Hardware der Zukunft 13.03.2013, 12:00 Uhr

die Appliance

Aus zwei wird eins, aus Hard- und Software die Appliance. Firewalls, Data-Processing- oder Storage-Lösungen, Application- und Backupserver gibt es heute im Komplett­paket. Wann lohnt sich der Einsatz?
Wann lohnt sich der Einsatz von Firewalls, Data-Processing- oder Storage-Lösungen im Komplett­paket?
Der Autor ist Dozent für Informatik an der Hochschule für Technik in Zürich und Autor bzw. Co-Autor verschiedener Fachbücher. Für Trivadis ist Daniel Liebhart als Solution Manager tätig.
Der Begriff «Appliance» stammt ursprünglich aus der Consumer-Elektronik. Er umschreibt Geräte, die durch eine fixe Kombination von Hard- und Software eine Gesamtlösung für einen definierten Zweck zur Verfügung stellen. Seit letztem Jahr hat sich das Einsatzgebiet dieser Geräte auch im Business-Segment durch eine Vielzahl neuer Varianten stark erweitert. Es gibt Appliances für alle möglichen Aufgaben, angefangen von einer Appliance zum Zwischenspeichern von Druckaufträgen zur Entlastung der zentralen Printserver bis zum Unified Thread Management als Erweiterung der traditionellen Firewall. Und es werden immer mehr. Dieser Trend zeichnet sich nicht nur für komplexe IT-Technik ab, auch Haushaltsgeräte und Industrieroboter werden zunehmend spezialisierter und mittels einer Kombination von Hard- und Software umgesetzt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von «Smart Appliances». Im Bereich Business Computing sind drei Arten von Appliances zu finden: Die traditionellen Netzwerk- und Security-Appliances, die neue Generation der Infrastructure-in-a-Box-Geräte und Appliances für spezielle Anwendungen.

Netzwerk- und Security-Appliances

Im Netzwerk- und Security-Bereich setzen Unternehmen schon seit Jahrzehnten Appliances ein. Das breit gefächerte Angebot reicht dabei vom Router über Switches und Firewalls bis zur neusten Gerätegeneration, die Netzwerk- und Sicherheitsfunktionen kombinieren. Die erste kommerziell verfügbare Firewall-Appliance hat DEC unter dem Namen «Seal» (Securing External Access Link) schon 1991 auf den Markt gebracht. Security-Appliances sind jeder reinen Software-Lösung überlegen. Die Hardware ist spezifisch auf den Anwendungszweck ausgelegt, das proprietäre Betriebssystem auf ein Minimum reduziert. Die Software ist bereits vorkonfiguriert und sehr einfach anpassbar. Dadurch sind die Geräte nicht nur einfacher zu installieren und zu betreiben, sondern zudem robuster, sicherer und schneller. In den letzten 20 Jahren hat sich allerdings sehr viel verändert. Moderne Unified-Thread-Management-Lösungen (UTM) kombinieren die übliche Firewall-Funktionalität mit Virtual-Private-Network-Unterstützung (VPN) für sicheres mobiles Arbeiten, einem Webgateway für kontrollierten Zugriff auf das Internet und Network Intrusion Detection (NID) zur Erkennung von Angriffen. Das Einsatzgebiet dieser Lösungen liegt angesichts der wachsenden Anzahl mobiler Arbeitsplätze auf der Hand. Entsprechend hoch fallen auch die jährlichen Wachstumszahlen des UTM-Segments aus: knapp 20 Prozent. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Infrastructure in a Box

Infrastructure in a Box

Die IT-Infrastruktur umfasst Funktionen wie Storage, Backup, Printing und andere Komponenten, die von mehreren Anwendungen genutzt werden. Der Aufwand für die Bereitstellung und den Betrieb der entsprechenden Services ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen und hat dadurch in den IT-Abteilungen das Budget für Innovationen eingeschränkt. Allein das Patching – also die Arbeiten, die im Rahmen eines Versionswechsels oder der Fehlerbehebung notwendig sind – ist heute kaum mehr manuell zu erledigen. Da sind neue Ansätze sehr willkommen. Neben der «Software-Appliance» (was nichts anderes ist als ein vorkonfigurierter Server) haben sich zunehmend spezialisierte Geräte etabliert. In gewisser Weise hat IBM durch die Übernahme von DataPower und deren Produkte im Jahr 2005 diesen Trend gesetzt. Was auf den ersten Blick wie eine Firewall mit erweiterten Funktionen aussah, hat sich bei näherem Hinsehen als Hardware Enterprise Service Bus herausgestellt. Die Funktionen sind inzwischen so umfangreich, dass IBM die Produktlinie heute als «IBM Web-Sphere DataPower SOA Appliance» vermarktet. Drei Jahre später kündigte Oracle mit Exadata die Datenbank als Gerät an. Seit Kurzem bietet auch Microsoft mit HP zusammen eine ganze Palette von Appliances an, unter anderem auch eine Database-Appliance. Der Markt für Appliances im IT-Infrastrukturbereich ist in den letzten zwei Jahren förmlich explodiert. Es steht eine Vielzahl von Va­rianten zur Verfügung, von spezialisierten Geräten für die Erstellung von Backups über Appliances für den einfachen Zugang zu Cloud-Infrastrukturen bis zur neusten Generation, der sogenannten «Big Data Appliances», die der Verwaltung von sehr grossen Mengen unstrukturierter Daten dienen. Inzwischen führt fast jeder Hersteller von Infrastrukturkomponenten entsprechende Geräte im Angebot.

