28.11.2011, 13:20 Uhr
Green IT in der Praxis
Um dem steigenden CO2-Ausstoss Herr zu werden, sind nicht nur die IT-Industrie, sondern auch Unternehmen aus allen anderen Branchen sowie die Verbraucher angehalten, Energie zu sparen. Ein Förderprogramm will nun Besitzern von Serverräumen und Rechencentern bei der Umsetzung von Massnahmen zur Energieeffizienz unterstützen.
Die Informatikleistung in den Unternehmen wächst unaufhörlich und mit ihr der Stromverbrauch und die Stromkosten. Zwar verursacht die ICT-Branche nur gerade zwei Prozent des globalen CO2-Ausstosses - so viel wie der gesamte Luftverkehr - doch bis 2020 wird sich dieser Wert bereits verdreifacht haben. Der weltweite Energiebedarf in Rechencentern hat sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht. Jährlich entstehen weltweit Energiekosten von 3,7 Milliarden Dollar allein nur durch Idle (nicht genutzte Prozesse/Ressourcen) und nicht ausgenutzte Server. Laut Forrester sehen 69 Prozent der IT-Verantwortlichen weltweit die Reduktion der Energiekosten als Hauptgrund für Green-IT-Initiativen. Ökologische Kriterien werden also immer wichtiger und Massnahmen sind gefordert. Aber welche und was bringen und kosten sie? Diese Fragen wurden an der Tagung «Green IT in der Praxis» behandelt, zu der das ICMF/ITS (Information Center und IT-Services Managers Forum Schweiz) in den Technopark Zürich geladen hatte.
Förderprogramm PUEDA
«Die Schweiz ist zwar Vorbild, man könnte hinsichtlich CO2 oder Energiemanagement aber noch viel mehr tun», gibt Andreas Fritschi, Vorstand ICMF/ITS selbstkritisch zu. Gefragt sind hier sowohl IT-Hersteller und Rechencenter-Betreiber, als auch Player aus allen anderen Branchen sowie die Verbraucher. Moderne Rechencenter in der Schweiz sind heute schon sehr energieeffizient. Messbar macht das der PUE (Power Usage Effectiveness)-Wert, ein international anerkannter Messwert für die Energieeffizienz von Rechenzentren. Je näher der PUE bei 1.0 liegt, desto kleiner der Anteil der IT-Infrastrukturkomponenten (Lüftung, Kühlung, USV, Licht) am Gesamtstromverbrauch eines Rechenzentrums. Doch rund 50 Prozent des Energiebedarfs eines Rechencenters wird heute oft noch für die Infrastruktur verpulvert. Dem soll jetzt mit dem Förderprogramm PUEDA (Power Usage Effectiveness in Data Centers) Abhilfe geschaffen werden. PUEDA wird im Rahmen einer Wettbewerbs-Ausschreibung zur Steigerung der Stromeffizienz des Bundes unter der Trägerschaft der Privatfirmen Amstein+Walthert, Jobst Willers Engineering und TEP Energy durchgeführt. Insgesamt stehen eine Million Franken an Fördermitteln zur Verfügung. Mit professioneller Unterstützung zur Planung und Umsetzung von Massnahmen wird die Energieeffizienz der Infrastruktur von Serverräumen oder Rechenzentren gefördert. Geld fliesst erst nach erfolgreichem Abschluss eines Projekts. Der Förderbeitrag pro Rechenzentrum liegt bei maximal 100 000 Franken. Das Programm läuft ab sofort bis Ende 2013. Zulassungskriterien, besondere Bedingungen und das Anmeldeformular finden sich unter www.pueda.ch. Mögliche Massnahmen zur Verbesserung der Stromeffizienz sind beispielsweise die Anhebung der Systemtemperaturen, die Nutzung von Free Cooling, eine variable Regelung der Luftmengen, eine Trennung der Kalt- und Warmgänge, Einhausung der Serverracks, Teillastoptimierung der USV, eine Lichtsteuerung oder der Einsatz effizienter Geräte und Komponenten wie Pumpen. Hier lässt sich viel Energie und letztlich auch viel Geld sparen.
Wer ist grün?
Anfang November hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace eine neue, erweiterte Version des Ratgebers «Grüne Elektronik » veröffentlicht, in dessen Rahmen die Nachhaltigkeit von IT-Produkten untersucht wird. Zusätzlich zu den bestehenden Kriterien schädliche Chemikalien, Produktrecycling und Energie kamen auch die Lebensdauer von Produkten, die Bewertung, ob Papier aus Urwaldzerstörung eingesetzt wird sowie die Verwendung von Mineralien aus Konfliktregionen, wie beispielsweise dem Kongo, hinzu.
