Palastgeschichten
21.12.2011, 07:34 Uhr
CIO im Badrutt's Palace
CIO ist nicht gleich CIO. Wie der Arbeitsplatz eines IT-Chefs auch aussehen kann, zeigt unser Porträt von Stefan Zimmermann, CIO im Badrutt's Palace Hotel und Anlaufstelle für die Reichen und Schönen.
«Die meisten denken, die IT kostet nur Geld. In unserem Haus wird sie aber als Business Enabler gesehen, um das Geschäft voranzutreiben und Services zu verbessern», Stefan Zimmermann
Wenn Stefan Zimmermann nach einem langen Arbeitstag nach Hause geht, hat er zwar offiziell Feierabend, doch sein Dienst ist damit nicht wirklich beendet. Zimmermann hat – wenn man so will – 365 Tage, 24 Stunden am Tag Dienst. Denn Zimmermann ist IT-Chef im Badrutt's Palace Hotel in St. Moritz, der Top-Adresse für die Reichen und Schönen. Der fast Zweimeter-Mann, ist nach acht Jahren als Sanitätsfeldwebel bei der Bundeswehr und einer anschliessenden Laufbahn im Rettungsdienst beim Deutschen Roten Kreuz aus Freiburg nach St. Moritz beordert worden – und als Quereinsteiger an eine IT-Stelle der ganz besonderen Art geraten. Eine Stelle, von der er so schnell auch nicht mehr weg will. Denn Zimmermann arbeitet an einem der schönsten Orte, die man sich vorstellen kann. In einem Ambiente, das Otto-Normal-Verbraucher nur aus TV-Formaten wie «Glanz & Gloria» oder «Stars & Stories» bekannt sein dürfte.
Allzeit bereit
Immer einsatzbereit zu sein, das kennt der IT-Leiter noch von seiner Zeit beim Deutschen Roten Kreuz. Trotzdem war es für den Baden-Württemberger eine nicht ganz einfache Umstellung, in die Hotellerie mit ihren Besonderheiten zu wechseln. «Das war ein lernintensiver Prozess», sagt er, «aber die Arbeit macht enorm Spass.» Kein Tag ist wie der andere, denn die Gäste stellen den IT-Chef immer wieder vor fast unlösbare Herausforderungen. Fast! Denn: «Geht nicht, gibts nicht», sagt Zimmermann – und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Egal, ob um Mitternacht der defekte BlackBerry eines Ölscheichs ausgetauscht, eine Kamera zur Baby-Überwachung installiert, schnurstracks eine Videokonferenz auf die Beine gestellt oder für eine Königsfamilie innerhalb von zwei Tagen ein Grossformatdrucker von Canon beschafft werden muss, weil die königlichen Gäste ihre Tageszeitungen im A3-Format in Farbe ausdrucken wollen. Zimmermann macht es möglich, wenn auch oft mit Schweissperlen auf der Stirn. Er ist allzeit zur Stelle, er schafft Material heran und repariert, er koordiniert und erklärt. Immer unter Zeitdruck, immer mit Stil und Engelsgeduld. «Königsfamilien sind eine besondere Herausforderung», sagt er und rückt seine Arbeitskleidung, Anzug und Krawatte (Silvester herrscht Smoking-Pflicht) zurecht. «Die kommen mit einem eigenen Kommunikationsbüro und gern auch mit dem persönlichen Communication Officer.» Dann werden kurzfristig normale Hotelzimmer in «Kommandozentralen» verwandelt und mit den modernsten Kommunikationsmitteln ausgestattet. Nächste Seite: Rundumüberwachung
Obwohl im Badrutt's Palace von normal eher nicht die Rede sein kann. Jedes der 135 Zimmer und die 35 Suiten im 1896 eröffneten Luxushotel ist individuell eingerichtet und lässt kaum Wünsche offen. So individuell wie die Zimmer und deren Preise (zwischen 460 und 19'000 Franken pro Nacht), sind auch die Gäste. Und so selbstverständlich wie Limousinen- oder Butler-Service wird auch der IT-Service – kostenlos, versteht sich – geboten. Während Zimmermann auf seinem Smartphone um 10:46 Uhr seine zweite Support-Anfrage dieses Tages checkt (eine Rechnung wird im Reservierungssystem falsch angezeigt), wird er von einer älteren Dame im Chanel-Kostüm für den Abend zwecks E-Mail-Versend-Hilfsdienst aufs Zimmer bestellt. Wieder kein pünktlicher Feierabend für den IT-Manager, aber er lächelt zuversichtlich, während die Dame entschwindet und vom Torbogen auf der anderen Strassenseite in leuchtenden Lettern der Satz «happyness is expensive» zu uns herüberstrahlt.
