Wirtschaftsinformatik Schweiz
23.09.2019, 15:15 Uhr
Digitalisierung in Theorie und Praxis
Dem Wirtschaftsinformatiker kommt bei der Digitalisierung des Geschäfts eine Schlüsselrolle zu. Das sagt die Wissenschaft in der Theorie und zeigen Firmenverantwortliche in der Praxis.
Professor Stella Gatziu Grivas von der FHNW erforscht die Grundlagen der digitalen Transformation
(Quelle: computerworld.ch)
Das Berufsbild des Wirtschaftsinformatikers ist wie geschaffen für eine Schlüsselrolle bei der digitalen Transformation von Unternehmen. Die Absolventen kennen die Mechanismen des Geschäfts und die Potenziale der Technologie. Rund 100 dieser Experten trafen sich am Freitag in Olten am Anlass «WI-Update» des Verbandes VIW Wirtschaftsinformatik Schweiz. Der Präsident Stefan Marty hatte Referenten aus Wissenschaft und Praxis eingeladen, um über die verschiedenen Rollen des Berufsstandes in den Schweizer Betrieben zu sprechen.
Über die grundlegenden Wirkmechanismen der digitalen Transformation orientierte Professorin Stella Gatziu Grivas von der Fachhochschule Nordwestschweiz. Sie leitet in Olten den Kompetenzschwerpunkt Cloud Computing, Digitalisation & Transformation. Basierend auf einer Analyse von bestehenden Frameworks und betriebswirtschaftlichen Modellen hat sie vier Handlungsfelder identifiziert, in denen die digitale Transformation stattfindet: Mitarbeiterzentrierung, Kundenzentrierung, Unternehmens- sowie Geschäftsentwicklung. Die von Professorin Gatziu mitentwickelte «Abili»-Methodik (Animate, Blueprint, Implement, Live, Improve) offenbart insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht weniger als 196 Transformationsoptionen für ihr Geschäft. Dabei sieht die Wissenschaftlerin ihre Studierenden, die angehenden Wirtschaftsinformatiker, in einer Schlüsselrolle.
Gefragt nach dem Ziel der digitalen Transformation wusste Professorin Gatziu folgende Beispiele zu geben: Die Mauern der Unternehmen fallen, Netzwerke und Ökosysteme entstehen, neue Arbeitsmodelle halten in die Unternehmen Einzug und Daten werden zum Treiber des Geschäfts.
Digitale Lieferkette bei der Migros
Die Auswahl an Früchten und Gemüse sind einer der Hauptgründe der Konsumenten für den Filialbesuch. Daran ändert sich auch in Zeiten der digitalen Transformation wenig, ist Marc Inderbitzin vom Migros Genossenschafts Bund überzeugt. Der Leiter Supply Chain Information Solutions referierte an dem VIW-Anlass über sein Projekt, das den Kunden in Zukunft der Lebensmitteleinkauf noch schmackhafter machen soll: die digitale Lieferkette.
Für die heutige Situation der Lieferketten bei Früchten und Gemüse skizzierte Inderbitzin folgende Herausforderungen:
- keine Durchgängigkeit der Daten über die involvierten Partner (Zulieferer, Lieferant, Verteiler, Handel); daher Datenanalyse sehr aufwendig
- nur Direktlieferanten können im Qualitätssystem beurteilt werden; Produzenten und Zulieferer jedoch nicht
- der gleiche Artikel von wird von unterschiedlichen Lieferanten aus verschiedenen Ländern geliefert
- Lieferqualität vom selben Lieferanten variiert, da abhängig von unter anderem Lagerung, Transport, Verarbeitung und Wetter
Hinzu komme, so der Experte, dass die Konsumenten mit immer höheren Erwartungen in den Handel gingen. Sie wollten genau wissen, woher und unter welchen Bedingungen die Lebensmittel ihren Weg in die Verkaufsregale gefunden hätten. Eine Ende-zu-Ende-Transparenz stärke die Vertrauensbildung, sagte Inderbitzin und doppelte nach: «Die digitale Durchgängigkeit zwischen Lieferanten und Handel entscheidet über den Verkaufserfolg.»
Blockchain statt Excel
Theoretisch könne die Migros schon heute alle erforderlichen oder gewünschten Informationen liefern. Dafür müssten allerdings dutzende Telefonate geführt und diverse Excel-Listen konsultiert werden. Teilweise würden auch die Informationen auf dem Etikett genügen, allerdings lägen sie nicht digital vor, sagte Inderbitzin.
Der Leiter Supply Chain Information Solutions und sein Team hätten nun das Ziel, alle Informationen entlang der Lieferkette von Früchten und Gemüse in einem System zu sammeln. Dafür setzt Migros auf die Blockchain-Technologie des Anbieters Te-Food und den EPCIS-Standard (Electronic Product Code Information Services). In einem ersten Schritt plant Inderbitzin, die 300 Lieferanten von Früchten und Gemüse bis 2021 zu vernetzen.