Technologien 31.05.2023, 08:45 Uhr

Digitalisierung: Fluch und Segen für das Klima

Moderne Techno­logien können ­­zu ­einem schonenderen Umgang mit Ressourcen beitragen, gleichwohl sind sie selbst Energiefresser.
Energieeffizienz wird in der deutschen Wirtschaft immer wichtiger
(Quelle: NDAB Creativity/Shutterstock)
Auf den ersten Blick scheinen Digitalisierung und Nachhaltigkeit nur wenig miteinander zu tun zu haben: Digitalisierung steht für ressourcenfressende Technik, während Sustainability gerade den verantwortungsvollen Umgang mit diesen Ressourcen – und damit der Umwelt – einfordert. Gleichwohl kann der technische Fortschritt auch dabei helfen, eben diese Ressourcen zu schonen. Dies wird auch Bitkom-Präsident Achim Berg nicht müde zu betonen: «Digitalisierung ist die Antwort auf die multiplen Krisen unserer Zeit. Digitalisierung macht eine Volkswirtschaft resilienter, sie hilft bei globalen Herausforderungen wie dem Klimaschutz und sie erleichtert das ­Leben der Menschen, in der Gesundheitsversorgung ebenso wie im Bildungsbereich oder in der Mobilität», sagte er beispielsweise vor kurzem.
Ist Digitalisierung also die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau, die die Welt von allem Übel befreit? Dies gilt es genauer zu hinterfragen.

Auf der einen Seite ...

Digitalisierung kann sicherlich viele Prozesse effizienter gestalten und dabei zu einer Verringerung des CO₂-Ausstosses beitragen. Die Beispiele klingen auf den ersten Blick banal: Papierdokumente können durch digitale Dokumente ersetzt werden, das spart Platz, Papier und Tinte. Auch in der Industrie können durch den Einsatz von Sensoren und Datenanalysen Produktionsprozesse optimiert werden – was am Ende zu einer besseren Ausnutzung von Rohstoffen und Energie führt. Gleiches gilt für die Vernetzung von Gebäuden und Städten. Durch die Nutzung intelligenter Sensoren und ­einer zentralen Steuerung können Energieverbräuche optimiert werden. Beispielsweise können Heizung und Beleuchtung automatisch an die Anwesenheit von Personen und die Tageszeit angepasst werden. Und durch den Einsatz von intelligenten Verkehrsleitsystemen und die Vernetzung von Fahrzeugen kann der Verkehrsfluss optimiert werden. Das führt nicht nur zu weniger Staus, sondern auch zu geringeren Emissionen.
Und in der Tat spielen digitale Technologien bei den Klimaschutzbemühungen in der deutschen Wirtschaft heute bereits eine grosse Rolle. Einer repräsentativen Umfrage des Bitkom zufolge, für die 603 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland telefonisch befragt wurden, haben mehr als drei Viertel der Unternehmen (77 Prozent) ihren CO₂-Ausstoss durch den Einsatz digitaler Technologien und Anwendungen senken können.
Am grössten sei dieser Effekt in der Industrie (86 Prozent), dahinter folgen Handel (81 Prozent) und Dienstleistungsunternehmen (71 Prozent). Zudem sind für eine überwiegende Mehrheit der Befragten ­klimafreundliche Technologien ein klarer Wettbewerbsfaktor: 91 Prozent sehen Unternehmen, die in nachhaltige Technologien investieren, langfristig im Vorteil.

Auf der anderen Seite …

Es gibt trotz aller Jubelmeldungen nach wie vor das Argument, dass bei der Produktion der Hardware und natürlich beim Betrieb der Rechenzentren – in denen schliesslich die dafür notwendige Software gehostet wird – enorme Ressourcen verschlungen werden. Fressen diese die gewonnenen Einsparungen wieder auf, oder sorgen sie vielleicht für eine deutlich höhere Belastung der Umwelt? Studien mit belastbaren Aussagen gibt es dazu nicht, und sie wären auch schwer zu erstellen. Doch grundsätzlich ist dieses Argument nicht von der Hand zu weisen.
Auch deshalb bekommt beispielsweise die Energieeffizienz von Rechenzentren seit einiger Zeit vermehrte Aufmerksamkeit. EU-Kommission und Bundesregierung arbeiten an Gesetzesinitiativen, um die Terawattstunden elektrischer Leistung, die Europas und Deutschlands Rechenzentren jährlich in Wärme umsetzen, effizienter zu nutzen. Auch der TÜV Rheinland wird hier aktiv und bietet unter dem Namen «Sustainable Data Center» eine Zertifizierung der Energie­effizienz von Rechenzentren an. Wie von Elektrogeräten und Autos bekannt, erhält der Betreiber nach Abschluss des Prozesses ein Siegel mit Klimaindex von A bis G. Der soll übersichtlich und vergleichbar anzeigen, wie gut das Rechenzentrum mit Energie haushält. Unternehmen, die sich die Energieeffizienz ihrer Rechenzentren bescheinigen lassen wollen, müssen einiges an Unterlagen bereithalten: Neben der technischen Dokumentation von etwa Elektro- und Klimatechnik müssen auch Arbeitsprozesse dokumentiert sein. Als Lohn für diese Mühen gibt es bei erfolgreichem Audit ein drei Jahre gültiges Zertifikat, anschliessend sind jährliche Audits erforderlich, um es auch zu behalten.
Dies ist nur ein Beispiel von vielen, wie ­die Wirtschaft sich bemüht, mit den vorhandenen Ressourcen effizienter umzugehen. Möglich, dass es sich dabei in vielen Fällen um Greenwashing handelt, solche Täuschungsmanöver sind in der Tat schwer nachzuweisen. Doch allein schon angesichts der hohen Energiekosten – die sich auch so schnell nicht erholen dürften – liegt es auch im Interesse der Hersteller und Betreiber, möglichst nachhaltig mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen.
Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder
Quelle: Bitkom
Und am Ende ist es wieder ein Vertreter des Bitkom, der eine Lanze für die Digitalisierung bricht: «Ohne digitale Technologien kann die deutsche Wirtschaft ihre Klimaziele nicht erfüllen», sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. «Energieeffizienz, Klimaschutz und die Dekarbonisierung hängen untrennbar mit der Digitalisierung zusammen. Je mehr Unternehmen grüne Technologien einsetzen und so Energie sparen und ihren CO₂-Ausstoss reduzieren, desto grösser ist der Beitrag für das Klima.» 

Waltraud Ritzer
Autor(in) Waltraud Ritzer


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