Gut gewappnet in die Zukunft
27.04.2022, 06:13 Uhr
Durch Digitalisierung resilienter werden
Unternehmen können diverse Massnahmen treffen, um Krisen und kritische Situationen besser überstehen zu können. Zwar sieht sich ein Grossteil der Schweizer Firmen gut für zukünftige Herausforderungen gewappnet, dennoch sollten sie weiter am Ball bleiben.
Schweizer Firmen sind vergleichsweise krisenfest, dem fortgeschrittenen Digitalisierungsgrad sei Dank
(Quelle: Rainer Sturm/Pixelio)
Die Schweizer Firmen befinden sich auch in der ersten Hälfte des Jahres 2022 in einer herausfordernden Situation. Einerseits ist ein Ausklingen der Corona-Epidemie zu verzeichnen, andererseits treffen die Entscheider und die Mitarbeiter auf geopolitische Unsicherheiten, steigende Energiepreise, Rohstoffverwerfungen in den Lieferketten und einen weiterhin fortdauernden Fachkräftemangel. Alle diese Komponenten beeinflussen die Geschäftstätigkeiten jedes Unternehmens und ganzer Branchen.
Wir hatten bereits im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, wie wichtig die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) für jede Firma ist, um kritischen Situation und umfassenden Krisen gegenüber gewappnet zu sein. Somit lag es auf der Hand, in der aktuellen Swiss-IT-Umfrage direkt nachzufragen, wo sich die Entscheider sehen.
Die Welt verändert sich permanent
Die Antworten zeigen eine wenig überraschende Bandbreite. Lediglich 3 Prozent der Firmen sehen sich wenig resilient, 37 Prozent positionieren sich neutral. Diese beiden Gruppen haben also noch einige Schritte zu gehen, um krisenhafte Situationen zu bewältigen. Das gilt in Teilen auch für die 48 Prozent der Firmen, die sich einen soliden Grad an Widerstandsfähigkeit bescheinigen. Noch besser aufgestellt sehen sich weitere 12 Prozent, die sich eine sehr hohe Resilienz bescheinigen.
Wir leben in einer Welt, die sich permanent verändert. Aus diesem Grund muss sich jedes Unternehmen fortan dauerhaft mit Widerstandfähigkeit beschäftigen, wie zahlreiche Analysen von IDC aus der jüngsten Vergangenheit zeigen:
- Die Häufigkeit und die Auswirkungen von Störungen nehmen zu. Die Corona-Pandemie und die aktuellen geopolitischen Entwicklungen belegen das sehr bildhaft. Unzureichend widerstandsfähige Unternehmen werden sich in einem ständigen Kreislauf aus Reaktion und Erholung wiederfinden, ohne in der Lage zu sein, wirklich widerstandsfähige Strukturen zu entwickeln.
- Die Zukunft kann niemand im Detail voraussagen. CIOs und Fachentscheider dürfen sich nicht nur auf Vorhersagen verlassen, sondern sollten stattdessen weitreichende Vorkehrungen treffen.
- Wenn Unterbrechungen des Geschäftsbetriebs und Störungen zunehmen, werden nicht widerstandsfähige Unternehmen mittelfristig irrelevant. Das gilt für jede Art von Unternehmen – von den Digital Playern bis hin zu den Firmen mit einer langen Historie.
- Widerstandsfähigkeit fördert Agilität und Innovation: Der vielleicht wichtigste Grund für das Streben nach Resilienz ist die Fähigkeit, neue geschäftliche Chancen schnell ergreifen zu können, weil diese schnell erkannt und kurzfristig bedient werden können. Dafür braucht es eine agile Unternehmenskultur und eine adäquate digitale Infrastruktur.
Lösungsansätze für mehr Resilienz
Jede Firma hat ihre individuellen Herausforderungen und Lösungsansätze für eine hohe Unternehmens-Resilienz. Aber folgende fünf Schlüsselaspekte berücksichtigen die Anforderungen vieler Organisationen.
- Wahrnehmungs-, Lern- und Anpassungsfähigkeit: Das Kernstück der Widerstandsfähigkeit ist die Fähigkeit von Unternehmen, sich abzeichnende Veränderungen und Bedrohungen in ihrem Betriebsumfeld wahrzunehmen und zu lernen, wie sich diese Veränderungen negativ oder positiv auf das Unternehmen auswirken können. Optimale Erfassungs-, Lern- und Anpassungsschleifen können Unternehmen in die Lage versetzen, eine «vorausschauende Anpassung» vorzunehmen.
- Rekonfigurierbare Betriebs- und Geschäftsstrategien: In dem Mass, wie Veränderungen erkannt und antizipiert werden, können widerstandsfähige Unternehmen neue Wege für die Herstellung und Bereitstellung von Produkten, Dienstleistungen und Kundenerfahrungen finden oder diese neu schaffen. Wichtig ist insbesondere zu wissen, wie man reagieren muss, wenn sich Veränderungen abzeichnen. Das heisst, Alternativen so vorzubereiten, dass diese automatisiert ablaufen können.
