Strassenverkehrsämter
28.02.2018, 10:00 Uhr
Software wider den Kantönligeist
Neun Deutschschweizer Strassenverkehrsämter spannen mit einer Software für Verwaltungstätigkeiten zusammen. Der Entwickler cross-works betreibt die Plattform selbst.
«Für die interkantonale Kooperation ist Excel nicht das am besten geeignete Tool» – Helmut Sproll, Geschäftsführer cross-works
(Quelle: cross-works)
Die kantonalen Strassenverkehrsämter haben nicht zuletzt aufgrund von Meldungen wie derjenigen in der SRF-Sendung «Kassensturz» in der öffentlichen Meinung mitunter ein wenig mit ihrem Image zu kämpfen. Der «Kassensturz» bemängelte, dass trotz eines schweizweit einheitlichen Prüfkatalogs einige Kantone die Lenker deutlich öfter einbestellen als andere. Und auch bei der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Strassenverkehrsämtern herrsche vielfach noch ein gewisser Kantönligeist.
Dem Kantönligeist gar nicht erst folgen wollten die Strassenverkehrsämter Luzern und Thurgau. Die Ämter spannten zusammen, um Händlerschilder und selbstabnahmeberechtigte Garagen auf einer einheitlichen Plattform zu verwalten. Sie beauftragten vor gut drei Jahren das Winterthurer IT-Unternehmen cross-works, für spezifische Aufgaben eine Fachapplikation zu realisieren. Sie sollte die bis anhin meist mit Excel oder auf Papier basierenden Behördenprozesse ablösen, ein granulares Berechtigungssystem besitzen und mehrsprachig sein. Zentrales Ziel war es, die Anwendung als gemeinsame Lösung für alle Strassenverkehrsämter verwenden zu können.
Verwaltungs-Software als Service
Mit den Strassenverkehrsämtern Luzern und Thurgau startete cross-works die Entwicklung der Applikation HS/SA. Sie erlaubt das Verwalten von Händlerschildern (HS) und Selbstabnahmeberechtigungen (SA) auf einer Plattform.
Technisch basiert die Lösung auf einer SQL-Datenbank und einem Applikationsserver. «Aus HS/SA heraus können Einzel- und auch Massenmails verschickt werden. Da der verwendete Applikationsserver unter anderem einen Mailserver beinhaltet, bringt uns das gewisse Vorteile», sagt Helmut Sproll, CEO von cross-works. Eingehende E-Mails werden nach Möglichkeit automatisch der entsprechenden Garage respektive dem dortigen Mitarbeiter zugeordnet. Das IT-Unternehmen betreibt die Lösung als mandantenfähige Webapplikation auf Servern in der Schweiz. Das Hosting und den Support leistet vollumfänglich cross-works. Abgerechnet wird pro registriertem Fahrzeug an einem bestimmten Stichtag – die Anzahl der monatlichen Aufrufe oder der tatsächliche Benutzer sind bis dato nicht relevant. Der Zugriff erfolgt über einen Webbrowser eines beliebigen stationären oder mobilen Endgeräts. Dank einer granularen Rechteverwaltung haben die verschiedenen Mitarbeiter eines Strassenverkehrsamts nur auf diejenigen Daten und Funktionen Zugriff, die sie gemäss ihrer Rolle im Verwaltungsprozess auch benötigen.
Logik verhindert Fehleingaben
Die Applikation erleichtert durch diverse Automatismen die verschiedenen Tätigkeiten rund um HS/SA: von der Datenerfassung über die Dossier- und Pendenzenverwaltung bis hin zur Terminorganisation. Dem Benutzer bietet die Lösung jederzeit einen Überblick über frühere Kontakte, kommende Aufgaben und erinnert an allenfalls bevorstehende Kontrolltermine oder den Verfall erteilter Bewilligungen. Benötigte Formulare (wie das HS-Kontrollblatt oder die Checkliste für eine SA-Bewilligung) können per Mausklick aus der Anwendung heraus generiert werden. Dabei unterbinden Plausibilitäts-Checks mögliche Fehleingaben. Die in HS/SA vordefinierten Eingabeformate sichern die Datenqualität.
Deutlicher Produktivitätsgewinn
Im Alltag bewährt sich HS/SA. Die Anwender berichten von einer leichten Einarbeitung sowie einem deutlichen Produktivitätsgewinn. Der immer aktuelle und für jeden Beteiligten im Rahmen seiner Berechtigung einsehbare Datenbestand wird am höchsten gelobt, berichtet Sproll. «Für den Abgleich waren früher diverse Konsultationen unterschiedlicher Personen und in den Ämtern verteilter Dossiers erforderlich, was häufig recht viel Zeit beanspruchte. Neu sind die Daten per Mausklick abrufbar», sagt er.
Doppelspurigkeiten vermeiden
Auch im Bereich der Strassenverkehrsämter ist mehr und mehr eine über Kantonsgrenzen hinweg funktionierende Zusammenarbeit gefordert. Auch das leistet die Applikation, indem mittels eines fein gegliederten Berechtigungskonzepts jedes Amt auf bestimmte Daten aller anderen Ämter zugreifen kann. Die gewünschten Informationen stehen so immer zur Verfügung – ohne, dass seitens des auskunftsgebenden Strassenverkehrsamts jemand etwas tun müsste.
Ein definiertes Set an Informationen zu einer Garage respektive den beschäftigten Personen ist allen Strassenverkehrsämtern zugänglich. Schweizweit gültige Daten, wie zum Beispiel Importeure und Marken, müssen nur einmal erfasst werden und stehen anschliessend allen Ämtern zur Verfügung. Dafür waren früher mehrere Arbeitsschritte und Personen erforderlich: «Insbesondere für die interkantonale Zusammenarbeit ist Excel nun mal nicht das am besten geeignete Tool», sagt Sproll und ergänzt: «Der Austausch zwischen den Strassenverkehrsämtern und die gemeinsame Nutzung bestimmter Informationen verkürzt die Kommunikationswege, sorgt für Transparenz bei überlappenden Aufgabenbereichen und baut Redundanzen ab.»
Neun Kantone auf einer Plattform
Aktuell nutzen die Strassenverkehrsämter von neun Kantonen die Plattform: Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Graubünden, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau. Wie Sproll betont, ist die Lösung nicht allein für die Deutschschweiz konzipiert. HS/SA besitze eine mehrsprachige Benutzeroberfläche – Deutsch, Französisch, Italienisch – und sei damit einsatzbereit für alle Kantone.
Gemeinsam mit den Ämtern arbeitet das Winterthurer Unternehmen an zusätzlichen Funktionen. Unter anderem wird die Anbindung an die unterschiedlichen Dokumenten-Management-Systeme der Ämter geprüft. Darüber hinaus ist eine Schnittstelle zu den Basisanwendungen «Cari» und «Viacar» in Diskussion, womit weitere Doppelspurigkeiten abgebaut werden könnten. Längerfristig ist angedacht, auch Garagen und Importeure einzubinden, was die Zusammenarbeit weiter vereinfachen würde.
Bei einigen Kantonen bereits umgesetzt ist die Erweiterung für das eingangs erwähnte «Reparaturbestätigungsverfahren» (RBV). Diesen Prozess kennt nach Auskunft von cross-works-Geschäftsführer Sproll nur etwa die Hälfte aller Strassenverkehrsämter. Womöglich kann auch die Software dazu beitragen, den Kantönligeist zu verjagen.