Spezielle Anwendungen

Die neuste Appliance-Generation ist auf ganz spezielle Anwendungen zugeschnitten. Ein gutes Beispiel dafür ist etwa die «IBM Lotus Foundation Appliance» (eine Box für das Datenbank- und E-Mail-Programm Lotus Notes) oder «HP Messaging System for Microsoft Exchange 2010». Es ist davon auszugehen, dass auch andere Hersteller von Standardprodukten ihre Software mit der entsprechenden Hardware kombiniert auf den Markt bringen werden. Ob sich diese in Geräte gegossene Standard-Software am Markt durchsetzen wird, ist jedoch noch ungewiss. Das Hauptargument für deren Einsatz ist das gleiche wie schon für den Einsatz der Infrastructure in a Box Appliance: Kostenvorteile bei der Installation und im Betrieb. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wann lohnt sich der Einsatz?

Wann lohnt sich der Einsatz?

Der Einsatz von Appliances anstelle von getrennt erworbener Hardware und Software kann sich in unterschiedlicher Hinsicht lohnen, insbesondere aus Kostengründen. Zum einen lassen sich so die Betriebskosten senken, zum anderen bieten die Hersteller oftmals gute Einkaufskonditionen. Der Betrieb einer IT-Infrastruktur ist und bleibt der grösste Kostenblock in jedem IT-Budget. Marktbeobachter wie die Gartner Group und Ernst & Young schätzen, dass zwischen 50 und 80 Prozent der IT-Kosten in einem Unternehmen für den IT-Betrieb ausgegeben werden. Einen grossen Teil davon beanspruchen die Installation, die Konfiguration und das Patchen von Betriebssystemen, Infrastrukturkomponenten sowie Standard-Software. Die Automatisierung und der Einsatz von Appliances sind heute Mittel, die jeder IT-Abteilung zur Verfügung stehen, um Kosten zu reduzieren. Seit Jahren ist aber auch bekannt, dass sich lediglich 15 bis 30 Prozent der Automatisierungen lohnen –, man spricht hier von der «Ironie der Automatisierung».
Dagegen sind die Kostenvorteile von Appliances in diesem Punkt nicht von der Hand zu weisen. Vor allem die geringeren Betriebs­kosten sprechen für deren Einsatz. Viele Infrastructure-in-a-Box-Geräte sind, gemessen an ihrer Leistungsfähigkeit, überraschend kostengünstig. Die Kombination von Hard- und Software in einer Box kommt den Kunden sehr viel weniger teuer zu stehen als der Kauf der einzelnen Komponenten mit derselben Leistungsfähigkeit.
Dabei sind vor allem die Folgekosten genau zu beachten. Bei Lizenzen gilt immer noch die Regel: Nicht die Einkaufspreise sind die entscheidenden Kostengrössen, sondern die jährlich anfallenden Nutzungsgebühren.

Hochleistungs-Appliances

Ein weiterer massgebender Grund für den Einsatz von Appliances sind besondere Anforderungen, die nur mit sehr leistungsfähigen Geräten abgedeckt werden können. Dazu zählen beispielsweise die Übertragung hochsensibler Daten (das sogenannte «High Performance Data Processing«) oder die Analyse
von Unternehmensinformationen in Echtzeit. Ausserordentlich hohe Rechenleistungsanforderungen für eine bestimmte Anwendung oder die Fähigkeit, sehr schnell sehr grosse Datenmengen zu verarbeiten, lassen sich oftmals sehr viel günstiger mit einer Appliance abdecken, als wenn das Unternehmen die Software und die Hochleistungsrechner getrennt einkaufen, einrichten und betreiben müsste. Im Bereich der hochperformanten Datenanalyse sind Appliances wie die von Netezza (heute IBM), XtremeData oder Kickfire (heute Teradata) seit Jahren auf dem Markt und etabliert. Ob nun aus Kostengründen oder anlässlich spezieller Anforderungen im obersten Leistungssegment: Der Einsatz von Appliances wird zunehmend zur interessanten Alternative zum traditionellen Server.


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