An erster Stelle steht Hewlett-Packard als positives Beispiel. Auf einer Skala von 1 (sehr schlecht) bis 10 (sehr gut) kam HP etwa auf Note 5,9 und zeigte damit die beste Leistung zur Reduzierung von Treibhausgasen. Der Konzern hat in den letzten Jahren zahlreiche Auszeichnungen für Leadership im Umweltschutz eingeheimst. Beispielsweise hat sich der Energieverbrauch von HP-Notebooks in den letzten fünf Jahren von 26 auf 11 Watt, bei Desktops von 94 auf 25 Watt reduziert, wie Jonas Lorch, PSG Category & Product Manager, an der ICMF-Tagung in Zürich erklärte. Zudem verzichtet HP in seinen Produkten, soweit möglich, auf gefährliche und giftige Substanzen oder nutzt nur noch wiederverwendbares Verpackungsmaterial.
Vom zehnten auf den zweiten Platz im Greenpeace-Ranking ist der Computerhersteller Dell (Note 5,1) innerhalb eines Jahres vorgerückt. HP und Dell sind die einzigen Unternehmen der IT-Branche, die kein Papier aus Urwaldzerstörung verwenden. Auf den Rängen drei und vier finden sich Nokia (vormals Platz 1) und Apple. Wie HP hat sich Apple verpflichtet, auf Mineralien aus Konfliktregionen zu verzichten. Schon leicht im roten Bereich folgen Philips, Sony Ericsson, Samsung, Lenovo, Panasonic und Sony. Weit abgeschlagen mit Noten zwischen 2,7 und 3 finden sich Sharp, Acer, LGE und Toshiba. Absolutes Schlusslicht mit einer Note von rund 1,6 bildet Blackberry-Hersteller Research In Motion (RIM). Alle Produkte des Unternehmens enthalten gefährliche Chemikalien. Zudem informieren die Kanadier die Öffentlichkeit unzureichend über ihre Umweltperformance. Positiv bewertete Greenpeace RIMs Bemühungen, Zulieferer von Mineralien aus Kriegsgebieten sowie Papier aus illegaler Waldzerstörung auszuschliessen. Doch Grund zur Euphorie besteht dennoch nicht. Bereits im Mai veröffentlichte Greenpeace unter dem Titel «How dirty is your data?» eine Studie, in der der Energiemix, den zehn grosse IT-Konzerne, darunter Google, Microsoft, Apple, Amazon, Facebook und Yahoo, nutzen, untersucht wurde. Greenpeace bewertete auch die strategischen Standortentscheidungen der Konzerne sowie ihre Bemühungen um Transparenz. Die Ergebnisse waren eher unerfreulich: Ökologische Nachhaltigkeit spielt in der Firmenpolitik der meisten Marktführer bislang kaum eine Rolle. Facebook betreibt beispielsweise grosse Serverzentren in North Carolina, weil es dort Steuervergünstigungen und billigen Strom aus Kohle- und Kernkraftwerken gibt. In der Nachbarschaft haben sich deshalb auch schon Google und Apple hinzugesellt. Zwar investiert Google andernorts vorbildlich in Wind- und Solarenergieanlagen, hält sich aber, wie viele Konkurrenten, eher bedeckt, wenn es um die Veröffentlichung vom Gesamtverbrauch geht.
Green durch IT
Doch grün sein innerhalb der IT ist nur die eine Seite der Medaille. Weitaus bedeutender ist «Green trough IT»: Was also kann die IT-Industrie dazu beitragen, durch den Einsatz neuer Technologien in allen Geschäfts- und Lebensbereichen Energie zu sparen. «Durch den Einsatz von ICT lassen sich bis zu 15 Prozent des CO2-Ausstosses einsparen », sagt Dr. Beat Koch, Partner bei greenITplus und der Fachgruppe GreenIT der Schweizer Informatik Gesellschaft. Besonders in den Bereichen Mobility, Gebäudeoptimierung und Logistik steckt grosses Potential. Die Carbon-Disclosure-Project-Studie «The Telepresence Revolution 2010» ergab beispielsweise, dass durch die Nutzung von Video/Remote-Konferenz-Lösungen in Grossunternehmen allein in den US und Grossbritannien bis 2020 eine Millionen weniger Autos auf den Strassen nötig wären. «Nachhaltigkeit ist Chefsache», betont Koch. Energiespar-Initiativen und ihre Ausführung müssen also von oben kommen. Eine Hilfe für den Einsatz ökologischer Kriterien bei der Beschaffung von IT-Hardware bietet die Öko-Checkliste des ICMF und des Kantons Zürich, die ICMF-Mitglieder auf der ICMF-Webseite finden. Der ICMF stellte an der Tagung fest, dass es in der Schweiz noch keine Ausbildungslehrgänge mit einer unabhängigen Zertifizierung von Personen zum Thema Green IT gibt. Einzelne Ausbildungsmöglichkeiten für Informatiker von 1-2 Tagen werden erst von Exin (bekannt im ITIL-Umfeld) und zukünftig von der United Management AG angeboten. Die nächste Tagung des ICMF/ITS findet am 22. März 2012 im Technopark Zürich zum Thema Cloud Computing statt.