Digitale Escape Rooms für die Bildung 27.07.2022, 06:17 Uhr

In virtuellen Welten lernen

Escape Rooms lassen sich nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch für die Weiterbildung nutzen. Werden hierfür digital gestaltete Räume genutzt, bietet das verschiedene Vorteile. Hier ist eine Anleitung dazu.
Die sogenannten Escape Rooms liegen voll im Trend
(Quelle: Shutterstock/Jerome.Romme)
Escape-Room-Abenteuer sind mittlerweile auf der ganzen Welt sehr beliebt. Ein Team von meist vier bis sechs Personen löst dabei gemeinsam the­matische Herausforderungen in Form von Rätseln. Ziel ist es, den richtigen Fluchtweg in einer vorgegebenen Zeit (in der Regel innerhalb einer Stunde) zu finden und aus dem geschlossenen Raum (oder dem ganzen Raumsystem) zu fliehen, bevor ein angesagtes Unglück geschieht.
Escape-Room-Angebote finden sich in zahlreichen grossen und kleinen Städten mit unterschiedlichen Themen wie die Flucht aus einer Raumstation, einem Mayatempel, einem Hexenhaus oder einem mittelalterlichen Verlies. Versteckte Hinweise helfen dabei, die Rätsel zu ­lösen und den richtigen Fluchtweg aufzuspüren. Weitere Hilfestellungen können die Spielerinnen und Spieler von einem von aussen wirkenden Spielleiter, der als Botschafter agiert, anfordern. Er verfolgt das Spielgeschehen über Raumkameras und greift bei Bedarf ein. Der Spielleiter wird dann ein Teil des Spiels, wenn er beispielsweise ­einen Gefangenen spielt, mit dem die Spieler mithilfe von Textnachrichten kommunizieren können.

Gut für die Teambildung und als ­Lernabenteuer geeignet

Diese Escape-Room-Abenteuer dienen meist der Unterhaltung und werden immer häufiger als Teambildungsveranstaltungen in Unternehmen genutzt. Überdies haben Escape Rooms auch als Lernabenteuer in der Bildung Einzug gehalten, wobei die Rätsel fachspezifische Pro­bleme darstellen, die es zu lösen gilt. Auf diese Weise wird ­themenbezogenes Wissen genutzt, um spielerisch, motiviert und teamorientiert zu lernen.
Digitale Escape Rooms in der Bildung arbeiten nach ­demselben, oben beschriebenen Prinzip und werden ­ausschliesslich virtuell mit digital gestalteten Räumen gespielt. Dies bietet einige Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Original: Es werden keine aufwendig gestalteten realen Räume benötigt. Digitale Escape Rooms ­können beliebig oft kopiert werden und benötigen lediglich digitale Ressourcen. Ausserdem können sie online an jedem beliebigen Ort gespielt werden.

Wie Virtuelle Räume erstellt werden

Für die Erstellung eines digitalen Escape-Rooms für eige­ne Lernzwecke benötigt man einen digitalen Raum, in dem thematische Rätsel, offensichtliche Hinweise ebenso wie ein Hilfesystem eingebaut sind. Ebenfalls wichtig ist eine Story, die dem Lernabenteuer einen Sinn vermittelt und erklärt, warum man gefangen ist und in ­einer gewissen Zeit dem Escape-Room entkommen muss.
Wer über ausreichend Informatikkenntnisse verfügt, kann mit einer Spielentwicklungs-Software wie Unity oder Unreal einen digitalen Escape Room inklusive der Rätsel und des Hilfesystems selbst programmieren. Jene, die nicht eigens programmieren und auf vorhandene Lösungen zugreifen wollen, können ansprechend gestaltete ­digitale Escape Rooms auch mit frei zugänglichen digi­talen Tools erstellen.
Die Nutzung digital vorgefertigter VR-Meetingräume als Escape-Räume bietet beispielsweise die Open-Source-Software «Hubs» von Mozilla (http://hubs.mozilla.com). Diese liefert eine Vielzahl vorgefertigter 3D-Räume. So ­findet man dort fantasievoll ausgestattete Raumsysteme wie klassisches Klassenzimmer, Konferenzräume, Galerien, Labyrinthe, Museen, Märchenschlösser, Kerker, Pirateninseln, mittelalterliche Türme, Zugabteile, Lagerhallen und viele weitere. Nach dem Laden eines solchen Raums kann man diesen mit Webseiten, 3D-Modellen, Bildern ­sowie PDF-, Video- und Audiodateien ausstatten und per Weblink bis zu 25 Personen in den Raum einladen.  
Alle Teilnehmer im Raum werden durch ihren Avatar dargestellt. Die Avatare können sich im Raum frei be­wegen und sich gegenseitig sehen und hören. Hubs von Mozilla ist browserbasiert, benötigt keine Installation und läuft auf unterschiedlichen Betriebssystemen wie Windows, macOS, Android oder iOS. Es unterstützt unterschiedliches VR-Equipment (Oculus Rift etc.) ebenso wie den Flat-Mode von PCs, Tablets oder Smartphones.
Die im digitalen Escape Room enthaltenen Rätsel ­stellen Aufgaben dar, die man als Team lösen muss, um weiterzukommen. Im einfachsten Fall liefert jedes gelöste Rätsel einen Teil des Codes, der benötigt wird, um schluss­endlich entfliehen zu können. Um eigens erstellte Rätsel zu platzieren, eignet sich beispielsweise das Tool «Learning­Apps» (http://learningapps.ch). Dieses beinhaltet eine Vielzahl von Möglichkeiten wie Kreuzworträtsel, Wortgitter, Zuordnungsrätsel oder Bilderpuzzles, die mit Texten, Bildern sowie ­Video- oder Audiodateien ausgestattet werden können.

