder überflüssige Lizenzen vorhanden sind.
Nach dem Abgleich gilt es dann, entsprechend der gewonnenen Erkenntnisse zu reagieren. Wie soll beispielsweise im Fall einer Überlizenzierung mit den nicht benötigten Lizenzen verfahren werden? Natürlich stellt ein Überschuss zweifellos den angenehmeren Fall einer Fehllizenzierung dar. Aber auch ungenutzte Lizenzen, vor allem unentdeckte, schaden dem Unternehmen. Auf der einen Seite wird Kapital gebunden, das in der Regel an anderer Stelle gebraucht würde. Zusätzlich werden auch für ungenutzte Lizenzen oft unnötige Wartungskosten bezahlt, die Jahr für Jahr mit 15 bis 25 Prozent des Einkaufspreises zu Buche schlagen. Langfristig werden so immense Kosten verursacht.

Gebrauchtmarkt nutzen

Eine Option ist die sofortige Kündigung der Wartungsverträge mit den jeweiligen Herstellern. Das löst jedoch immer noch nicht das Problem des unnötig gebundenen Kapitals. Eine andere Alternative ist der Markt für Gebrauchtsoftware, der sich mittlerweile auch in der Schweiz als feste Grösse etabliert hat. Händler kaufen hierzu Lizenzen von Unternehmen auf, die diese nach Systemumstellungen, Umstrukturierungen oder auch Insolvenzen nicht mehr benötigen. Der Preisvorteil dieser bereits verwendeten Lizenzen liegt bei 25 bis 50 Prozent. Rechtliche Basis für den Handel mit Gebrauchtsoftware bildet der im Schweizer Rechtssystem verankerte so genannte Erschöpfungsgrundsatz: Demnach erschöpft sich das Recht eines Herstellers an seinem Produkt, sobald dieses einmal mit seiner Zustimmung veräussert wurde. Das Schweizer Urheberrechtsgesetz (URG) verweist explizit darauf, dass sich dieser Grundsatz auch auf Computerprogramme bezieht. Diese können demnach wie jede andere Ware auch weiter veräussert werden, nachdem sie einmal rechtmässig erworben wurden.



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