Rundumüberwachung
Doch der IT-Service für die Gäste macht nur einen Bruchteil von Zimmermanns Tätigkeit aus. Er und sein Assistent sind Herrscher über das interne Hotelnetzwerk, 27 virtuelle und 2 physische Server, 130 Arbeitsplätze und 50 Drucker in allen Hotelbereichen. Hinzu kommen die 52 Kameras der Videoüberwachung an kritischen Stellen wie Notausgängen oder dem Weinkeller, 57 Kassensysteme in 7 Restaurants, Bars, am Pool, im Spa-Bereich und im Weinkeller sowie das kostenlose WLAN in den Zimmern der Gäste und in der Personalkantine. Das alles gilt es zu überwachen und zu warten. Neben der Überwachung am Monitor gehört aber auch die tägliche physische Kontrolle dazu: «Sich blindlings auf eine Monitoranzeige zu verlassen, das wäre das Schlimmste», weiss Zimmermann. Und zu kontrollieren gibt es in einem riesigen Haus wie dem Badrutt's Palace jede Menge. Selbst die Garderobe vor einem der Konferenzräume und die hoteleigene Müllverbrennungsanlage sind IT-getrieben. Nur für die Telefonanlage ist noch der Technische Dienst verantwortlich, aber auch diese Dinge rutschen, beispielsweise durch Technologien wie Voice over IP (VoIP), immer mehr in die IT hinüber, meint Zimmermann. Aber: «Nicht alles, was gelobt wird und neu ist, ist auch gut», sagt der IT-Chef. «Der technische Fortschritt schreitet so rasant vorwärts, dass die Infrastruktur immer hinterherhinkt.» Nächste Seite: Immer im Zeitplan bleiben
Immer im Zeitplan bleiben
Zudem ist die Zeit für IT-Neuerungen und Umbauten äusserst knapp bemessen: Vom 12. September bis 30. November und von Mitte April bis Mitte Juni ist das Hotel geschlossen. In dieser Zeit muss Zimmermann alle grossen IT-Projekte durchbringen. In der letzten Zwischensaison wurde die komplette Netzwerkinfrastruktur erneuert. «Die Projekte müssen genau im Zeitplan liegen, und zur Eröffnung muss alles stehen», sagt Zimmermann fast ein bisschen gehetzt. «Den Gast interessiert es nicht, ob die IT im Keller gerade noch am werkeln ist.» Deshalb hat das Hotel beispielsweise sowohl mit Swisscom als auch mit Cablecom Verträge, damit das Internet für die Gäste niemals ausfällt. Deshalb sind auch die IT-Lager im Hotel ungewöhnlich prall gefüllt, vom kompletten Ersatz-Serverraum im Falle eines Brandes, über Cisco-Router, Ersatz-Drucker, BlackBerrys, Notebooks, iPhones, iPads, Adapter, USB- und Ladekabel bis zu jedem erdenklichen Verbrauchsmaterial. Denn St. Moritz liegt weit ab von den meisten IT-Zulieferern und ist im Winter mitunter eingeschneit und abgeschnitten vom Rest der Welt. «Wir sind hier oben nicht der Nabel der Welt. Eine fehlende Druckerpatrone einfliegen zu lassen, das wäre selbst für das Badrutt's Palace zu viel des Guten», lacht Zimmermann. Selbstredend ist der IT-Manager auch für die IT-Beschaffung zuständig. «Unser IT-Budget ist im Vergleich zu anderen Hotels sehr hoch», sagt er. Wie hoch, dazu schweigt er sich aus. Diskretion ist sein zweiter Vorname. Die Entscheidungen für Neuanschaffungen kämen schon aus seiner Richtung, erklärt Zimmermann. Die Durchführung der Projekte wird aber nicht von der IT vorgegeben, sondern in Zusammenarbeit mit der Hotelleitung evaluiert und beschlossen. «Die meisten denken, die IT kostet nur Geld. In unserem Haus wird sie aber als Business Enabler gesehen, um das Geschäft voranzutreiben und Services zu verbessern. Die IT muss das Business verstehen und umgekehrt.» Durch die Virtualisierung der Server konnte das Hotel beispielsweise 20 Prozent an Energiekosten einsparen. Allerdings liesse sich Microsoft für die Lizensierung der virtuellen Server wiederum auch ganz schön gut bezahlen, verrät Zimmermann. Nächste Seite: nur 49 Tage
Nur 49 Tage
Im Badrutt's Palace gilt es Grossevents wie VIP-Hochzeiten, Weihnachten und Silvester zu planen. Zeit: 49 Tage, dann muss alles fertig sein. Das ist manchmal ein Drahtseitakt, der hin und wieder nicht ohne kleine Pannen über die Bühne geht: Vor zwei Jahren gab es bei der Einführung des neuen Kassensystems auch mal eine Verzögerung, und das Reporting funktionierte noch nicht, als das Hotel bereits wieder geöffnet hatte. Zimmermann hatte gerade frisch angefangen und musste sich mit einem System herumschlagen, von dem er keine Ahnung hatte. Da gerät selbst er, der sonst eher stoisch wirkt, mal ins Schwitzen. «Es heisst nicht, dass man, wenn man aus der IT kommt, alles kann. Da gab es einige Stolpersteine, die aus dem Weg geräumt werden mussten», sagts, und macht sich auf zu seinem nächsten Support-Einsatz. Vielleicht wieder ein Japaner, der kein Wort Englisch spricht und dessen Laptop mit Schriftzeichen daherkommt, die Zimmermann genauso gut versteht wie Arabisch oder Altgriechisch, nämlich gar nicht. Vielleicht auch wieder eine betagte Lady, die ein Problemchen mit ihrem neuen iPhone hat. Oder ein Mitarbeiter, der vergessen hat, den Stecker vom Laptop in die Steckdose zu stecken. Denn auch solcher Fälle nimmt sich Zimmermann geduldig an. Man gewöhnt sich schnell an den Luxus im Badrutt's Palace Hotel. Und auch an guten IT-Service.
Harald Schodl