Kooperatives Lernen im Team fördern

Digitale Escape Rooms können auf vielfältige Weise zum Lernen genutzt werden. Sie eignen sich zur Einführung in neue Themen, zur Überprüfung des vorhandenen Wissens oder zur Einarbeitung und Anwendung von Wissen durch Lösen spezifischer Herausforderungen. Das gemeinsame Ziel, dem Escape Room zu entrinnen, fördert das ­kooperative Lernen im Team. Dabei setzen sich die Lernenden eine Stunde mit dem Lernthema im Escape Room auseinander, gefolgt von ungefähr einer weiteren Stunde Debriefing durch die Lehrperson.
Einen weitaus grösseren Lerneffekt erreicht man, indem man Lernende in Form einer Gruppenarbeit einen eigenen digitalen Escape Room zu einem bestimmten Lernthema erstellen lässt. Diese Lernform führt in der Regel zu einem höheren zeitlichen Engagement mit einem grös­seren Lernerfolg der Lernenden im Vergleich zu herkömmlichen Lernmethoden.
Einstiegsraum eines digitalen Escape Rooms in der Bildung (Abb. 1)
Quelle: FFHS
So haben zum Beispiel Hochschulstudierende eigene digitale Escape Rooms zum Thema «Prozessoptimie­rungen» erstellt. Nach kurzer Einführung anhand eines Demo­beispiels hatten die Studierenden 25 Stunden Zeit, das gegebene Thema als digitales Escape-Room-Abenteuer umzusetzen und vorzuführen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Studierenden mit einer hohen Eigenmotivation und viel Eigeninitiative an die Aufgabenstellungen herangingen und sich intensiv mit dem Lernthema auseinandergesetzt haben.
Detailansicht eines digitalen Raums mit Rätseln und Hin­weisen (Abb. 2)
Quelle: FFHS
In Abbildung 1 findet sich der Einstieg ­eines digitalen Escape Rooms zum Thema «Prozessanalyse»: Erste Hinweise sind links angebracht. Klickt man auf den Computer, so öffnet sich eine Webseite mit weiteren ­Hilfestellungen. Weiterführende Aufgaben be­finden sich in den Zimmern, die durch die Türen links im Gang zugänglich sind. Auf der rechten Seite kommt man in weitere Räume, in denen ebenfalls zusätzliche Hinweise verborgen sind. Die Abbildung 2 zeigt die Detailansicht eines derartigen Raums. Am Ende des Ganges steht eine Tafel, dort muss man den Lösungscode eingeben, damit die Flucht gelingt. Diesen Code erhält man nur, wenn man alle Rätsel korrekt gelöst hat.
Die Autoren
Willi Bernhard ist Experte für Digital Engineering und Dozent an der Fernfachhochschule Schweiz.
Bodo Möslein-Tröppner ist Fachbereichsleiter und externer Dozierender an der Fernfachhochschule Schweiz. www.ffhs.ch



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