02.03.2007, 08:35 Uhr

Testlabor für offene ERP

Die Fachhochschule St. Gallen errichtet eine Infrastruktur, in der Firmen Open-Source-ERP praxisnah testen können.
Claus Eikemeier, promovierter Informatiker und Ökonom, errichtet das «FLOSS-Lab» an der Fachhochschule St.Gallen.
Unter den Unternehmensanwendungen gehören ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) zu den komplexesten Vertretern. Die Anforderungen und Geschäftsprozesse variieren je nach Branche, was den Dienstleistern bei der Evaluation und Integration fundierte Kenntnisse der Materie abverlangt. Viele Unternehmen setzen deshalb auf etablierte Anbieter wie etwa SAP. Open-Source-ERP-Lösungen werden meist nicht einmal bei den ersten Evaluationsschritten berücksichtigt. Mit ein Grund ist das fehlende Vertrauen in Produkte und Anbieter. Freie Software ist zwar auf der Infrastrukturebene wie Betriebssystemen oder Middleware akzeptiert, aber kaum für zentrale Unternehmensanwendun-gen. Zudem sind die Dienstleister wenig bekannt, ihre Geschäftsmodelle oft unklar. Damit fehlen die Voraussetzungen, dass die offenen Alternativen in unternehmenskritische Bereiche Einzug halten können.
An dieser Ausgangslage will das Institut für Informations- und Prozessmanagement (IPM-FHS) der Fachhochschule St. Gallen ansetzen. Mit einem FLOSS-Lab (Freie/Libre Open-Souce-Software) soll Unternehmen die Möglichkeit geboten werden, offene ERP praxisgerecht zu evaluieren. «Im Labor kann eine Firma die verschiedenen Systeme konkret miteinander vergleichen und eigene Abläufe durchexerzieren lassen», umreisst Claus Eikemeier die Funktion des FLOSS-Lab. Der promovierte Ökonom und Informatiker ist Dozent am IPM-FHS und im Forschungsbereich für das Laborprojekt zuständig. Derzeit baut er die Server-Infrastruktur für den Betrieb der einzelnen ERP auf. Keine leichte Aufgabe, denn kaum zwei Systeme arbeiten mit der gleichen Infrastruktur und Middleware.
ERP-Systeme sind heute ein wichtiges Thema in den Betriebswirtschafts- und Wirtschaftsinformatik-Studiengängen, da die Fachhochschule praxisnah ausbildet. Vor diesem Hintergrund ist am IPM-FHS auch die Idee zum FLOSS-Lab gereift. Dass der Schwerpunkt gerade bei ERP-Systemen liegt, hat laut Eikemeier damit zu tun, dass dieser Bereich im OSS-Umfeld gerade erst am Entstehen ist: «Es gibt zwar vielversprechende Produkte, aber es fehlt an der Anpassung an Schweizer Verhältnisse.»
Das FLOSS-Lab soll sich mittelfristig zum Kompetenzzentrum entwickeln. «Wir möchten Unternehmen durch die Möglichkeit von praktischen Evaluations-Tests unterstützen», erklärt Eikemeier das Ziel. Neben der eigentlichen ERP-Beratung leistet das Labor auch Grundlagenarbeit. «Bei den Geschäftsmodellen rund um Open-Source-Software besteht ein erheblicher Informationsbedarf», konstatiert Eikemeier. Die Dienstleistungen des Labors sollen in Zukunft auch zur Finanzierung beitragen.
Derzeit befindet sich das Labor im Aufbau. Verschiedene ERP-Systeme wurden auf ihre Tauglichkeit getestet und ausgewählt. Nun erfolgt die Einrichtung auf einem dedizierten Server. Bis Mitte Jahr sollen vier Systeme bereit stehen, bis Ende Jahr deren acht. Zu den Kandidaten gehören unter anderem Compiere, dessen Abkömmling Adempiere, Openbravo und Dolibarr.
Das Spektrum des FLOSS-Lab wird jedoch nicht auf ERP-Applikationen beschränkt bleiben. Andere Unternehmens-anwendungen, wie etwa CMS- und CRM-Systeme, werden im Labor des IPM-FHS ebenso für praktische Tests zur Verfügung stehen wie das Büropaket Open-Office. Denn ERP-Systeme stehen in der Softwareumgebung nicht alleine da. «Die Verbindung zwischen ERP und Office-Anwendungen ist derzeit eines der heissen Themen im kommerziellen Bereich. Wir möchten dereinst auch die Integration beispielsweise von Open-Office zeigen», beschreibt Eikemeier die Zukunftspläne des Labors.
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OSS-ERP an der Open-Expo

Offene ERP-Systeme sind auch ein Thema an der Open-Expo. Die Messe rund um freie Software findet im Rahmen der Topsoft in Bern am 7. und 8. März statt. Claus Eikemeier wird am Eröffnungstag um 14 Uhr ein Referat zu offenen ERP-Systemen und zum FLOSS-Lab der Fachhochschule St. Gallen halten. Dabei wird er auch auf Themen wie die Evaluation und den Betrieb solcher Systeme eingehen.
Andreas Heer



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