S.Oliver
04.12.2006, 09:21 Uhr
SOA für die Modewelt
Das Modeunternehmen S. Oliver setzte bei der Einführung einer SOA auf ein so genanntes Maturity-Modell, das die schrittweise Anhebung der «SOA-rität» verfolgt.
Wolfgang Dostal ist Chief Enterprise Integration Architect bei S.Oliver Bernd Freier.
Wie viele Unternehmen kämpft auch das 1969 gegründete Modehaus S. Oliver damit, dass viele Systeme, die vor einigen Jahren als Best-of-Breed für die jeweilige Abteilung eingeführt wurden, einem monolithischen Ansatz folgen. Für die letzten Jahre mag das zwar ein valider Ansatz gewesen sein, doch mit der zunehmenden Globalisierung der Märkte und der verstärkten Integration von Partnern wird es immer wichtiger, dass diese Systeme auch miteinander integriert werden können und somit Synergiepotenziale genutzt werden können. Die Antwort auf diese Herausforderung lautet: Service-orientierte Architektur (SOA).
Die Einführung einer SOA ist jedoch vor allen Dingen eine Frage der Management- und Unternehmenskultur. Um Kommunikationsbarrieren auf fachlicher und technischer Ebene abbauen zu können (Standardisierung) ist die wichtigste Aufgabe, die IT-Mitarbeiter, Fachexperten und auch das Management des Unternehmens zu qualifizieren. Sonst führt SOA lediglich zu einem Scheitern auf hohem Niveau. Mit der Einführung von SOA wird die IT-Welt nicht einfacher. Vielmehr wird die zu gewinnende Flexibilität und Geschwindigkeit zum Preis einer steigenden Komplexität erkauft. Komplexität, die gesteuert werden muss. Dazu ist es unabdingbar, auf jeder Ebene die benötigte Transparenz und das geeignete Kommunikationsmittel zu finden. Auch hier gilt wieder, Standards und Richtlinien zur Umsetzung und Kommunikation nutzen.
Kein Wunschbrunnen
Aus diesem Grund hat Stefan Beyler, Chief Information Officer bei S. Oliver, die Initiative «Sofia» (S. Oliver Federated Integration Architecture) ins Leben gerufen, um neben der technischen Notwendigkeit auch die Aspekte Methodik, Governance und Qualifizierung in den Fokus zu setzen. Die Erfordernis eines solchen Rahmenprogramms hat sich bei S. Oliver sehr schnell gezeigt. Kurz nach der Entscheidung des Unternehmens, eine SOA einzuführen, wurden Anfang 2006 die ersten Services und Anwendungen, die diese nutzen, in Produktion übergeben. Diese stiessen auf Business-Seite auf dermassen hohe Akzeptanz, dass die Liste mit neuen Anforderungen an die SOA immer länger und die Erwartungen schliesslich immer höher wurden.
Damit bestand die Gefahr, dass der SOA-Ansatz aus der Sicht des Business quasi zu einem Wunschbrunnen werden würde. Bekanntlich funktionieren diese nur in den seltensten Fällen. Ist die IT zu Beginn noch in der Lage, die Anforderungen zu erfüllen, so wird dies in kurzer Zeit immer unwahrscheinlicher und die Antwortzeiten der IT auf Business-Anforderungen werden wieder länger. Aus diesem Grunde wurde die IT-Governance bei S. Oliver um SOA-Aspekte erweitert und zu einer SOA-Governance ausgebaut. Wesentliche Bestandteile dieser SOA-Governance sind die Modifizierung des Anforderungsmanagements und die Qualifizierung der IT-Mitarbeiter mittels interner und externer Schulungen.
S.Oliver: SOA für die Modewelt
SOA beginnt im Kopf
Aber der Reihe nach. SOA fängt im Kopf an! Nachdem die IT-Abteilung mit der Einführung von Services und SOA-basierten Anwendungen gezeigt hat, dass Serviceanforderungen umgesetzt werden können, ist das Management gefordert, neue Anforderungen aus dem Business unter Service- beziehungsweise Prozessaspekten zu formulieren. Das heisst, die Kollegen aus dem Business müssen bei ihren Anforderungen auf die Prozessanalyse fokussieren und nicht auf Formulieren wie «ich benötige eine Anwendung mit der ich ... machen kann». Diese Forderung scheint nur auf den ersten Blick trivial. Bei einer genaueren Betrachtung bedeutet dies jedoch eine Änderung der Denkweise beziehungsweise des Blickwinkels (anwendungsorientiert) und damit den Abschied von alten Gewohnheiten.
Und damit sind wir auch schon bei der nächsten Herausforderung für die IT. Wie bringt die IT das Business dazu, seine Sichtweise beziehungsweise sein Verhalten zu ändern? Die Aufgabe der IT ist es hier, das Anforderungsmanagement so anzupassen, dass es ganz automatisch zu einer Prozess-analyse wird und die Definition der Benutzerstellen (User Interface) sich ergeben. Dies setzt voraus, dass die Mitarbeiter in der IT dementsprechend geschult werden und zusammen mit den Business-Kollegen den entsprechenden Freiraum erhalten, das neue Wissen auch anzuwenden. Das Bereitstellen dieser Freiräume ist Aufgabe des Managements. Wie jedes neu erlernte Wissen oder die Einführung von neuen Prozessen bedarf es Zeit, dieses zu üben und anzuwenden, wenn es sich um Aufgaben handelt, die nicht trivial sind. Auch der Einsatz von externen Experten kann diese Lernkurve nicht abschaffen. Es ist möglich diese Kurve abzuflachen, aber nicht gänzlich zu beseitigen.
Schrittweise zur SOA
Aus diesem Grunde folgt S. Oliver bei der Einführung von SOA einem so genannten Maturity-Modell, das die schrittweise Anhebung der «SOA-rität» verfolgt. So lag der Fokus der ersten Projekte bei der Identifizierung von Services, die klassisch als Punkt-zu-Punkt-Verbindungen umgesetzt wurden. In den darauffolgenden Projekten wurde die Ortsunabhängigkeit (Location Transparency) mit Hilfe eines Enterprise Services Bus (ESB) eingeführt. Als nächstes werden die vorhandenen Services mit einer Choreographie zusammengestellt und ganze Prozessketten des Business mit Hilfe der IT abgebildet.
Der Lohn für diese Mühe (IT-Abteilung, Business) und Geduld (Management, Business) ist letztendlich ein Reservoir von atomaren Services, aus denen sich alle anderen komplexen Services - sprich Prozesse - choreographieren lassen.
Wolfgang Dostal