- Anpassungsfähige Führung und Governance: Resiliente CIOs und ihre Mitarbeiter geniessen das Vertrauen von Geschäftsführern, IT-Mitarbeitern und Partnern in den Fachbereichen. In Krisenzeiten vermitteln sie Vertrauen, indem sie Entschlossenheit demonstrieren und den Teams ein hohes Mass an Autonomie ermöglichen.
- Hochkompetente Mitarbeiter und eine Lernkultur: Resiliente Führung ist wichtig, aber die Mitarbeiter sind diejenigen, die resiliente Organisationen aufbauen. Das bedeutet, dass Entscheider eine resiliente Kultur, sprich eine Mischung aus kontinuierlichem Lernen und Zusammenarbeit, entwickeln müssen, damit alle Mitarbeiter an Problemlösungen beteiligt sind.
- Fähigkeiten zur digitalen Widerstandsfähigkeit: Disaster Recovery und Business Continuity basieren auf einer Reihe von Playbooks für potenzielle Störungen. Kritisch wird es immer dann, wenn neue Situationen entstehen, für die noch kein Ablaufplan vorliegt. Den meisten Firmen fehlte ein Playbook für Corona und sie mussten teilweise hektisch und spontan reagieren. Ein besserer Ansatz ist, modulare Fähigkeiten zu entwickeln, die nicht ereignisspezifisch sind, sondern für Krisen zusammengestellt werden können.
Was gemacht werden kann
Auf Basis der aufgezeigten Schlüsselaspekte empfehlen wir von IDC, die folgende Schritte zur Resilienzstärkung im Unternehmen zu evaluieren:
- Schaffen Sie ein IT-Ökosystem: Da die IT in die Struktur des Unternehmens eingebettet ist, müssen CIOs ihre Rolle modifizieren. Die IT im digitalen Zeitalter ist ein Set digitaler Technologien, Dienste und Fähigkeiten, die über das Unternehmen und seine externen Ökosysteme gesteuert werden müssen.
- Entwickeln Sie eine widerstandsfähige Kultur und Führungsstruktur: Wie bereits erwähnt, kann Resilienz nicht ohne eine nachhaltige und engagierte Führung durch CIOs und Fachentscheider erreicht werden. Resiliente Personen und Kulturen zeichnen sich durch ein hohes Mass an Vertrauen aus, nutzen eine dezentrale Verwaltung und Autonomie, sind neugierig, lernfähig und problemlösungsorientiert und zeigen selbst bei Misserfolgen Beharrlichkeit.
- Stärken Sie die Autonomie von Teams und Mitarbeitern: Autonome Teams und Mitarbeiter sind eine entscheidende Komponente der Resilienz. Und beachten Sie: Durch gemeinsamen Erfolg entsteht Vertrauen.
- Positionieren Sie die IT als eine zentrale Komponente: Widerstandsfähige Unternehmen betrachten die IT als einen wichtigen Teil ihrer DNA, die in das gesamte Unternehmen und seine Ökosysteme eingebettet ist. IT-Rollen, Verantwortlichkeiten und Ressourcen müssen breit verteilt sein, um die Agilität zu steigern sowie um Ausfälle zu lokalisieren und abzumildern.
- Schaffen Sie Resilienzteams: Der Aufbau von Resilienz erfordert vielfältige Fähigkeiten, die nicht überall im Unternehmen zu finden sind. Wenden Sie sich an Einrichtungen, die über diese Expertise verfügen. Sie unterstützen Sie bei einer Szenariomodellierung und bei der Schaffung von Synergieeffekten.
- Denken Sie zuerst an die Ausfallsicherheit: Da digitale Systeme und Infrastrukturen immer umfangreicher und komplexer werden, wird die Ausfallsicherheit zu einem vorrangigen Anliegen.
“Es wäre fahrlässig zu hoffen, dass es schon irgendwie gutgehen wird„
Matthias Zacher
Fazit
Die Thematik «Resilienz» ist äusserst komplex, keine Frage, denn sie betrifft alle Bereiche des Unternehmens. Aber das Thema muss in jedem Unternehmen betrachtet werden. Die Digitalisierung vereinfacht viele Schritte.
Es wäre aber fahrlässig, hoffen zu wollen, dass es schon irgendwie gutgehen wird. Mitunter zeigen sich nach einer Analyse rasch verschiedene Grundlagen und Strukturen, auf denen sich aufbauen lässt und die durch das Duplizieren auf andere Unternehmensbereiche Fortschritte mit sich bringen. Starten Sie damit und bleiben Sie immer am Ball. Es lohnt sich.
Der Autor
Matthias Zacher
ist Senior Consulting Manager beim Marktforschungs- und Beratungshaus IDC. www.idc.com
Autor(in)
Matthias
Zacher